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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Kriegsschulen
die weitere Fortbildung von Offizieren zur Aus-
gabe haben; im erstern Sinne wird die Bezeich-
nung K. in Deutschland und Rußland angewendet,
im letztem in Osterreich, Frankreich und Italien.
1) Preußen-Deutschland. In Preußen
wurden 1810 die in Berlin, Königsberg und Breslau
errichteten militär. Bildungsanstalten K. genannt,
sie wurden aber bereits 1816 in eine Allgemeine
Kriegsschule (s. Kriegsakademie) zur Fortbildung,
und in eine Anzahl Brigadeschulen zur Heran-
bildung von Offizieren umgewandelt. Letztere er-
hielten später die Bezeichnung Divisionsschulen
und endlich unter Erweiterung auf das gesamte
deutsche Heer wieder den Namen K., mit welcher
Namensänderung eine gründliche Umgestaltung
verbunden war. Nachdem 1859 die ersten beiden
neuen K. in Potsdam und Erfurt eröffnet waren,
stieg die Zahl derselben allmählich bis auf zehn.
Zur Zeit bestehen K. in Potsdam, Glogau, früher
in Erfurt, Neisse, Engers, Hannover, Cassel, An-
klam, Metz, Hersfeld und Danzig. Der Zweck der
K. besteht in der praktischen und fachwissenschaft-
lichen Ausbildung der Offizicraspiranten aller Waf-
fen, welche, mit Ausnahme solcher, die mindestens
ein Jahr auf deutfchen Universitäten studiert baben,
vor Zulassung zur Offiziersprüfung zum Besuch
einer Kriegsschule verpflichtet sind. Der Kursus
dauerte srüher grundsätzlich 10 Monate; seit 1. Febr.
1891 waren zur schnellern Heranbildung der fehlen-
den Ofsizierersätze die Kurse bis auf weiteres auf
7 Monate verkürzt; jetzt sind sie wieder auf 9 Mo-
nate verlängert. Der Beginn derfelben ist auf den
einzelnen Schulen verfchieden. Der Lehrplan um-
faßt Taktik, Heeresorganifation, Waffenlchre, Be-
festigungslehre , Geländelehre und Aufnehmen mit
Planzeichnen, Militärgeschäftsstil und Dienstkennt-
nis; außerdem werden die Schüler in Exerzieren,
Schießen, Turnen, Fechten und Reiten ausgebildet.
Jede Schule ist nach der Schülerzahl in 4 oder
6 Parallelhörsäle gegliedert; an der Spitze der
Schule steht ein Stabsoffizier als Direktor, zum
Perfonal gehören 8 oder 12 Hauptleute als Lehrer,
K oder 8 Lieutenants als Inspektionsoffiziere und
1 Lieutenant als Vureauchef. Nach Schluß des
Kursus wird die Offiziersprüfung vor der Ober-
Militäreraminationskommission abgelegt, welche
zu diesem Zweck sich nach der betreffenden Schule
hin begiebt. Alle K. stehen unter der Inspektion
der K., welche wiederum der Generalinspektion des
Militärerziehungs- und Bildungswesens unterstellt
ist. Der Inspecteur der K. hat die Stellung eines
Brigadccomylandeurs und den Wohnsitz in Berlin.
Die bayr. Kriegsschule in München hat dieselbe
Organisation wie die preußischen K., steht aber
weder unter der Inspektion noch unter der General-
inspektion. Die Selekta der preuß. Hauptkadetten-
anstalt ist in derselben Art wie die K. organisiert.
2) Rußland. Die K. bezwecken die praktische und
theoretische Ausbildung von ehemaligen Zöglingen
der Kadettenkorps und, soweit Platz vorhanden,
auch von Freiwilligen der ersten Bildungsstufe zu
Offizieren. Der Lehrplan ist einjährig und umfaßt
außer den militär. Wissenschaften auch deutsche und
franz. Sprache. Es bestehen drei Infanterie-, je eine
Kavallerie-, Artillerie- und Ingenieurkriegsschule,
von denen die beiden letztern als Vorbereitungs-
anstalten für die Michael-Artillerie- und Nikolaus-
Ingenieur-Akademie drei, alle übrigen zwei Klassen
haben. Die Zahl der Kriegsschüler' beträgt 1800.
Vrockhaus' Konversations-Lexikon. 14. Aufl. X.
3) Österreich-Ungarn. Die Kriegsschule in
Wien (1. Nov. 1852 errichtet) ist die Fachschule für
den Generalstab, in welchem besonders besähigte
und vorgebildete, mit dem Truppendienst vertraute
Berufsoffiziere in den Kriegswissenschaften unter-
richtet werden, um die für den Dienst im General-
stabe sowie für die höhere Truppenführung erforder-
liche wissenschaftliche Grundlage zu erhalten. Die
Schule hat einen zweijährigen Kursus und steht unter
einem General oder Oberst als Kommandant; als
Lehrer fungieren meist Generalstabsofsiziere. Die
Bewerbung um Einberufung zur Kriegsschule ist
unter folgenden Bedingungen gestattet: mindestens
dreijährige aktive Dienstzeit als Offizier, gute Füh-
rung, lediger Stand, nicht überschrittenes 30. Le-
bensjahr, Kenntnis einer Nationalsprache der Mon-
archie außer der deutschen. Jeder Bewerber hat sich
einerAufnahmeprüfung zu unterziehen; sie zerfällt in
eine Vorprüfung (Geographie, Mathematik, Rechts-
lehre, Waffenlehre, Pionierdienst, Befestigung, Fe-
stungskrieg) und eine Hauptprüfung (franz. Sprache,
Kulturgeschichte, Kriegsgeschichte, Heeresorganisa-
tion, Exerzierreglements aller Waffen, Dienstregle-
ments, Taktik, Geländelehre und -Darstellung).
4) Frankreich. Die Ncols inilitairs Zuperisui-k
äe 8U6I-I-6 zu Paris hat den Zweck, Offiziere von
mindestens fünfjähriger Dienstzeit für den General-
stab vorzubereiten. Der Kursus ist zweijährig. Die
Bewerber müssen sich einerAufnahmeprüfung unter-
ziehen, deren Programm 6 Monate vorher bekannt
gemacht wird; dasfelbe geschieht mit dem Programm
der Schlußprüfung. Von Mai bis Juli macht jeder
der beiden Jahrgänge, unter Leitung der Lehrer,
eine Studienreise in die Alpen oder Vogesen.
Innerhalb der beiden Jahreskurse werden die Offi-
ziere für 5 - 6 Wochen während der Manöver zu
einer andern Waffe kommandiert. Diejenigen,
welche am Schluß des Kursus das Vrevet ä'stat-
in^oi- erhalten, werden auf die Aspirantenliste des
Generalstabs gesetzt. Jeder Jahrgang der Schule
besteht aus 70-80 Offizieren.
5) Italien. Die Kriegsschule soll gut empfohle-
nen Hauptleuten und Lieutenants, welche unmittel-
bar vorher mindestens vier Jahre Dienst bei der
Truppe gethan haben, Gelegenheit zu besonderer
militär. Ausbildung geben. Auf Grund einer Kon-
kurrenzprüfung werden jährlich 60 Offiziere (48 der
Infanterie und Kavallerie, 12 der Artillerie und des
Genie) einberufen; der Kursus dauert 2 Jahre; wer
denselben mit Erfolg durchmacht, erhält ein Diplom
und damit (bei der Infanterie und Kavallerie) das
Recht auf Beförderung außer der Reihe.
6) Großbritannien. Die Militärbildungs-
anstalten werden in drei Klassen eingeteilt. Die
erste Klasse umfaßt die Anstalten zur Aus- oder
Fortbildung der Offiziere, Unteroffiziere und Sol-
daten. An erster Stelle steht das 8tass Ooiis^L in
Camberley. Dasselbe bereitet Offiziere, die noch
nicht 37 I. alt sind und Hauptmannsrang haben,
zu dem höhern Dienst oder zum Generalstab vor.
Die ersten 28 Kandidaten, die das schwere Eintritts-
examen am besten bestehen, werden zugelassen. Eine
Artillerieschießschule zur Ausbildung des Manö-
vrierens u. s. w. mit schwerem Geschütz besteht für
Offiziere und Soldaten in Shoeburyneß: ^6 scliool
ok ttunnei'^. Nur für Offiziere ist das No^ai ^r-
tillsi'v (^o1i6F6 in Woolwich bestimmt. ^6 8ckoo1
ok Nilitai^ LnFiu66linF in Chatham besorgt die
Ausbildung von Offizieren und Soldaten zu Mi-
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