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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Tirol

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Tirol (Geschichte).

Kaisertums kam T. unter die Herrschaft der Ostgoten, nach deren Zertrümmerung der nördliche Teil des Landes von den Bojoaren (Bayern), der südliche von den Langobarden besetzt ward. Dann ward T. fränkische Provinz, in Gaue geteilt, deren Namen sich erhalten haben, wie Vintschgau (Finsgowe), Thal Passeyer (Passir), Zillerthal (Cillarestal), Pusterthal (Pustrissa), Innthal, Norithal (das innere T. um den Brenner herum) mit der Grafschaft Bozen, und von Grafen verwaltet. Nach dem Aussterben des karolingischen Hauses nahmen es die wieder emporgekommenen bayrischen Herzöge zum Teil in Besitz. Außer den geistlichen Fürsten von Brixen und Trient bewahrten ihre Unabhängigkeit die Grafen von T., welchen der Vintschgau und ein Teil des Engadin gehörte. Ihre Stammburg war Schloß T. oberhalb Meran (früher Maias). Schon seit 1001 werden Grafen von T. erwähnt, doch beginnt eine regelmäßige Succession erst seit Albrecht I. um 1110. Einer seiner Nachfolger, Albrecht IV. (1202-53), erwarb 1248 die Grafschaft Andechs im Oberinnthal bei dem Aussterben der Herzöge von Meran, welche diesen Titel als Markgrafen des am Meer liegenden Istrien führten und sich von Friedrich I. von Dießen (gest. 1020) ableiteten. Die übrigen Besitzungen dieses Geschlechts in Oberbayern, wo Andechs am Starnberger See lag, im Norithal (um Brixen) und Pusterthal wurden von den Herzögen von Bayern und den Bischöfen von Brixen okkupiert. Das Gebiet einer dritten Familie, nämlich der Herren von Eppan, welche angeblich zum Geschlecht der Welfen gehörten, erwarben in 12. Jahrh. die Bischöfe von Trient, wie z. B. die Grafschaft Bozen. Diesem Stift war auch die Grafschaft Matrei zugefallen, während das Zillerthal schon seit dem 11. Jahrh. zum Erzstift Salzburg gehörte. Ein viertes Geschlecht, die Grafen von Heimföls-Lurenfeld, seit dem 12. Jahrh. Grafen von Görz genannt, war im tirolisch-kärntnischen Pusterthal reich begütert. Als Albrecht IV. von T. 1253 starb, teilten seine Schwiegersöhne, die Grafen Meinhard I. von Görz und Gebhard von Hirschberg, die kaum vereinigte Erbschaft; jener erhielt die Besitzungen der Grafen von T., dieser die der Grafen von Andechs. Doch fiel die Erbschaft Gebhards durch Kauf wieder an Meinhard II., Enkel des letzten Grafen von T., welcher 1282 von Kaiser Rudolf I. die Reichsunmittelbarkeit des nun in seinen Besitzverhältnissen geschlossenen Landes zuerkannt erhielt, das nunmehr den Namen T. (Etschland und Innthal) zu führen begann. Meinhards II. Enkel Heinrich, Herzog von Kärnten und Graf von T., hinterließ eine Erbtochter, Margarete Maultasch, welche zuerst mit Johann von Luxemburg und dann mit dem Markgrafen Ludwig von Brandenburg, Kaiser Ludwigs ältestem Sohn, vermählt war und nach dem Tod ihres Sohns Meinhard 1363 das Land an die Herzöge von Österreich abtrat. 1364 bestätigte der Kaiser diese Gebietsveränderung im Vertrag zu Brünn, und 1369 erkannten sie auch die bayrischen Herzöge im Schärdinger Vergleich an. Bei der Teilung der habsburgischen Brüder Albrecht III. u. Leopold III. (1379) fiel T. an Herzog Leopold, der 1386 bei Sempach fiel. Bei der Teilung von 1406 überkam sein jüngster Sohn, Herzog Friedrich IV. (mit der leeren Tasche), das Land samt den schwäbischen Vorlanden in ziemlicher Verwirrung, die sich durch den Konflikt, in den Friedrich mit dem Konstanzer Konzil und dem Kaiser Siegmund 1415 geriet, noch steigerte. Während Friedrich im Gebirge umherirrte, suchte sich sein Bruder Ernst von Steiermark des Landes zu bemächtigen; doch kam 1416 eine Versöhnung zwischen den Brüdern zu stande, und die Grafschaft T. erhielt der Herzog Friedrich zurück, der nun mit Hilfe des Landvolks den widerspenstigen Adel demütigte. Von nun an erhielten die Städte und das Landvolk gleiche politische Rechte mit den zwei vornehmen Ständen (Landtag zu Meran 1433). Unter seinem Sohn Siegmund, dem "münzreichen", aber durch verschwenderische Freigebigkeit stets geldbedürftigen Herrscher, blühte der Bergbau in T. auf, zumal die Silbergruben von Schwaz ergaben unermeßliche Ausbeute. Dieser Fürst ist besonders bekannt durch den Kirchenstreit, der 1455 zwischen ihm und dem Bischof von Brixen, Nikolaus von Cusa, wegen der Vogtei über das Nonnenkloster Sonnenburg im Pusterthal sich entspann und 1464 resultatlos endete. Da Siegmund kinderlos war, übergab er die Grafschaft 1490 seinem Neffen, dem König Maximilian I., der sie 1504 durch das Zillerthal, Kufstein, Kitzbühel, Rattenberg, das kärntnische Pusterthal zwischen Ober-Drauburg und Lienz, ferner gegen Italien durch die Reichsvikariate Ala, Avia, Mori, Brentonico, das Grenzgebiet von Covolo (Kofel) und Pudestagno (Peutelstein), ferner Riva und Roveredo vergrößerte und ihr den Titel gefürstete Grafschaft beilegte. Ferdinand I. trat der Reformation entgegen, die seit 1522 im Land Eingang gefunden hatte, unterdrückte zwar 1525 den Bauernaufstand, den in Brixen Michael Geißmayer angestiftet hatte, mußte aber die freie Predigt nach dem Wort Gottes gestatten. Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. ward durch das Zusammenwirken des katholischen Adels und der Regierung in Innsbruck bewirkt, daß T. von den Protestanten verlassen wurde. Nach Ferdinands I. Tod (1564) übernahm sein zweiter Sohn, Erzherzog Ferdinand, der Gemahl der schönen Philippine Welser von Augsburg, die Regierung; da Ferdinand keine erbberechtigten Söhne hinterließ, so fiel nach seinem Tod (1594) das Land wieder an die kaiserliche Familie, bis 1602 Rudolf II. seinen Bruder Maximilian zum Regenten bestellte. Nach dessen Tode trat (1618) Erzherzog Leopold aus der steirischen Linie ein, der Gatte Claudias von Medici, welche nach seinem Ableben als Vormund des Sohns die Grafschaft verwaltete (1632-46). Auf Claudia folgten noch ihre beiden Söhne, zuerst Ferdinand Karl, dann Franz Siegmund, der 1665 starb. Mit ihm erlosch die steirische Nebenlinie in T., und dieses wurde jetzt wieder von Wien aus regiert. Kaiser Leopold I. stiftete 1673 die Universität zu Innsbruck. Im spanischen Erbfolgekrieg (1703) unternahm Max Emanuel von Bayern eine Expedition nach T., die anfangs gelang, bald aber durch die Tapferkeit des Landsturms den Bayern ebenso verderblich ward wie den Franzosen, die unter Vendôme von Italien her bis Trient vorgedrungen waren. Durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 erhielt Kaiser Franz II. die geistlichen Fürstentümer Brixen und Trient. Im Frieden zu Preßburg fiel T. an Bayern; 11. Febr. 1806 erfolgte die Übergabe. Die Einmischung der neuen Regierung in viele Dinge, welche die Wiener Hofräte bisher klüglich unberührt gelassen, die bedeutenden Geldverluste, welche die Entwertung der das Land überschwemmenden Bankozettel verursachte, die Störung des altgewohnten Absatzes in den Erbländern, die Einführung neuer Steuern und die Konskription, die Auflösung der Tiroler Landschaft, die Beseitigung selbst des Namens "T.", namentlich aber die Verminderung der Feiertage und Klöster: dies alles erzeugte im Land eine