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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Sizilien

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Sizilien (Insel: Geschichte).

Herbst vier Monate die Masse der Bevölkerung vorwiegend nähren. Im großen werden ferner gezogen: Johannisbrot, Mandeln, Haselnüsse, Feigen, Mannaeschen, Süßholz etc. Die Viehzucht ist unbedeutend und liefert infolge schlechter Behandlung geringen Ertrag, Krankheiten treten oft verheerend auf; am zahlreichsten sind noch Schafe (1881: 477,493) und Ziegen (171,558). Sehr lohnend und ein wichtiger Faktor in der Ernährung der Bevölkerung ist die Fischerei, namentlich auf Sardellen und Thunfische, die in zahlreichen großen Tonnaren rings um die Insel gefangen werden. An trefflichen, zum Teil sehr edlen Bausteinen ist S. reich, obschon es ihm auch an lohnendem Bergbau fast völlig fehlt. Nur die Schwefelproduktion ist bedeutend, wenn auch die Methode der Gewinnung noch sehr primitiv ist. Sie ist von 300,000 metr. Ztr. im J. 1830 in den letzten Jahren auf 3,300,000 gestiegen, die im Wert von 25 Mill. Lire zur Ausfuhr gelangen, während nur etwa 60,000 metr. Ztr. im Land selbst verbraucht werden. Die reichen Steinsalzlager werden noch kaum ausgebeutet, da man Seesalz in den Salzgärten von Syrakus, Augusta, Trapani und Marsala massenhaft und billiger gewinnt. Ein eigentümliches Erzeugnis Siziliens ist auch Bernstein, der an der Küste des Golfs von Catania gefunden und in Catania verarbeitet wird. Mineralquellen hat S. 82, meist Schwefelquellen, wovon die bedeutendsten und schon seit alter Zeit besuchtesten die von Termini und Sciacca (Thermae Selinuntinae) sind. Die Industrie ist in S., soweit sie nicht mit der Urproduktion unmittelbar zusammenhängt (Gewinnung von Essenzen, konzentriertem Zitronensaft, Öl, Weinstein, Mahlen von Getreide und Sumach, Schwefelraffinerie etc.), sehr gering; es bestehen nur einige Fabriken für Maschinen, Messingbetten, Zement, Thonwaren, Handschuhe, Teigwaren und Seife. Bedeutender, wenn auch noch immer viel in den Händen von Deutschen, Schweizern und Engländern, ist der Handel, der sich seit 1860 rapid entwickelte, seit sich die Bodenkultur im Innern gehoben hat und Verkehrswege geschaffen sind, die ihre Erzeugnisse an die Küste zu bringen erlauben. Seit dem Jahr 1863 hat sich allmählich das Eisenbahnnetz der Insel entwickelt, eine Linie verbindet Palermo mit Girgenti und Porto Empedocle, eine zweite Palermo mit Trapani, eine dritte Messina mit Syrakus, eine vierte geht von Catania durchs Innere über Caltanissetta nach Licata und entsendet zwei Abzweigungen zur Linie Palermo-Girgenti. Das Gesamtnetz umfaßt gegenwärtig 805 km. Auch auf Hafenbauten in Palermo, Messina und Porto Empedocle sind bedeutende Summen verwendet worden. Landstraßen gibt es verhältnismäßig wenig (ca. 3500 km) und in mäßigem Zustand. Der Verkehr war daher immer hauptsächlich auf das Meer angewiesen. In sämtlichen (60) Häfen von S. liefen 1886: 31,337 Schiffe mit 5,292,798 Ton. ein. Die Handelsmarine der sizilischen Häfen hatte Ende 1886 einen Stand von 1491 Schiffen mit 122,384 T., worunter sich 76 Dampfer mit 52,828 T. befanden. Der Warenverkehr in sämtlichen Häfen betrug in der Einfuhr 1,050,000 T., in der Ausfuhr 1,488,000 T. Hauptartikel sind in der Einfuhr: Getreide und Mehl, Kohlen, Eisen, andre Metalle und Maschinen, Garne und Gewebe, Holz und Petroleum; in der Ausfuhr: Schwefel, Wein, Agrumen, Seesalz, Gerbstoffe, Getreide und Hülsenfrüchte, Mehl, Johannisbrot, Mandeln, sonstige Früchte, Farbstoffe, Fische, Öl etc. Zu S. gehören auch noch die Liparischen Inseln nebst Ustica auf der Nord-, die Ägatischen Inseln auf der Westseite und die Insel Pantelleria nebst den Pelagischen Inseln (Lampedusa, Linosa, Lampione) an der Südseite. Die Insel zerfällt in sieben Provinzen: Caltanissetta, Catania, Girgenti, Messina, Palermo, Syrakus und Trapani. Vgl. Hoffweiler, S., Schilderungen aus Gegenwart und Vergangenheit (Leipz. 1870, illustriert); Gregorovius, Siciliana (6. Aufl., das. 1888); Franchetti und Sonnino, La Sicilia nel 1876 (Flor. 1877); v. Adrian, Prähistorische Studien aus S. (Berl. 1878); Th. Fischer, Beiträge zur physischen Geographie der Mittelmeerländer, besonders Siziliens (Leipz. 1877); v. Lasaulx, S., ein geographisches Charakterbild (Bonn 1879); Schneegans, S., Bilder aus Natur, Geschichte und Leben (Leipz. 1886); Gsell Fels, Sizilien (in "Meyers Reisebüchern", das. 1889); "Carta geologica della Sicilia", 1:500,000 (hrsg. vom Ufficio geologico, Rom 1885).

Geschichte.

S., früher Trinakria ("Dreispitzen"), führt seinen Namen von den Sikelern oder Sikulern, die einst den ganzen Westen der Apenninenhalbinsel südlich vom Tiber bewohnten, bis sie, von den Oskern vertrieben, um 1100 v. Chr. nach S. hinübergingen, wo sie die Ureinwohner, die Sikaner und Elymer, in den westlichsten Teil der Insel zurückdrängten. Wegen ihrer günstigen Lage im Zentrum des Mittelländischen Meers wurde S. bald das Ziel der Handelsthätigkeit der Phöniker, die zahlreiche Niederlassungen hier gründeten, unter denen eine der ältesten das heutige Palermo (Machanath choschbim, später Panormos) ist. Ihnen folgten seit dem 8. Jahrh. ionische Griechen, welche den Norden der Ostküste, dann dorische, welche den südlichen Teil derselben kolonisierten und dann sich auch über die Nord- und Südküste ausbreiteten. Ionische Städte waren: Naxos, Zankle (später dorisch Messana), Katane, Leontinoi, Himera; dorische: Syrakus, Megara, Kamarina, Gela, Akragas oder Agrigent, Selinus. Die griechische Kolonisation der sogen. Sikelioten (sizilischen Griechen) war so zahlreich und mächtig, daß sie bald die ganze Insel, auch den später karthagischen Teil, hellenisierte.

Die Herrschaft in den griechischen Kolonien lag anfangs in den Händen der edlen Geschlechter, während die niedern Stände und die spätern Ansiedler ohne Teilnahme an der Regierung waren. Diese Rechtsungleichheit erzeugte Unzufriedenheit in der niedern Bürgerschaft, die von ehrgeizigen Männern zur Gründung von Tyrannenherrschaften benutzt wurde. Den Anfang machte 565 v. Chr. Phalaris in Agrigent; einem seiner Nachfolger, Theron, und Gelon, dem Tyrannen von Syrakus, war zur Zeit der Perserkriege der größte Teil der Insel unterthänig. Dadurch wurden die Besitzungen der Karthager, welche an Stelle der Phöniker getreten waren, im Westen der Insel gefährdet, und es kam infolgedessen zwischen ihnen und den Griechen zum Kampf, welcher mit dem Sieg der letztern bei Himera (480) endete. Die Tyrannis, welche sich bald durch hohe Steuern und Bedrückung des Volkes verhaßt machte, wurde zuerst (465) in Syrakus und bald darauf in allen übrigen Städten der Insel beseitigt. Das ehrgeizige Streben von Syrakus nach der Vorherrschaft über die sizilischen Hellenen hatte die Einmischung der Athener in die Verhältnisse der Insel (sizilische Expedition, 415-413, s. Syrakus) zur Folge. Zwar wurde diese zurückgewiesen, und Dionysios von Syrakus vereinigte 376 fast ganz S. unter seiner Herrschaft. Nach dessen Tod jedoch zerfiel die Macht von Syrakus, die auch Agathokles nicht auf die Dauer