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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Schaden - Schadow.

beins (s. Schädel, S. 373) gebildet wird; als zweiter Schädelwirbel galt der aus dem hintern Keilbeinkörper, den großen Keilbeinflügeln und den Scheitelbeinen, als dritter der aus dem vordern Keilbeinkörper, den kleinen Keilbeinflügeln und den Stirnbeinen bestehende Ring, während man über die Deutung der mehr nach vorn gelegenen Schädelknochen, des Pflugscharbeins, des Siebbeins u. der Nasenbeine, sich nicht recht einigen konnte. Neuerdings (Huxley und Gegenbaur) jedoch hat man ermittelt, daß der knöcherne Schädel, auf den sich die eben erwähnten Annahmen bezogen, durchaus nicht dem ursprünglichen Schädel entspricht, vielmehr aus zweierlei Knochenstücken besteht, von denen die einen allerdings dem ursprünglichen knorpeligen Schädel, dem sogen. Primordialkranium (s. Schädel, S. 372), angehören, die andern jedoch Hautverknöcherungen darstellen und erst nachträglich sich mit jenen verbinden. Zur Ermittelung der einzelnen Schädelwirbel hat man sich daher nach andern Kriterien umgesehen und unterscheidet gegenwärtig zunächst zwei Regionen am Schädel, die vertebrale und evertebrale. Die erstere, hintere wird im Primordialkranium, also während des Embryonallebens, noch von einem Reste der Rückensaite (s. d., chorda dorsalis) durchzogen und gehört so der Wirbelsäule an; die letztere, vordere, stets chordalose scheint eine eigne Bildung zu sein und zu Wirbeln in keiner Beziehung zu stehen. Was aber die Zahl der Wirbel im vertebralen Abschnitt betrifft, so beträgt sie mindestens 9, vielleicht 11 oder noch mehr; doch lassen sich diese durchaus nicht mehr genau ermitteln und haben auch mit den oben genannten drei Schädelwirbeln nichts gemeinsam. Man ist auf diese Zahlen dadurch gekommen, daß man die Kopfnerven den Rückenmarksnerven gleichstellte, von welch letztern je ein Paar einem Wirbel des Rückgrats entspricht. Nun sind aber erstere, wie sie am erwachsenen Wirbeltier verlaufen, durchaus nicht alle einfache Nerven, vielmehr stellen z. B. der Trigeminus und Abducens (5. und 6. Hirnnervenpaar) und ebenso der Facialis und Acusticus (7. und 8. Paar) und der Oculomotorius und Trochlearis (3. und 4. Paar) vielleicht nur die Äste je eines Paares dar, während umgekehrt der Hypoglossus (12. Paar) aus vier Paaren verschmolzen zu sein scheint. Doch herrscht über diesen Punkt unter den Fachmännern noch lange keine Einigkeit, so daß einstweilen bestimmtere Angaben jedes Halts entbehren würden. Vgl. Gegenbaur, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere (Leipz. 1872); Parker u. Bettany, Morphologie des Schädels (deutsch, Stuttg. 1879).

Schaden, s. Damnum und Schadenersatz.

Schadenersatz, die Vergütung für eine Vermögenseinbuße infolge eines bestimmten Ereignisses. Dabei wird zwischen positivem Schaden (damnum emergens) und entgangenem Gewinn (lucrum cessans) unterschieden, je nachdem dem Geschädigten ein Wert entzogen wird oder eine Mehrung seines Vermögens entgeht. Was die Entschädigung anbetrifft, so kann es sich dabei um den gemeinen Wert (wirklichen Wert, Tauschwert, vera rei aestimatio) handeln, d. h. um den Wert, den eine Sache für jedermann, oder um den besondern Wert (Interesse, Affektionswert), welchen die betreffende Sache für eine bestimmte Person hat. Ersterer bildet in der Regel den Gegenstand der Entschädigung. Die Verpflichtung zum S. kann ihren Rechtsgrund haben in der absichtlichen oder fahrlässigen Verschuldung des Schadens, im Verzug, in einer vertragsmäßigen oder testamentarischen Verpflichtung und endlich in einer gesetzlichen Bestimmung. In letzterer Beziehung ist die gesetzliche Haftpflicht (s. d.) hervorzuheben. Aber auch die Verpflichtung aus der gesetzlichen (nicht vertragsmäßigen) Versicherung, wie Kranken- und Unfallversicherung, fällt unter die gesetzliche Schadenersatzpflicht, indem dabei auch der Umfang der Entschädigung gesetzlich festgestellt ist. Vgl. Mataja, Das Recht des Schadenersatzes (Leipz. 1888).

Schadenfreude, dasjenige Lustgefühl, welches durch die Wahrnehmung eines Unlustgefühls des andern hervorgerufen wird (s. Mitgefühl).

Schadenversicherung, Versicherung gegen drohende Vermögensverluste, im Gegensatz zu andern Arten der Versicherung (s. d.).

Schadhekam (pers.), das Schlaraffenland der morgenländischen Märchen.

Schädlicher Raum, s. Luftpumpe, S. 983.

Schadow, 1) Johann Gottfried, Bildhauer, geb. 20. Mai 1764 zu Berlin, besuchte das Gymnasium zum Grauen Kloster daselbst, erhielt daneben von einem Bildhauer Zeichenunterricht, kam dann in das Atelier des Bildhauers Tassaert, entfloh aber bald mit seiner Geliebten, einer gebornen Österreicherin, nach Wien und besuchte von da 1785 auf Kosten seines Schwiegervaters Italien. Hier widmete er sich mit Eifer dem Studium der Antike und gewann schon im folgenden Jahr mit einer Gruppe des Perseus und der Andromeda einen Preis. Nach Berlin zurückgekehrt, wurde er 1788 an Stelle des verstorbenen Tassaert Hofbildhauer. Sein erstes größeres Werk, das er hier ausführte, war das Denkmal des im Knabenalter verstorbenen Grafen von der Mark, eines natürlichen Sohns des Königs Friedrich Wilhelm II., in der Dorotheenkirche zu Berlin (1790), in welchem er an Stelle der oberflächlichen Kunst des Rokoko bereits die strengere, der Antike abgelernte Formengebung setzte. 1795 modellierte er die Quadriga für das neuerrichtete Brandenburger Thor, welche von Jury in Potsdam in Kupfer getrieben ward. Andre Werke aus derselben Zeit sind: die trefflichen Reliefs im Parole- und gelben Pfeilersaal des königlichen Schlosses zu Berlin; die Marmorstatue Friedrichs d. Gr. zu Stettin; die des Generals v. Zieten, die erste historisch-realistische Porträtstatue der neuern deutschen Kunst (das Marmororiginal in der Kadettenanstalt zu Lichterfelde, eine Bronzenachbildung auf dem Wilhelmsplatz zu Berlin); die Marmorgruppe der beiden Schwestern: der Gemahlin des damaligen Kronprinzen von Preußen, nachmaligen Königin Luise, und der Prinzessin Friederike, nachmaligen Königin von Hannover; das Denkmal des Generals Tauentzien in Breslau (ein Sarkophag, auf welchem eine Bellona ruht); die Marmorfigur eines ruhenden Mädchens (Berliner Nationalgalerie); das Denkmal des Ministers v. Arnim in Boitzenburg und das Relief am Münzgebäude in Berlin. Unter Friedrich Wilhelm III. führte er das Standbild des Fürsten Leopold von Dessau auf dem Wilhelmsplatz zu Berlin, das Blüchers zu Rostock und die 1821 enthüllte Lutherstatue zu Wittenberg aus. Von seinen zahlreichen kleinern Werken sind zu erwähnen die Büsten von Hufeland, Graun, Sebastian Bach, Lessing u. a. Für die Walhalla schuf er mehrere Büsten: von Karl d. Gr., Heinrich dem Finkler, Konrad dem Salier, Heinrich dem Löwen, Rudolf von Habsburg, Kant, Klopstock, Haller, Johannes v. Müller, Friedrich d. Gr., Wieland u. a., die zum Teil von seinen Schülern Karl Wichmann, Tieck, Rauch, Kiß und von seinen Söhnen Rudolf und Wilhelm ausgeführt wurden. Es gibt auch mehrere treff-^[folgende Seite]