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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Tiguriner - Tilgner.

verbunden, bis auf ca. 30 km, nimmt in seinem untern Lauf den Namen Amara an und vereinigt sich nach einem Laufe von ungefähr 1500 km bei Korna mit dem Euphrat zu einem einzigen Strom, dem Schatt el Arab (s. d.). Bei der Vereinigung beider Ströme ist der T. weit wasserreicher und reißender als der Euphrat. Von den zahlreichen Nebenflüssen des T. sind die bedeutendsten: Chabur, die beiden Zab und Diala. Der vereinigte Strom nimmt noch die Kercha und den Kârûn auf. Der T. ist von Mosul an schiffbar (für Kellek, d. h. Flöße aus aufgeblasenen Tierhäuten, von Diarbekr an), hat eine ansehnliche Breite und Tiefe, aber auch viele Felsenklippen; der vereinigte Strom ist auch für große Schiffe fahrbar, doch wird die Einfahrt an der Mündung durch Sandbänke sehr erschwert. Die Ufer des T., einst Sitze hoher Kultur und Zivilisation, sind jetzt verödet und, mit Ausnahme der Orte Diarbekr, Mosul und Bagdad, fast nur von nomadischen Kurden- und Araberstämmen bewohnt.

Tigurīner, kelt. Volk, welches den helvetischen Pagus Tigurinus bewohnte. Die T. erscheinen zuerst in Verbindung mit den Cimbern, mit denen sie das südliche Gallien verwüsteten; 107 v. Chr. schlugen sie am Lemanischen See den Konsul L. Cassius; dann folgten sie 102 den Cimbern nach Osten, drangen aber nicht in Italien ein, sondern kehrten in ihre Heimat zurück, nahmen 58 an dem Zug der Helvetier nach dem südlichen Gallien teil, wurden von Cäsar an der Saône geschlagen und zur Rückkehr nach der Schweiz gezwungen.

Tikal (Bat), 1) siames. Silbermünze, 15,228 g schwer, 0,928 fein, im Wert von 2,544 Mk.;

2) Gewicht in Siam (= 4 Salung à 2 Fuang = 15,292 g) und in Birma (= 1/100 Pehtha = 16,556 g).

Tikei, Insel, s. Romanzow.

Tiki-Tiki, Zwergvolk, s. Akka.

Tikmehl, s. Arrow-root.

Tikotschin (Tikoczyn), Stadt im russisch-poln. Gouvernement Lomsha, am Narew, mit 3 Kirchen, lebhaftem Grenzverkehr und (1882) 6008 Einw.

Tikuna, Indianerstamm im Innern von Brasilien, welcher mit vielen andern größern und kleinern Völkern (Miranha am obern Yapure, Catauaxi am Coury, Botokuden im O. des São Francisco u. a.) innerhalb des Gebiets der Tupi-Guarani und der Omagua wohnt. Wahrscheinlich hängen die T. nicht mit jenen zusammen, bilden vielmehr die zersprengten Überreste eines oder mehrerer größerer Stämme. S. Tafel "Amerikanische Völker", Fig. 22 u. 23.

Tikunagift, s. Pfeilgift.

Tilborch, Gillis, niederländ. Maler, geboren um 1625 zu Brüssel, Schüler von D. Teniers, wurde 1654 Meister daselbst und starb um 1678. Er hat in der Art seines Meisters und Craesbeecks Genrebilder aus dem Bauernleben (Hochzeiten, Wirtshausszenen, Schlägereien u. dgl. m.) gemalt. Hauptwerk: Bauernhochzeit (in Dresden).

Tilburg, Stadt in der niederländ. Provinz Nordbrabant, durch Eisenbahnen mit Breda, Nimwegen, Boxtel und Turnhout verbunden, hat ein Kantonalgericht, eine höhere Bürgerschule, einen erzbischöflichen Palast, 4 römisch-katholische und eine reform. Kirche, eine Synagoge, starke Tuch- und Wollzeugfabrikation, Gerberei etc. (im ganzen über 300 Fabriken) und (1887) 32,016 Einw.

Tilbury (engl., spr. tillbĕrĭ), Art Kabriolett, ein leichter zweiräderiger Gabelwagen.

Tilbury (spr. tillbĕrĭ), Dorf in der engl. Grafschaft Essex, an der Themse, Gravesend gegenüber; dabei das Fort T., ursprünglich von Heinrich VIII. erbaut. Hier hielt die Königin Elisabeth Heerschau über die englische Armee, als die spanische Armada England bedrohte. Oberhalb sind seit 1882 großartige Docks mit 168 Hektar Wasserfläche und 11 m Tiefe gebaut worden.

Tilde (span.), "Strichlein", insbesondere das Zeichen auf dem (spanischen) ñ, z. B. señor (spr. ssénjōr).

Tilden, Samuel Jones, amerikan. Staatsmann, geb. 9. Febr. 1814 zu New Lebanon im Staat New York, studierte Jura und ward 1841 Advokat in New York. Frühzeitig widmete er sich der Politik, wurde bald ein hervorragender Führer der demokratischen Partei und war viele Jahre Präsident des demokratischen Komitees, eine Stellung, die ihm großen Einfluß gab. Er that sich besonders 1871 durch Sprengung des "Tammany-Rings" (s. d.) hervor. 1874 ward er zum Gouverneur des Staats New York gewählt und 1876 von den Demokraten als Gegenkandidat für die Präsidentschaft gegen den Republikaner Hayes aufgestellt. T. siegte zwar, doch kassierte die republikanische Majorität des zur Prüfung der Wahlstimmen berufenen Kongreßausschusses mehrere für ihn abgegebene Stimmen und proklamierte Hayes als Präsidenten. Auch zum Gouverneur von New York wurde T. 1880 nicht wieder gewählt, zog sich ganz vom politischen Leben zurück und starb 4. Aug. 1886. Seine "Writings and speeches" wurden von Bigelow herausgegeben (New York 1885, 2 Bde.).

Tile Kolup, s. Holzschuh.

Tilgner, Viktor, Bildhauer, geb. 25. Okt. 1844 zu Preßburg, bildete sich auf der Akademie zu Wien und bei den Professoren Bauer, Gasser und Schönthaler und erhielt noch während seiner Studienzeit den Auftrag, die Büste des Komponisten Bellini für das Opernhaus und die Statue des Herzogs Leopold VI. für das Arsenal auszuführen. Durch den Einfluß des französischen Bildhauers Deloye, welcher 1873 eine Zeitlang in Wien thätig war, und an den sich T. anschloß, wurde dieser auf den naturalistischen Stil der Barock- und Rokokoplastik geführt, in dessen Formensprache er sich, ähnlich wie R. Begas in Berlin, fortan bewegte. Seine ersten hervorragenden Schöpfungen waren Porträtbüsten, unter denen die von Charlotte Wolter (1873, s. Tafel "Bildhauerkunst X", Fig. 12) seinen Namen zuerst bekannt machte. Nachdem er 1874 eine Reise nach Italien unternommen, entfaltete er in Wien eine umfangreiche Thätigkeit auf dem Gebiet der Porträt- und dekorativen Plastik. Von seinen durch höchste Lebendigkeit, feinste Individualisierung und originelle Komposition ausgezeichneten Porträtstatuen und -Büsten sind die hervorragendsten: Kaiser Franz Joseph, Kronprinz Rudolf, die Maler Führich, Schönn und Leopold Müller, H. Laube, Bauernfeld, Rubens (für das Künstlerhaus in Wien), von seinen dekorativen Arbeiten: die Figuren der Phädra und des Falstaff für das neue Opernhaus, Triton und Najade (Brunnengruppe in Erz im Volksgarten zu Wien), Brunnen- und Bassinsgruppen für die kaiserlichen Villen in Ischl und im Tiergarten bei Wien, für den Hochstrahlbrunnen beim Palais Schwarzenberg in Wien (1887) und für Preßburg (1888). In diesen Figuren, Gruppen und Zieraten für Brunnen hat T. eine reiche Phantasie entfaltet, welche auch dem Ausdruck des Monumentalen gerecht wird. Für Preßburg hat T. ein Denkmal des Komponisten Hummel geschaffen. In neuerer Zeit hat er an Porträtbüsten und Genrestatuetten glückliche Versuche in der Polychromie gemacht. Er ist Professor an der Wiener Kunstakademie, in welcher Stellung er zahlreiche