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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Reichb; Reichelsheim; Reichenau

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Reichb. - Reichenau.

er seine Individualität mit voller Freiheit entfallen, nicht minder aber durch seine Singspiele, eine Kunstgattung, die er ebenfalls mit Goethes Beistand in dessen "Claudina von Villabella" (1789), "Erwin und Elmire", "Jery und Bätely" (1790) zu veredeln gewußt hat. Seine übrigen Kompositionen: Opern, Oratorien, Kantaten und Instrumentalwerke, sind zu sehr im Geschmack seiner Zeit gehalten, um für die Gegenwart Bedeutung zu haben. Dagegen sind seine schriftstellerischen Arbeiten durchweg von bleibendem Wert, namentlich die "Briefe eines aufmerksamen Reisenden, die Musik betreffend" (Braunschw. 1774-76); "Über die deutsche komische Oper" (Hamb. 1774); "Musikalisches Kunstmagazin" (Berl. 1781 bis 1792); "Studien für Tonkünstler und Musikfreunde" (das. 1793); "Vertraute Briefe aus Paris" (Hamb. 1804, 3 Bde.); "Vertraute Briefe aus Wien" (Amsterd. 1810) u. a. Vgl. Schletterer, Joh. Fr. R., sein Leben und seine Werke (Augsb. 1865). - Seine Tochter Luise R., geb. 1788 zu Berlin, gest. 17. Nov. 1826 in Hamburg, hat sich ebenfalls durch Liederkompositionen bekannt gemacht.

2) Christian Gottlieb, Kartograph, geb. 26. Juni 1758 zu Schleiz, studierte 1777-81 in Leipzig Jura, wurde 1782 Stadtschreiber in Lobenstein, wandte sich dann, als 1798 Zach und Bertuch die "Allgemeinen Geographischen Ephemeriden" gründeten, der Geographie zu und nahm bis 1805, wo der Krieg jener Publikation ein Ende machte, an derselben thätigen Anteil. Namentlich beschäftigte er sich auch mit der Projektionslehre und veröffentlichte 1803 in Weimar einen merkwürdigen "Atlas des ganzen Erdkreises etc." in 6 Tafeln in gnomonischer Projektion, welcher bis heute noch keinen Nachfolger gefunden hat. Weniger glücklich war er in der Terraindarstellung, indem er selbst Alpen und Himalaja nach der Art der Umgegend von Lobenstein zeichnete, und gänzlich unkritisch und unphilologisch waren seine Bestrebungen auf dem Gebiet der alten Geographie, wenn auch sein "Atlas der Alten Welt" (Nürnb. 1824, 19 Blätter) noch 1853 eine neue Auflage erlebte. 1812 verband er sich mit Stieler in Weimar zur Herausgabe des "Handatlas", lieferte Karten für Campe in Nürnberg, für den er auch Smiths "Atlas der Alten Welt" neu bearbeitete, veröffentlichte eine "Weltkarte in Mercators Projektion" in 4 Blatt, "Geographische Nachweisungen der Kriegsvorfälle Cäsars in Gallien" (Leipz. 1832) u. a. Er starb 11. Sept. 1837 in Lobenstein.

3) Gustav, Gesangskomponist, geb. 13. Nov. 1797 zu Schmarsow bei Demmin in Vorpommern als Sohn eines Landpredigers, erhielt seinen ersten Musikunterricht von seinem Vater, bildete sich später in Berlin, wo er Theologie studierte, unter V. Kleins Leitung in der Komposition aus und widmete sich daselbst von 1819 an ausschließlich der Kunst. Nachdem er eine Reihe von Jahren als Gesanglehrer mit außerordentliche Erfolg gewirkt (unter anderm auch in der königlichen Familie), wandte er sich ganz der Komposition zu und entfaltete auf diesem Gebiet eine fruchtbare Thätigkeit. Er starb 19. Okt. 1884 in Berlin. Von seinen zahlreichen Vokalwerken sind die Lieder: "Das Bild der Rose" und "Was ist des Deutschen Vaterland?" zu seltener Popularität gelangt.

4) Eduard, Agrikulturchemiker, geb. 19. Okt. 1827 zu Kamburg, widmete sich in Altenburg der Pharmazie, studierte seit 1850 zu Jena und übernahm die Vorträge über Chemie an dem F. Schulzeschen landwirtschaftlichen Institut. 1856 habilitierte sich R. als Privatdozent und wurde 1862 zum Professor ernannt. Als Leiter der chemischen Abteilung der Versuchsstation zu Jena führte er eine große Anzahl phytochemischer und physiologischer Arbeiten aus und wies unter anderm nach, daß Eisenoxyd und Thonerde Kohlensäure reichlich absorbieren und wieder abgeben, wodurch kohlensaurer Kalk und Magnesia sowie phosphorsaurer Kalk im Boden gelöst werden. Er veröffentlichte 1860 in den Akten der Leopoldinischen Akademie die für die Kaliindustrie gewissermaßen grundlegende Schrift "Über die Staßfurter Salzlager"; eine "Ackerbauchemie"; ferner "Über die Grundlagen der Untersuchung und Beurteilung des Trinkwassers" (4. Aufl., Halle 1880); "Desinfektion und desinfizierende Mittel" (2. Aufl., Stuttg. 1881). Auch redigiert er das "Archiv der Pharmazie".

Reichb., s. Rbch.

Reichelsheim, 1) Stadt in der hess. Provinz Oberhessen, Kreis Friedberg, an der Horloff, bis 1866 zu Nassau gehörig, hat Zigarrenfabrikation und (1885) 820 Einw. - 2) Flecken in der hess. Provinz Starkenburg, Kreis Erbach, im Odenwald, an der Gersprenz und der Eisenbahn Reinheim-R., hat eine evang. Kirche, eine Schloßruine, Granit- und Syenitschleiferei, Bergbau auf Manganerze, Holzhandel und (1885) 1810 Einw. Dazu Schloß Reichenberg mit Knabenpensionat und in der Nähe die durch Scheffels Lieder bekannte Burg Rodenstein.

Reichenau, 1) Insel im Unter- oder Zeller See (westlicher Teil des Bodensees), zum bad. Kreis Konstanz gehörig, an 5 km lang, 2 km breit, östlich mit dem Festland durch eine Brücke verbunden, höchst ergiebig an Obst, Getreide und Wein, enthält 3 Pfarreien (Oberzell, Mittelzell und Unter- oder Niederzell), ein Schloß und (1885) 1537 kath. Einwohner. Die reiche, 724 daselbst begründete gleichnamige Benediktinerabtei, deren Mönche (Walafried Strabo, Hermann Contractus, Berno u. a.) sich vom 9. bis ins 16. Jahrh. große Verdienste um die Wissenschaften erwarben, kam 1538 an das Hochstift Konstanz und ward 1803 säkularisiert. Die Klosterkirche enthält das Grab Karls des Dicken. Vgl. Schönhuth, Chronik des ehemaligen Klosters R. (Freiburg 1836); Staiger, Die Insel R. (Konst. 1874). - 2) Stadt im östlichen Böhmen, an den Vorbergen des Adlergebirges gelegen, hat ein schönes Schloß mit Bibliothek und Gemäldesammlung, eine Bezirkshauptmannschaft und ein Bezirksgericht, ein Obergymnasium, Piaristenkollegium, Fabrikation von Tuch, Baumwoll- und Leinenwaren und (1880) 4702 Einw. - 3) Marktflecken in der böhm. Bezirkshauptmannschaft Gablonz, an der Pardubitz-Reichenberger Eisenbahn, hat eine Fachschule für Malerei und Steinschneidekunst, Erzeugung von Edelsteinimitationen und Dosen, gewerbsmäßige Ölmalerei und (1880) 2522 Einw. - 4) Dorf in der niederösterreich. Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen, am Eingang des romantischen, zwischen dem Schneeberg und der Raxalpe gelegenen, von der Schwarza durchströmte Höllenthals, hat eine Kaltwasserheilanstalt (Rudolfsbad), ein Kurhaus, schöne Villen, darunter die des Erzherzogs Karl Ludwig (Wartholz), und (1880) 935, als Gemeinde, mit Einschluß von 20 kleinen Ortschaften oder Rotten, 6854 Einw. Im Gemeindebezirk liegen der Thalhof, die Prein, Edlach, Payerbach und andre reizend gelegene Orte und Wiener Villeggiaturen, der Kaiserbrunnen (Ausgangspunkt der Wiener Hochquellenleitung), dann mehrere industrielle Anlagen, so ein Hochofen mit Eisengießerei (Edlach), ein Hammer- und Walzwerk (Hirschwang), eine große Papierfabrik (Schlögelmühl), eine Cellulose- und Holzstofffabrik u. a. - 5) Dorf in der sächs.