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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Frankreich

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Frankreich (Eisenbahnen, Post u. Telegraphie, Banken etc.; Staatsverfassung).

Verbesserung von im ganzen 10,000 km Wasserstraßen veranschlagt. Namentlich soll auch die Verbindung zwischen dem Kanal und dem Mittelmeer verbessert und auf mindestens 2 m vertieft werden. Die große Wichtigkeit der Wasserstraßen erhellt aus dem kolossalen auf denselben bewegten Verkehr. Der Schiffahrtsverkehr auf allen Wasserstraßen belief sich nämlich 1881 auf 2174,5 Mill. Tonnenkilometer (hiervon 1027,3 auf den Flüssen und 1147,2 auf den Kanälen) und zeigt eine ziemlich konstante Zunahme. Die wichtigsten Artikel dieses Verkehrs sind: mineralische Brennstoffe, Baumaterialien, Bodenprodukte und Lebensmittel, Metalle und Metallwaren und Holz. Vgl. Schlichting, Über die Wasserstraßen Frankreichs (Berl. 1880).

Das französische Eisenbahnnetz hatte 31. Dez. 1884 eine Länge von 29,379 km. Die erste Eisenbahn in F. war die 1828 eröffnete Linie St.-Etienne-Andrezieux; 1842 zählte man 599, 1850: 5008, 1860: 9441, 1870: 17,446 km. Von der obigen Länge der Eisenbahnen im J. 1884 kamen auf das Staatsbahnnetz 2091 km, auf die konzessionierten Privatbahnen 27,274 km (und zwar auf die Nordbahn 2069, Est 2811, Ouest 3147, Paris-Orléans 4359, Paris-Lyon-Méditerranée 6470, Midi 2338, Pariser Gürtelbahn 85, kleinere Gesellschaften 1041 km), ferner auf nicht konzessionierte Privatbahnen 14 km. Außerdem bestanden 228 km Industriebahnen und 1631 km Lokalbahnen. Seit 1871 hat der Staat große Kosten für die Vervollständigung des Eisenbahnnetzes aufgewendet; doch vermochte sich das System des Staatsbahnbetriebs in F. nicht Eingang zu verschaffen, es wurden vielmehr neue Übereinkommen mit den großen Privatgesellschaften abgeschlossen, welche den Betrieb der vom Staat gebauten Linien, den Ausbau der noch zur Vervollständigung des Netzes fehlenden Linien und das Tarifwesen betreffen. Der Verkehr auf den französischen Eisenbahnen belief sich 1882 auf 204,76 Mill. beförderte Personen und bei der Güterbeförderung auf 10,937 Mill. Tonnenkilometer. Die Betriebseinnahmen bezifferten sich auf 1116, die Ausgaben auf 581, das verwendete Anlagekapital Ende 1882 auf 11,538 Mill. Fr. Auch die Pferdeeisenbahnen, von denen die erste im J. 1854 vom Louvre nach Sèvres angelegt wurde, haben sich in den letzten Jahren (seit 1873) rasch entwickelt, so daß 1881 über 708 km solcher Bahnen in 25 Städten (davon 252 km allein in Paris) bestanden. Das Post- und Telegraphenwesen, dessen Verwaltung vereinigt ist, zählte 1883: 6486 Postanstalten, 4791 Staats- und 2732 Privat-Telegraphenanstalten mit 77,410 km Telegraphenlinien u. 241,138 km Drähten. Das gemeinsame Personal belief sich auf 53,299 Köpfe. Der Verkehr bezifferte sich mit 1383 Mill. Stück Briefpostsendungen und 25 Mill. Depeschen. Die gemeinsamen Betriebseinnahmen betrugen 161,7, die Ausgaben 130,2 Mill. Fr. Unter den Banken und Kreditinstituten nimmt den ersten Rang ein die im J. 1800 errichtete Bank von F., welche das ausschließliche Recht der Notenemission besitzt, ihren Sitz zu Paris und in den Departements 94 Sukkursalen hat. Die Gesamtzahl der auf Aktien begründeten Banken und Kreditanstalten beträgt 86, wovon 7 für den landwirtschaftlichen Kredit. Ihr Nominalkapital beläuft sich gegenwärtig auf 2593,96 Mill. Fr., das eingezahlte Kapital auf 1376,36 Mill. Fr. Hierzu kommen noch 10 Banken für die auswärtigen Besitzungen mit einem Nominalkapital von 139,6 und einem eingezahlten Kapital von 73,8 Mill. Fr. Die bedeutendsten französischen Bankanstalten sind mit ihrem eingezahlten Grundkapital:

^[Liste]

Bank von Frankreich 182,5 Mill. Frank

Crédit foncier 104,0 Mill. Frank

Crédit Lyonnais 100,0 Mill. Frank

Comptoir d'escompte 80,0 Mill. Frank

Banque de Paris et des Pays-Bas 62,5 Mill. Frank

Société générale 60,0 Mill. Frank

Société financière de Paris 52,0 Mill. Frank

Société financière Lyonnaise 50,0 Mill. Frank

Crédit mobilier 40,0 Mill. Frank

Sparkassen bestanden 1882 in F. 545 mit einer Anzahl von 4,321,427 Einlagen im Betrag von 1745,75 Mill. Fr. Hierzu kommen noch Postsparkassen mit (1885) 7000 Einlagen im Betrag von 147,6 Mill. Fr. 1882 beliefen sich die Einzahlungen in sämtlichen Sparkassen (mit Einschluß der Postsparkassen) auf 809 Mill. Fr. Das Sparkassenwesen hat namentlich in den letzten Jahren in F. bedeutende Entwickelung genommen. Großen Anklang hat auch die Institution der Schulsparkassen gefunden, welche als Filialen der eigentlichen Sparkassen fungieren. Das Maß- und Gewichtssystem Frankreichs ist das 1800 eingeführte, auf einem Naturmaß (Meridianmessung) beruhende und jetzt von fast ganz Europa und andern Staaten angenommene Dezimalmaß (s. d.) mit dem Meter, d. h. dem zehnmillionsten Teil des Erdquadranten, als Grundmaß (100 m = 109,32 engl. Yards, 140,55 russ. Arschinen oder 328,12 engl., 318,62 rhein., 342,63 bayr. und 333⅓ schweizer. oder bad. Fuß; 7408 m = 1 geographische Meile).

Flächenmaß: der Ar (100 qm) = 7,05 rhein. QRuten; der Hektar (100 Ar) = 3,91662 preuß. Morgen.

Körpermaß: der Stère oder Kubikmeter. Flüssigkeits- und Getreidemaß: das Liter (100 Lit. [Hektoliter] = 1,82 preuß. oder 2,22 bayr. Scheffel, 1,62 Wiener Metzen, 22,39 engl. Quarters, ferner = 1,45 preuß. oder 1,46 bayr. Eimer, 66,66 badische oder schweizer. Maß).

Gewicht: das Gramm (1000 g [Kilogramm] = 2 deutsche Zollpfund, 2,2 engl. oder 2,44 russ. Pfd.).

Das Münzsystem hat dieselbe Grundlage wie die Maße und Gewichte; 5 g Silber bei einer Feinheit von 90 Proz. bilden den Frank à 100 Centimes. Die Goldmünze, das 20-Frankstück, ist der 155. Teil eines Kilogramms und enthält ebenfalls 10 Proz. Kupfer.

Wir schließen hier eine summarische Übersicht der Wohlthätigkeitsanstalten an, welche in F. eine reiche Entwickelung genommen haben. 1881 gab es in ganz F. 14,033 Bureaux de bienfaisance, welche über mehr als 48 Mill. Fr. Einnahmen verfügten und 1,450,000 Personen unterstützten. Spitäler gab es 1636 mit 166,381 Betten, an Irrenhäusern eine Nationalanstalt (Charenton), 46 Departementsanstalten, 14 Spitalabteilungen und 42 Privatanstalten, zusammen mit 48,813 Pfleglingen. Ferner gibt es 42 Leihanstalten (monts-de-piété), 6970 wechselseitige Unterstützungsanstalten (caisses de secours mutuel) mit 1,490,355 Mitgliedern und 5052 Kinderbewahranstalten mit 644,384 eingeschriebenen Kindern.

Staatsverfassung.

Die Staatsverfassung Frankreichs ist seit der Beseitigung des Kaisertums (4. Sept. 1870) eine repräsentativ-republikanische und wurde durch mehrere seither promulgierte Gesetze, insbesondere durch die Gesetze vom 28. Febr., 15. Juli, 12. Aug. und 30. Dez. 1875, geordnet. Die gesetzgebende Gewalt wird von zwei Versammlungen geübt, der Kammer der Abgeordneten und dem Senat. Die erstere zählt 565 Mitglieder (worunter 6 aus Algerien und 10 aus den Kolonien), welche auf Grund des allgemeinen, durch das Gesetz vom 15. März 1849 ausgesprochenen, nur durch das Alter von 21 Jahren für die Wahlberech-^[folgende Seite]