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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Niederlande

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Niederlande (Geschichte: 18. und 19. Jahrhundert).

delten, 1780 den Krieg. Obwohl die N. gänzlich ungerüstet waren, so war wegen des seit langem angesammelten Hasses gegen den eigennützigen, anmaßenden englischen Verbündeten der Krieg sehr populär, und trotz der großen Verluste für Handel und Schifffahrt wurde er mit Entschlossenheit geführt. Wiewohl die Schlacht an der Doggersbank (5. Aug. 1781) unentschieden blieb, wurden die Friedensanträge Englands abgelehnt und 8. Okt. 1782 mit den amerikanischen Freistaaten ein Allianz- und Handelsvertrag abgeschlossen. Aber schließlich ließ Frankreich die N. im Stiche, und diese mußten im Frieden vom 30. Mai 1784 England ihr Gebiet auf dem Festland von Vorderindien abtreten, demselben freie Schiffahrt in Ostindien zugestehen und den Grundsatz des Utrechter Friedens: "die Flagge deckt die Ladung", preisgeben. Die Bedrängnis der N. benutzend, hob Kaiser Joseph II. 1784 den Barrieretraktat auf, ließ die Grenzfestungen schleifen und verlangte die Freigebung der Schelde und die Abtretung von Maastricht. Die Landmacht der N. war in einem solchen Zustand, daß sie einen Krieg gegen Österreich nicht wagen konnten, und sie mußten sich im Vertrag von Paris (20. Sept. 1785) zur Abtretung von Lillo und Liefkenshoek und zu einer Zahlung von 10 Mill. Gulden verstehen, wogegen sie das Recht behielten, die Schelde zu schließen.

Die Entrüstung über diese Verluste wurde von der aristokratischen oder Patriotenpartei sehr geschickt gegen den Erbstatthalter gelenkt, welchem die Staaten von Holland mehrere Rechte, 1786 sogar die Würde des Generalkapitäns und Admirals, entzogen. Wilhelm V. verließ den Haag, und seine Anhänger verteidigten seine Rechte sogar mit Waffengewalt, indem sie die ihm feindlich gesinnten geldrischen Städte Hattem und Elburg beschossen und besetzten. Als die Erbstatthalterin, die Prinzessin Wilhelmine von Preußen, nach dem Haag reisen wollte, wurde sie von den Patrioten angehalten und zur Rückkehr gezwungen. Dafür verlangte ihr Bruder, der König Friedrich Wilhelm II. von Preußen, Genugthuung, und als dieselbe im Vertrauen auf die nachher ausbleibende französische Hilfe von Holland in stolzem Ton verweigert wurde, rückten im September 1787: 25,000 Preußen in die N. ein, eroberten in kurzer Zeit Holland und setzten unter dem Jubel des Volkes den Erbstatthalter wieder ein. Die Rechte des Hauses Oranien wurden darauf beträchtlich erweitert und zu einem Grundgesetz der Republik erklärt, auch schloß Wilhelm V. im April 1788 eine ewige Allianz mit England und Preußen.

Die Niederlande während der Revolutionszeit.

Der Ausbruch der französischen Revolution verlieh der niedergeworfenen Patriotenpartei neue Kraft. Zwar nahm Wilhelm V. 1793 eine englische Armee in sein Land auf und schloß sich der Koalition gegen Frankreich an; aber durch die Niederlagen bei Hondschoote (7. und 8. Sept. 1793) und bei Fleurus (26. Juni 1794), den Frost des Winters 1794-95, welcher die Wasserverteidigung unmöglich machte, und durch eine allgemeine Erhebung der Patrioten ward Pichegru die Eroberung der N. erleichtert, und diese erklärten nun die Erbstatthalterwürde für abgeschafft und konstituierten sich 26. Jan. 1795 als Batavische Republik, einen Einheitsstaat mit einer Gesetzgebenden Versammlung und einem Direktorium. Mit Frankreich, dessen revolutionäre Institutionen bis ins kleinste nachgeahmt wurden, schloß die Republik ein beständiges Bündnis ab, welches ihr aber große Opfer auferlegte: Maastricht, Venloo, Staats-Limburg, Staats-Flandern mußten abgetreten, 100 Mill. Gulden bezahlt und 30,000 Mann französischer Truppen unterhalten werden; das nun feindliche England lähmte den niederländischen Handel und bemächtigte sich der Kolonien, von denen Ceylon 1802 förmlich abgetreten wurde. 1805 wurde eine Verfassungsänderung vorgenommen und ein Ratspensionär, Schimmelpenninck, an die Spitze des Staats gestellt. Jedoch schon 8. Juni 1806 wurden die N. auf Napoleons I. Befehl in ein Königreich Holland verwandelt, dessen Krone Ludwig Napoleon erhielt. Die französischen Gesetze wurden eingeführt, und die holländischen Truppen mußten an allen Kriegen Frankreichs teilnehmen. Durch die Kontinentalsperre wurde der Handel auf den Schmuggel mit England beschränkt, und als der König Ludwig 1810 abdankte, weil er sein Königreich nicht den französischen Interessen preisgeben wollte, erklärte ein kaiserliches Dekret vom 10. Juli 1810 die Vereinigung Hollands als "einer Anschwemmung französischer Flüsse" mit Frankreich und Amsterdam zur dritten Stadt des Kaiserreichs; die Zinsen der Staatsschuld wurden auf ein Drittel verringert.

Wenn die französische Herrschaft auch manche Mißbräuche mit scharfem Besen wegfegte und durch die Rechtsgleichheit der Landesteile und die Beseitigung der Standesunterschiede die nationale Verschmelzung beförderte, so empfand man in den Niederlanden, besonders in Holland, den Verlust politischer, geistiger und kommerzieller Freiheit, namentlich die Unterdrückung der Muttersprache, bitter genug. Daher ward 1813 die Nachricht von dem Sieg der Verbündeten bei Leipzig freudig begrüßt und der Aufforderung des preußischen Heerführers Bülow, der in die N. einrückte, sich den Verbündeten gegen Frankreich anschließen, bereitwillig entsprochen. Ein Anhänger der altoranischen Partei, Hogendorp, bildete mit seinen Freunden van der Duyn und van Maasdam eine provisorische Regierung, und 2. Dez. 1813 ward zu Amsterdam die Freiheit der N. und der Sohn des 1795 vertriebenen Erbstatthalters Wilhelm V., Wilhelm I., der 30. Nov. in Scheveningen gelandet war, als deren souveräner Fürst proklamiert. Eine Kommission von 14 Mitgliedern arbeitete eine Verfassung aus, welche 29. März 1814 von einer Notabelnversammlung genehmigt wurde und 30. März in Kraft trat; die Macht des Fürsten wurde durch eine von den Provinzialstaaten gewählte Versammlung, die "Generalstaaten", beschränkt.

Die Niederlande mit Belgien vereinigt.

Auf Englands Betreiben, das auf dem Festland einen Preußen ebenbürtigen protestantischen Staat wünschte, wurde durch die Londoner Artikel vom 20. Juni 1814 bestimmt, daß Belgien und Holland unter dem Namen Königreich der N. zu einem Ganzen vereinigt werden sollten; die Grenzen desselben wurden durch die Wiener Schlußakte vom 9. Juni 1815 festgesetzt und Wilhelm I. als König der N. von allen Mächten anerkannt. Außer Luxemburg, das der König als Ersatz für seine deutschen Besitzungen als Großherzogtum erhielt, das aber zum Deutschen Bund gehören sollte, umfaßte das neue Königreich 17 Provinzen (Nord- und Südbrabant, Limburg, Gelderland, Lüttich, Ost- und Westflandern, Hennegau, Holland, Zeeland, Namur, Antwerpen, Utrecht, Friesland, Overyssel, Groningen und Drenthe) mit zusammen 60,000 qkm und 5,5 Mill. Einw.; dazu kam im zweiten Pariser Frieden 1815, nachdem die Truppen des jungen Königreichs unter dem Prinzen von Oranien an den Kämpfen von Quatrebras und