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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Feuerbach

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Feuerbach.

der Nahrungsmittel für das Volk" (1850) der neuern deutschen Materialistenschule das Schlagwort formuliert: "der Mensch ist, was er ißt". Diese letzte Gestalt seiner Philosophie enthält Feuerbachs letztes Werk, dessen Titel und Resultat jenem seines ersten verwandt, dessen philosophischer Standpunkt aber das gerade Gegenteil jenes des ersten ist, die Schrift "Gottheit, Freiheit und Unsterblichkeit vom Standpunkt der Anthropologie" (Leipz. 1866). Dasselbe sollte ursprünglich eine Grundlegung der Moral liefern, welch letztere F. als eine "empirische Wissenschaft" bezeichnete; da er jedoch im Verlauf von der Ethik abgekommen und auf sein Lieblingsthema, Kritik der spekulativen Philosophie durch Physiologie, geraten war, so schrieb er in seinen letzten Lebensjahren (1868 und 1869) ethische Betrachtungen nieder, die unvollendet geblieben und erst aus seinem Nachlaß herausgegeben worden sind. Feuerbachs äußere Verhältnisse hatten sich seit dem Fehlschlagen der Revolution trübe gestaltet; 1860 verlor er durch unverschuldete Unglücksfälle seine liebgewordene Heimat auf dem Bruckberger Schloß sowie die bescheidene Rente, die bis dahin dem Philosophen ein beschränktes, aber unabhängiges Einkommen gesichert hatte. Die Existenz auf dem Rechenberg bei Nürnberg (1860-72), wo er sich nach seinem eignen Ausdruck "wie ein Fluß ohne Bett" vorkam, wurde durch zahlreiche Beweise von Freundschaft, die ihm aus allen Ländern und aus allen Ständen (auch aus dem Bauernstand) zukamen, verschönert. Ein Denkmal der für beide Teile charakteristischen Seelenfreundschaft, welche F. seit 1862 mit dem originellen oberösterreichischen Landmann und Schenkwirt Konrad Deubler in Goisern bei Ischl verband, ist in seinem im Nachlaß unter dem Titel: "Philosophisches Idyll oder Ludwig und Konrad" herausgegebenen Briefwechsel mit diesem erhalten. Das Ende Feuerbachs, der eine von der gewöhnlichen deutscher Philosophen ganz verschiedene Lebensweise auf dem Land, in Flur und Wald, als Jäger und Fußwanderer, im Verkehr, statt mit Studierten, mit Leuten aus dem Volk zu führen gewohnt war, wurde durch wiederholte Schlaganfälle herbeigeführt, deren letztem er 13. Sept. 1872 erlag. Daß der als Materialist verrufene Philosoph des Humanismus als Mensch reiner Idealist, human im besten Sinn des Wortes war, dafür legen sein echt deutsches Familienleben, seine rührende Liebe zur Gattin und (einzigen) Tochter Eleonore und seine Wahrheits- und Menschenliebe atmende Korrespondenz Zeugnis ab. Feuerbachs sämtliche Werke sind (Leipz. 1846-66) in 10 Bänden erschienen, wobei die frühern Schriften mannigfache Zusätze, aber auch merkliche Modifikationen nach seinem spätern Standpunkt erfahren haben. Vgl. Grün, Ludwig F., in seinem Briefwechsel und Nachlaß dargestellt (Leipz. 1874, 2 Bde.); "Briefwechsel zwischen L. F. und Christian Kapp, 1832-48" (das. 1876); Beyer, Leben und Geist L. Feuerbachs (das. 1872); Starcke, Ludwig F. (Stuttg. 1885).

6) Friedrich, Bruder des vorigen, geb. 29. Sept. 1806 zu Landshut, studierte Philologie, wandte sich aber später als Philosoph der Richtung seines Bruders Ludwig zu, um, nach seiner eignen Äußerung, "zu predigen, was dieser lehrte". Von ihm erschien: "Theanthropos", eine Reihe von Aphorismen (Zür. 1838); "Die Religion der Zukunft" (1. Heft, Zür. u. Winterth. 1843; 2. Heft: "Die Bestimmung des Menschen", Nürnb. 1844; 3. Heft: "Mensch oder Christ?", das. 1845); "Die Kirche der Zukunft" (Bern 1847); "Gedanken und Thatsachen" (Hamb. 1862) etc. F. starb 24. Jan. 1880 in Nürnberg.

7) Anselm, Maler, Sohn von F. 2), geb. 12. Sept. 1829 zu Speier, begab sich, als sich während seiner Gymnasialstudien in Freiburg sein Künstlerberuf unzweideutig dargethan, 1845 für zwei Jahre nach Düsseldorf, wo er sich anfangs an W. Schadow, dann an Rethel anschloß, dessen großartige Auffassung seinem Wesen mehr entgegenkam. Nach kurzem Aufenthalt in der Heimat (1848) ging F. nach München, wo ihn Rahl eine Zeitlang fesselte. Doch war sein Streben bereits damals auf eine größere Ausbildung im Kolorismus gerichtet, und er begab sich daher 1850 nach Antwerpen und 1851 nach Paris, wo er noch die modernen Meister studierte und in Coutures Atelier eintrat, dem er nach seinem Geständnis eine große Förderung seiner malerischen Technik verdankte. Zwei seiner ersten Gemälde: Hafis in der Schenke und der Tod Pietro Aretinos, zeigen den Einfluß Coutures, weisen aber auch bereits auf das Vorbild der Venezianer hin, denen er sich später noch enger anschloß. Im J. 1854 nach Karlsruhe zurückgekehrt, erhielt er 1855 die Mittel zu einer Studienreise nach Italien, die ihn zunächst nach Venedig, wo er Tizians Himmelfahrt kopierte, und von da nach Florenz und Rom führte, wo sich im Studium von Michelangelo und Raffael allmählich seine eigentümliche Richtung ausbildete. Er strebte danach, die Größe und Erhabenheit des historisch-monumentalen Stils mit dem Reichtum des venezianischen Kolorits zu verbinden, geriet aber bei diesem Streben insofern auf einen Abweg, als er die Leuchtkraft der Lokalfarben durch graue Zwischentöne abdämpfen zu müssen glaubte, wodurch er den Erfolg seiner bedeutendsten und genialsten Kompositionen beeinträchtigte. Fast alle seine Schöpfungen waren daher bis zu seinem Tod heftigen Angriffen ausgesetzt, und es scheint, daß seine bittern Lebenserfahrungen sein ohnehin zu Melancholie geneigtes Gemüt derartig niederdrückten, daß er vor der Zeit aufgerieben wurde. Die glücklichste Zeit seines Lebens war die Periode seines römischen Aufenthalts von 1857 bis 1872, während welcher er im Grafen von Schack einen hochherzigen Beschützer fand, der den größten Teil seiner Werke ankaufte. In dieser Zeit entstanden: Dante und die edlen Frauen in Ravenna (1858), Francesca da Rimini und Paolo Malatesta, Laura und Petrarca, Hafis am Brunnen, die Pietà (1863) und die Kinderbilder: Idyll aus Tivoli, belauschtes Kinderkonzert und Mutterglück. War in diesen Gemälden neben der klassischen Formengebung noch ein romantischer Zug zu finden, so wandte sich F. von da ab fast ausschließlich der Darstellung antiker Gegenstände im Gewand des modernen, aber durch eine völlig plastische Formenbehandlung gedämpften und gebundenen Kolorismus zu. Diesem Ideal ist er am nächsten in der Iphigenia (1871, Galerie zu Stuttgart), welche man als die vollendetste Verschmelzung des klassischen und des romantischen Stils bezeichnen darf, und in dem Gastmahl des Plato (1873, Berliner Nationalgalerie) gekommen. Minder gelungen, namentlich weil die Komposition nicht einheitlich genug und der Ausdruck der Figuren zu übertrieben ist, sind die Amazonenschlacht, das Urteil des Paris und mehrere Bilder aus der Sage der Medea. Im J. 1873 wurde F. als Professor an die Akademie nach Wien berufen und erhielt dort den Auftrag, einen Saal im Gebäude der Akademie mit Plafondmalereien zu dekorieren. Es gelang ihm nur, das Hauptbild, den Sturz der Titanen, zu vollenden. Seine geniale Natur war für eine Lehrthätigkeit nicht geschaffen, und er schied bereits 1876 aus seiner Stellung aus. In den letzten Jahren seines