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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wehrreiter; Wehrsdorf; Wehrsteuer; Wehrsystem; Wehrvögel; Wehrwolf; Weib

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Wehrreiter - Weib.

tärpflicht, d. h. zur Pflicht, sich der Aushebung zu unterwerfen (die Meldepflicht bedingt die Aufnahme in die Rekrutierungsstammrolle, die Gestellungspflicht das Erscheinen vor den Ersatzbehörden). Bei dem zum Dienst Ausgehobenen wird die W. zur Dienstpflicht, d. h. zur Pflicht, in das stehende Heer einzutreten, oder zur Ersatzreservepflicht: Dienst in der Ersatzreserve; die Landwehr- oder Landsturmpflicht zum Dienst in der Landwehr oder dem Landsturm. In mehreren Staaten zahlen wegen körperlicher Gebrechen nicht dienstpflichtige, aber doch erwerbsfähige Leute eine Wehrsteuer (s. d.). Die W. hat unter mancherlei Formen bei den verschiedenen Völkern seit dem Altertum bestanden (vgl. Jähns, Heeresverfassungen und Völkerleben, Berl. 1885). Die allgemeine W. im heutigen Sinn wurde zuerst in Preußen durch Gesetz vom 3. Sept. 1814 eingeführt, wenn auch in Frankreich nach der Revolution bis zur Restauration ähnliche Einrichtungen, aber häufigen Wechseln unterworfen, bestanden haben. Seit 1870/71 fehlt sie nur noch in England, Belgien und den Niederlanden. Vgl. Heer.

Wehrreiter, s. v. w. Landwehrkavallerist.

Wehrsdorf, Dorf in der sächs. Kreis- und Amtshauptmannschaft Bautzen, hat eine evang. Kirche, bedeutende Leinwandindustrie mit überseeischem Export, Jacquard-, Rouleau- und Baumwollweberei, Bleicherei, Appreturanstalten, Granitbrüche und (1885) 2319 Einwohner.

Wehrsteuer (Militärpflichtersatz, Militärtaxe, Militärdienststeuer, Militärsteuer oder Wehrgeld) heißt eine Abgabe, welche von im militärpflichtigen Alter stehenden Männern erhoben wird, welche den Militärdienst aus irgend einem Grunde thatsächlich nicht leisten und infolgedessen von Opfern frei sind, welche andre bringen müssen. Die W. soll eine Ausgleichung dieser Verschiedenheit bewirken. Eine volle Ausgleichung ist freilich praktisch unmöglich, schon weil viele der hier in Betracht kommenden Opfer oder Vorteile durch Geld nicht meßbar sind. Man hat sich deshalb mit einem gröbern Maßstab begnügt und die W. nach dem Einkommen bemessen, wobei man von dem Gedanken ausgeht, daß derjenige die Steuer entrichtet, welcher, wie z. B. die Eltern, Opfer zu bringen hätte, wenn der Dienstpflicht genügt werden müßte. Eingeführt ist die W. unter dem Titel Militärpflichtersatz in der Schweiz, seit den ersten 40er Jahren in einzelnen Kantonen, seit 1878 im ganzen Bundesgebiet unter Befreiung der Erwerbsunfähigen, der im Dienst selbst untauglich Gewordenen etc., dann in Österreich seit 1880, wo die wegen Untauglichkeit oder aus einem andern gesetzlichen Grund Befreiten auch von der W. (Militärtaxe) frei sind und letztere zum Teil zur Versorgung von Invaliden sowie der Witwen und Waisen der vor dem Feind gefallenen Soldaten verwendet wird. Zuerst kam die W. in Frankreich 1800 auf, wo sie jedoch mit der ersten Republik verschwand. Durch das Militärgesetz vom 16. Juli 1889 ist aber wieder eine W. eingeführt, die aus einer festen Taxe von 6 Frank pro Jahr und einer nach dem Vermögen und der Einnahme des Wehrpflichtigen festzusetzenden Steuer begeht. Die Steuerpflicht beginnt mit dem vierten Wehrpflichtjahr und erlischt beim Übertritt in die Reserve der Territorialarmee. Ebenso bestand sie vorübergehend in Württemberg von 1858 ab, in Bayern von 1869 ab, fiel aber in beiden Ländern mit Errichtung des Deutschen Reichs wieder weg. In Deutschland hat man wiederholt versucht, die W. einzuführen. Eine darauf gerichtete 1881 im Reichstag eingebrachte Vorlage wurde einstimmig abgelehnt, indem unter anderm geltend gemacht wurde, der Staat könne keinen Entschädigungsanspruch daraus herleiten, das, ein Teil seiner Bevölkerung vom Dienst frei bleibe, die W. werde die ideale Seite des Heerwesens beeinträchtigen, und ihre Durchführung scheiterte daran, daß nicht alle Staaten eine Einkommensteuer, mithin auch nicht den zur Bemessung der W. erforderlichen steuertechnischen Apparat besäßen. Vgl. Joffrès, Études sur le recrutement de l'armée (Par. 1843) und »Nouvelles études« (das. 1845); Knies, Die Dienstleistung des Soldaten etc. (Freiburg i. Br. 1860); Engel, Resultate des Ersatzaushebungsgeschäfts im preußischen Staat und: Noch einmal etc. (»Zeitschrift des königlich preußischen Statistischen Büreaus« 1864); Joly, Die Militärsteuer (das., Jahrg. 1869); v. Lesigang, Das Wehrgeld (»Jahrbücher für Nationalökonomie«, Bd. 32); Cohn, Die Militärsteuer (»Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft«, Bd. 35); Marcinowski, Die W. im Deutschen Reich (Berl. 1883).

Wehrsystem, der Inbegriff der gesetzlichen Bestimmungen und Einrichtungen für die Organisation der Streitkräfte eines Landes und in diesem Sinn gleichbedeutend mit Wehrverfassung, im engern Sinn die Art der Wehrpflicht, der Dienstpflicht und Heeresergänzung. Seit Einführung der allgemeinen Wehrpflicht (s. d.) haben sich die Wehrsysteme sehr genähert; sie sind ein erweitertes Kadresystem, insofern das Friedensheer den Rahmen bildet, in welchen die Reserven etc. bei der Mobilmachung eingereiht werden. Ihm steht gegenüber das Milizsystem der Schweiz, bei welchem im Frieden keine Kadres vorhanden sind. England und die Niederlande haben das Werbesystem noch beibehalten; vgl. Heer und die Abschnitte über das Heerwesen bei den einzelnen Staaten.

Wehrvögel, s. Watvögel, S. 445.

Wehrwolf, s. Werwolf.

Weib (Frau), eine erwachsene Person weiblichen Geschlechts. Über die Unterschiede zwischen Mann und W. hinsichtlich der Körperkonstitution s. Geschlechtseigentümlichkeiten. Die Stellung und Behandlung des Weibes richtet sich bei allen Völkern der Erde nach den Begriffen, welche sich das stärkere, das männliche Geschlecht von dem Werte des weiblichen Geschlechts macht. Bei den üppigen Orientalen wird die Frau meist nur als Lustwerkzeug betrachtet, bei den barbarischen Völkern ist sie Lasttier, dem die härtesten Arbeiten aufgebürdet werden. So ist denn im allgemeinen der Zustand der Frauen um so härter, je unkultivierter ein Volk ist; bei den farbigen Rassen ist das W. fast immer eine Sklavin. Dem Neger gilt die Frau gleich einem arbeitenden Haustier, und fast noch schlimmer ist ihr Zustand bei den Australiern, wo sie gewöhnlich geraubt oder schon im unreifen Alter verkauft wird und während ihres ganzen Lebens die brutalen Mißhandlungen des Mannes zu erdulden hat. Einige Völker, z. B. die Samojeden, halten das weibliche Geschlecht überhaupt für »unrein«; dasselbe nimmt an den religiösen Zeremonien keinen Anteil; die Frauen dürfen nicht mit dem Mann essen, nicht durch dieselbe Thür ein- und ausgehen. Bei den Naturvölkern aller Kontinente, auch selbst bei den meisten halbzivilisierten Völkern, gilt das W. mindestens zur Zeit seiner sexuellen Funktionen als »unrein«. Das Recht über Leben und Tod der Frau steht bei den meisten Naturvölkern dem Mann zu, der seine Herrschaft fast ausnahmslos in härtester Art ausübt. Sehr viele Unzivilisierte und