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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Falken

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Falken.

federn gelblich gesäumt; das Auge ist dunkelbraun, der Schnabel hellblau, an der Spitze schwarz, die Wachshaut, die nackte Augenstelle und der Fuß gelb. Er findet sich im ganzen nördlichen kalten Gürtel, geht im Winter bis Südafrika, Südasien und Westindien, überwintert aber auch (namentlich das Männchen) in höhern Breiten und brütet in fast ganz Europa, Mittelasien und Nordamerika. Er lebt in großen Waldungen, auch in waldlosen Gebirgen und kommt selbst in die Städte; am meisten bevorzugt er steile Felswände; er ist ungemein mutig, stark und gewandt, weiß sein Betragen durchaus den Verhältnissen anzupassen, nährt sich fast ausschließlich von Vögeln und richtet unter Tauben, Rebhühnern, Kiebitzen arge Verheerungen an; auch Krähen, Enten, Wildgänse sind vor ihm nicht sicher. Doch vermag er keinen Vogel vom Boden oder vom Wasser aufzunehmen. Er nistet in Felshöhlungen oder auf hohen Waldbäumen in Nestern andrer Vögel und legt im Mai oder Juni 3-4 gelbrötliche, braun gefleckte Eier (s. Tafel "Eier I", Fig. 38). Das Weibchen brütet allein und wird vom Männchen gefüttert. Der Wanderfalke wird höchst schädlich, zumal er für zahlreiche andre Raubvögel jagt, indem er diesen sofort seine Beute überläßt, wenn sie herbeifliegen, um sie ihm abzunehmen. In der Gefangenschaft hält er sich recht gut, wenn man ihn mit Vögeln füttert. Der Baumfalke (Weißbäckchen, Lerchenstößer, Hecht-, Schmerl-, Stoßfalke, F. subbuteo L., s. Tafel "Raubvögel", das Männchen), 35 cm lang, 83 cm breit, auf der Oberseite blauschwarz, am Kopf grau, im Nacken weißfleckig, mit schwärzlichen, rostgelb gekanteten Schwingen und schieferblauem Schwanz, deren Federn innen rostgelbrot gezeichnet sind. Die Unterseite ist weiß oder gelblichweiß, schwarz längsgefleckt, Hosen, Steiß- und Unterschwanzdeckfedern sind schön rostrot; die Bartstriche treten deutlich hervor; das Auge ist dunkelbraun, der Augenring, Wachshaut und Fuß gelb, der Schnabel an der Spitze dunkel-, an der Wurzel hellblau. Der Baumfalke bewohnt fast ganz Europa und das gemäßigte Asien, lebt bei uns von April bis September oder Oktober, geht im Winter selten bis Nordafrika, ist in Südeuropa selten, findet sich bei uns besonders in Laubhölzern der Ebene, ähnelt in seiner Haltung dem Mauersegler und fliegt von allen unsern Edelfalken am schnellsten. Er lebt stets paarweise, jagt Lerchen und Schwalben, auch Heuschrecken, Wasserjungfern etc., horstet auf hohen Bäumen, seltener auf Felsen oder auf dem Boden und legt im Juli 3-5 weißliche oder rötliche, gelbrötlich und rotbräunlich gefleckte Eier. Er hält sich sehr gut in der Gefangenschaft, wird zahm, ist liebenswürdig und kann an Ein- und Ausfliegen gewöhnt werden. Früher wurde er auch zur Falkenjagd benutzt. Die Rötelfalken (Tinnunculus Vieill.) haben weniger harte Schwingen und Steuerfedern als die wahren Edelfalken, einen längern, häufig fächerförmig ausgebreiteten Schwanz, stärkere und kurzzehigere Füße und je nach dem Geschlecht ein verschieden gefärbtes Kleid. Sie fliegen bei weitem nicht so gut wie die Edelfalken, streichen meist niedrig über den Boden hin und halten sich rüttelnd an einer Stelle, bevor sie sich auf die Beute herabstürzen. Der Turmfalke (Mauer-, Rot-, Mäuse-, Rüttelfalke, T. alaudarius Gray, s. Tafel "Raubvögel", das Männchen), 35 cm lang, 74 cm breit, am Kopf, Nacken und Schwanz aschgrau, letzterer mit blauschwarzen, weiß gesäumten Endbinden, mit schön rostrotem Mantel, alle Federn mit dreieckigen Spitzflecken, an der Kehle weißlichgelb, an Brust und Bauch schön rotgrau oder blaßgelb, schwarz längsgefleckt; die Schwungfedern sind schwarz, heller gesäumt, das Auge ist dunkelbraun, Wachshaut und die nackte Augenstelle grünlichgelb, der Schnabel hornbraun, der Fuß gelb. Das Weibchen ist oben bräunlichrot, schwarz gefleckt, der Schwanz graurötlich, an der Spitze breit und schmal gebändert, der Bürzel rein aschgrau, auf der Unterseite wie das Männchen gefärbt. Der Turmfalke bewohnt Europa und das gemäßigte Asien, Wald und Feld, Gebirge und Ebene, weilt bei uns vom Februar oder März bis Oktober und November, geht im Winter bis Südafrika, doch bleiben einzelne auch in Deutschland. Er findet sich besonders in Feldgehölz, Ruinen, auch in Städten, lebt von Mäusen, Kerbtieren, Eidechsen, Fröschen und fängt wohl auch kleinere Vögel, ist aber jedenfalls sehr überwiegend nützlich. Er ist sehr munter, anmutig, gesellig, nistet in Krähen- oder Elsterlöchern, Mauer- oder Baumlöchern und bildet bisweilen Brutansiedelungen. Das Weibchen legt im Mai oder Juni 4-9 weiße oder rostgelbe, braunrot gefleckte und punktierte Eier (s. Tafel "Eier I", Fig. 39), welche zuweilen mit vom Männchen ausgebrütet werden. In der Gefangenschaft werden jung eingefangene Turmfalken sehr zahm.

Mythologisches. Falkenjagd.

Der Falke erscheint in der Mythologie gewöhnlich als göttlich, allem Diabolischen feindlich. Indra erscheint oft in Gestalt eines Falken, er tötet die feindlichen Dämonen und bringt den Menschen die Götterspeise. Der Falke ist gewöhnlich eine glänzende Gestalt und tritt oft in Gegensatz zu dem düstern Adler (Kriemhildens Traum). Nach Homer war der Falke der schnelle Bote Apollons. Nach dem Tod hat er die Fähigkeit, zu prophezeien; er wehklagt über einen Leichnam, scharrt Unbegrabene ein, lebt 700 Jahre und besitzt sehr viele Heilkräfte. In Ägypten war er ein heiliger Vogel, ein von einem Quadrat umschlossener Falke war das Symbol der Hathor; auf ägyptischen Reliefs und Gemmen findet sich Osiris mit einem Falkenkopf. Auch im slawischen Altertum wurde der Falke verehrt und in den Götterhainen gehegt. Im Mittelalter galt der Falke als eins der unterscheidenden Zeichen des Ritters (daher auf Grabmälern). Nach einem Gesetz vom Jahr 818 sollten Schwert und Falke im Besitz des Besiegten bleiben. Der Falke war auch das Feldzeichen Attilas.

In früherer Zeit wurden als Edelfalken hauptsächlich der im höhern Norden vorkommende Jagdfalke (Falco gyrofalco L.) sowie der sehr weitverbreitete Wanderfalke (F. peregrinus L.) und endlich der den Südosten Europas bewohnende Würgefalke oder Blaufuß (F. laniarius Pall.) zur Beizjagd (Falknerei, Falkonerie) abgerichtet, und Ritter und Edelfrauen trugen ihre Lieblingsfalken auf der Faust. Hierzu wurden entweder die völlig flügge gewordenen Jungen aus den Horsten genommen, oder alte Vögel gefangen. Man befestigte an ihren Füßen (Händen) schmale Lederriemen, Kurz- und Langfesseln und setzte ihnen eine die Augen bedeckende Kappe (Haube) auf. Durch Hunger und Schlaflosigkeit, welch letztere man durch unausgesetztes Schaukeln des Vogels in einem Tonnenreif verursachte, brachte man sie zuerst dahin, daß sie ruhig auf der linken mit einem starken Lederhandschuh bekleideten Faust, an der Fessel gehalten, saßen und nach abgehobener Kappe vorgehaltenes Fleisch kröpften (fraßen). Dann wurde der Falke daran gewöhnt, daß er nach der vorgehaltenen Atzung gestrichen kam und sich zum Kröpfen auf die Faust setzte. Zur Jagd wurde er dadurch abgerichtet, daß man ihn an einem an der Kurzfessel befestigten Faden auf eine