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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schwyz

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Schwyz (Kanton und Flecken).

Landes, bildet die Viehzucht, voraus die eines trefflichen und zahlreichen Rinderschlags, den Haupterwerb durch Sennerei und Viehausfuhr. Auch unterhält das Stift Einsiedeln ein Gestüt zur Reinhaltung der Pferderasse. Starke Schweinezucht findet in der March statt. Schafe und Ziegen sind in Menge vorhanden. Auf wenige Thalgründe beschränkt, deckt der Feldbau den Getreidebedarf nicht; Zürich ist der Fruchtmarkt des Landes. Die March pflanzt viel Hanf und Ziegerkraut und setzt letzteres an die Glarner ab. Nur in Außer-S. treibt man etwas Weinbau. Die March ist ein wahrer Obstwald (auch in Kernobst), der bis weit an die Berge hinanreicht; der innerschwyzerische Thalarm von Schwyz bis Küßnacht ist ein Hauptproduzent von Kirschwasser. Die Waldungen, noch immer übel bewirtschaftet, unterhalten starke Ausfuhr von Nadel- und Laubholz. In den Höfen, bei Bäch, liefert ein Bruch treffliche Sandsteine, die nach Zürich eine Wasserstraße haben. Das Thal von S. besitzt roten, grauen und schwarzen Marmor, das hintere Wäggithal reiche und wohlgelegene Lager von Wetzstein, Kalk, Gips und Thon. Ergiebige Torfmoore finden sich um Einsiedeln. Baumwollspinnereien und -Webereien, fast sämtlich im Besitz von Züricher Fabrikanten, arbeiten in der March und den Höfen, weniger in den Bezirken Einsiedeln und Schwyz. Ebenfalls von Zürich aus hat sich das Seidenweben bis in die einsamsten Thal- und Bergdörfer verbreitet; gewöhnlich sind 1200 Webstühle im Gang. Die Gersauer Seidenspinnereien zählen 4000 Spindeln. Örtlich bedeutsam ist die Einsiedler Industrie (s. Einsiedeln). Einen wichtigen Erwerbszweig bringt wie längst die Wallfahrt nach Einsiedeln, so seit neuerer Zeit der allsommerliche Touristenzug, hauptsächlich zum Rigi (s. d.), von dessen Hotels Kulm, Staffel und Klösterli sowie Scheideck auf schwyzerischem Boden liegen. Im September 1875 wurde die rechtsuferige Zürichseebahn, 1. Mai 1877 die Bahn Wädenswyl-Einsiedeln eröffnet; in Arth (richtiger Goldau) vereinigen sich zwei Zufahrtslinien zum St. Gotthard, um durch das Thal von Schwyz an den Vierwaldstätter See zu gelangen. Die höhern Lehranstalten in Schwyz (Aktienunternehmen) und Einsiedeln (Unternehmen des Stifts) haben erfreulichen Aufschwung genommen. Die Stiftsbibliothek Einsiedeln zählt 33,000 Bände, die öffentlichen Bibliotheken des Kantons zusammen 55,000 Bände. Dagegen besitzt der Kanton weder Blinden- und Taubstummen- noch Rettungs- und Zwangsarbeitsanstalten. Das Lehrerseminar in Rickenbach sowie die auf luzernischem Boden befindliche Rettungsanstalt Sonnenberg sind wesentlich unter Mitwirkung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft entstanden. Ein Lehrerinnenseminar besteht unter den Theodosianischen Lehrschwestern zu Ingenbohl.

Was die Verfassung anlangt, so hat das Land S., einer der althergebrachten Landsgemeindekantone, nach dem Sonderbundskrieg (1848) die reine Demokratie mit dem Repräsentativsystem vertauscht, ist aber mit der neuen Verfassung zum Referendum übergegangen. Die jetzt gültige Verfassung wurde 11. Juni 1876 und 23. Sept. 1877 vom Volk angenommen und 10. Jan. 1884 partiell revidiert. Sie unterstellt der obligatorischen Volksabstimmung alle Gesetze und Verträge, alle einmaligen Ausgaben von über 50,000, alle wiederkehrenden von jährlich über 10,000 Frank, dem fakultativen Referendum, d. h. auf Begehren von 2000 Bürgern, alle Staatsverträge sowie gewisse Dekrete und Verordnungen des Kantonsrats. Die Legislative ist einem Kantonsrat übertragen, der auf vier Jahre vom Volke gewählt wird, je ein Mitglied auf 600 Seelen. Die Exekutive übt der vom Kantonsrat und zwar aus seiner Mitte auf vier Jahre ernannte Regierungsrat, der aus sieben Mitgliedern besteht und vom Landammann präsidiert wird. Die oberste richterliche Instanz bildet das bezirksweise auf sechs Jahre gewählte Kantonsgericht von neun Mitgliedern. Erste Instanz für Kriminalfälle ist das Kriminalgericht aus fünf Mitgliedern. In den Bezirken ist die Exekutive einem Bezirksammann übertragen, dem ein Kollegium für Waisensachen etc. zur Seite steht (Bezirksrat); die untere richterliche Instanz ist das Bezirksgericht. In den Gemeinden wirken ein Gemeinderat und ein Vermittler. Die Staatsrechnung für 1886 zeigt an Einnahmen 369,092 Fr. (darunter 182,458 Fr. Vermögens- und Kopfsteuer), an Ausgaben 366,361 Fr. Das Erziehungswesen erforderte bloß 18,513 Fr., da die Volksschule Sache der einzelnen Gemeinden, resp. Kreise ist, das Lehrerseminar zum Teil aus dem Jützschen Legat unterhalten wird und das höhere Schulwesen (s. oben) nicht Staatsunternehmung ist. Die Passiven des Staatsvermögens betrugen Ende 1886: 1,495,775 Fr., während die Aktiven 129,110 Fr. ausmachten, mithin ein Passivenüberschuß von 1,366,666 Fr. Dazu kommen jedoch noch zehn Spezialfonds im Betrag von nahezu 300,000 Fr.

Der gleichnamige Hauptflecken des Kantons liegt auf grünen Matten in einem von den Mythen, dem Rigi und dem Fronalpstock umstandenen, sanft zum Vierwaldstätter See geneigten Thalkessel, in welchen einerseits das Muotathal, anderseits das Thal des Lowerzer Sees ausmünden. Rings um den Flecken schimmern Häuser und Kapellen aus Baumgruppen hervor; über demselben thront das Kollegium Mariahilf, eine höhere Erziehungs- und Lehranstalt. S., mit Seewen eine Station der Gotthardbahn, zählt (1888) 6624 Einw.

Geschichte. Das alte S., welches 970 zum erstenmal erwähnt wird, erscheint von Anfang an als eine Gemeinde meist freier Bauern mit einheimischen Ammännern an der Spitze; doch waren die Habsburger als Grafen vom Zürichgau, zu dem es gehörte, seine Gerichtsherren. Im Dezember 1240 erhielt es von Friedrich II. zum Dank für geleisteten Zuzug einen Freiheitsbrief, der es der Gerichtshoheit der Habsburger entzog; allein diese erkannten denselben nicht an, und nach langer Fehde mußte S. unter ihre Botmäßigkeit zurückkehren. Nachdem es 1291 das ewige Bündnis mit Uri und Unterwalden geschlossen, erlangte es 1309 von Heinrich VIII. die rechtskräftige Bestätigung seiner Reichsfreiheit und sicherte diese durch den glorreichen Sieg am Morgarten 15. Nov. 1315. Die zähe Energie und der wilde Heldenmut, den die Schwyzer bei jeder Gelegenheit an den Tag legten, gab ihnen eine Art Hegemonie unter den Landkantonen, so daß ihr Name von den Fremden bald auf die gesamten Waldstätte und seit dem Sempacher Krieg auf die ganze Eidgenossenschaft angewendet wurde. Teils durch Eroberung, teils durch Kauf brachte S. die Österreich zustehende Gerichtshoheit und Schirmherrschaft über Einsiedeln, die March und Küßnacht an sich. Der Reformation wehrte es den Eingang mit Feuer und Schwert und stand mit Eifer zu den katholischen Sonderbestrebungen. Der helvetischen Einheitsrepublik von 1798 fügte es sich erst, als es nach den heldenmütigen Kämpfen an der Schindellegi und am Morgarten (2. Mai) die Nutzlosigkeit fernern Widerstandes er-^[folgende Seite]