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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Italienische Litteratur

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Italienische Litteratur (15. Jahrhundert).

Zeit zum erstenmal gedruckt ist "Fortunatus Siculus ossia l'aventuroso Siciliano, di Bosone da Gubbio", angeblich 1311 von einem Freunde des Dante geschrieben. Der Belehrung oder Erbauung gewidmet sind des Piero de' Crescenzi "Trattato dell' agricoltura" und Jacopo Passavantis (gest. 1357) "Specchio di vera penitenza" sowie die vielen, aber in roher Sprache, zum Teil aus dem Lateinischen übersetzten asketischen Schriften des Fra Domenico Cavalca aus Pisa (gest. 1342). Ausgezeichnet für die Sprache sind die "Ammaestramenti degli antichi" von Bartolommeo da Santa Concordia aus Pisa (gest. 1347) sowie Agnolo Pandolfinis (gest. 1446) "Trattato del governo della famiglia", ein Buch voll gesunder Lebensregeln in einfacher und kerniger Sprache. Unter den berühmten Rechtsgelehrten dieser Periode, die zugleich eine wissenschaftliche Litteratur schufen, ist zuerst Irnerius als derjenige zu nennen, welcher die bisher gebrauchten dürftigen Auszüge beseitigte und dafür das Studium der Quellen wieder in Aufnahme brachte. Die berühmtesten Glossatoren des 13. Jahrh. sind: Pillius, Azzo, Odofredus, Accursius, Bartolus von Sassoferrato und Baldus von Perugia. Als der berühmteste Kanonist dieser Periode gilt J. ^[Johannes] Andreä, welcher einen lange Zeit hochgeschätzten Kommentar ("Novellae") verfaßte.

Zweite Periode (15. Jahrh.).

Die zweite Periode umfaßt das 15. Jahrh., welches für Italien das Zeitalter der Philologie ist. In keinem andern Land ist das wieder erwachte Studium des Altertums mit so großem und allgemeinem Eifer und so glänzendem Erfolg betrieben worden wie damals in Italien. Mit einem Ernst ergab man sich diesen Studien, der nicht bloß die Kenntnis des Altertums erwerben, sondern dieses selbst in Gesinnung und Leben, sogar mit Hintansetzung des Christentums, wieder auferwecken wollte. Aus Petrarcas Schule ging der Mann hervor, welcher weniger durch Schriften als durch sein Lehrtalent am meisten zur Verbreitung dieser Studien beigetragen hat, Giovanni da Ravenna (gest. 1420), dessen unmittelbare oder doch mittelbare Schüler fast alle berühmten Philologen jener Zeit gewesen sind. Die Häupter der philologischen Schule ihrer Zeit, durch Schriften, aber auch durch wütende Streitigkeiten berühmt, sind: Poggio Bracciolini (gest. 1459), Francesco Filelfo (gest. 1481), Laurentius Valla (gest. 1457), Angelo Poliziano (gest. 1494), Marsiglio Ficino (gest. 1499). Ihnen standen würdig zur Seite: Leonardo Bruni (gest. 1444), Ambrogio Traversari, bekannter unter dem Namen Ambrosius Camaldulensis (gest. 1439), Cristoforo Landino (gest. 1504), Pico von Mirandola (gest. 1494) u. a. Bei dem Eifer, sich ausschließlich mit dem Altertum zu befassen und die hinterlassenen wissenschaftlichen Schätze der alten Griechen und Römer auszubeuten, konnte es nicht fehlen, daß auch dichterische Geister zu ihren poetischen Erzeugnissen der alten römischen Sprache sich bedienten. Zu den berühmtesten lateinischen Dichtern dieses Zeitraums gehören, außer einigen der vorhin schon genannten Philologen, namentlich Filelfo, noch folgende: Matteo Veggio aus Lodi (gest. 1458), Tito Vespasiano Strozzi (gest. 1508) und sein Sohn Ercole, Battista Mantovano (gest. 1516), Antonio Beccadelli, bekannter unter dem Namen Panormita, auch als Geschichtschreiber von Ruf (gest. 1471), und sein Schüler Giovio Pontano (gest. 1503); auch ein Grieche von Geburt, M. Marullo Tarchaniota (gest. 1500).

Im Vergleich mit der vorigen Periode erscheint diese zweite arm an bedeutenden Schriftstellern in der Muttersprache; das allgemeine Verlangen der Schriftsteller, sich an die Alten anzuschließen und die römische Litteratur gleichsam fortzusetzen, ließ die in italienischer Sprache geschriebenen und ebendarum jedem zugänglichen Werke als unbedeutend und plebejisch erscheinen. Ganz besonders dürftig ist in dieser Hinsicht der Anfang dieses Abschnitts, und in dem ganzen ein Jahrhundert langen Zeitraum von dem Tod Petrarcas (1374) bis auf die glänzenden Zeiten Lorenzos des Erlauchten, am Ende des 15. Jahrh., sind kaum zwei oder drei Dichter von einiger Bedeutung zu nennen. Giusto de' Conti da Valmontone (gest. 1449) wird als einer der glücklichsten Nachahmer Petrarcas betrachtet, obgleich bei ihm oft genug gesuchter Witz die Stelle des Geistes und des Gefühls vertritt. Der lustige Barbier Domenico Burchiello (gest. 1448) zu Florenz hat eine Sammlung jetzt fast vollkommen unverständlicher Sonette hinterlassen, welche von den Liebhabern florentinischer Volkswitze lange Zeit hoch geschätzt und von mehreren kommentiert worden ist. Die Manier seiner Sonette hat sogar Nachahmer gefunden, und solche Gedichte wurden "Burchiellesca" genannt. Erst gegen das Ende des 15. Jahrh. wendeten sich auch bedeutende und edle Geister wieder der lange vernachlässigten und verachteten Muttersprache zu. Namentlich verdient Lorenzo de' Medici (gest. 1492) neben die bessern Lyriker Italiens gestellt zu werden, insofern er sich durch die Gewandtheit, Anmut und den Geist, womit er kleine Ereignisse seines Privatlebens und geselligen Kreises zu artigen Werken scherzenden und satirischen oder auch ernsten Inhalts zu benutzen verstand, auch als Improvisator weit über seine Zeitgenossen erhebt. Neben ihm und als Genosse seiner Studien ist vornehmlich Angelo Poliziano (gest. 1494) zu nennen, dessen "Favola d'Orfeo" das erste selbständige und wirklich ausgeführte italienische Drama ist. Zu den nähern Freunden Lorenzos gehörten ferner die drei Dichterbrüder Bernardo, Luca und Luigi Pulci, von denen sich aber nur der dritte, Luigi (gest. 1487), einen bleibenden Namen erworben hat. Durch sein romantisches Rittergedicht "Morgante Maggiore", in welchem ein Stoff aus dem Sagenkreis von Karl d. Gr., der bisher schon roh-volksmäßige Bearbeitungen durch herumziehende Sänger erfahren hatte, zum erstenmal in kunstmäßiger Gestalt erscheint. In ernsterer Weise behandelte das Rittergedicht Matteo Maria Bojardo, Graf von Scandiano (gest. 1494), in seinem demselben Sagenkreis angehörigen Heldengedicht "Orlando innamorato", besonders indem er die edlere Liebe, welche bisher der Sage von Roland gefehlt hatte, derselben als einen neuen Schmuck zuwendete. Sein Hauptverdienst jedoch ist, daß er nicht allein den schon vor ihm bekannten Helden der Sage scharf ausgeprägte und durchgeführte Charaktere gegeben, von denen seine Nachfolger nicht abzuweichen wagten, sondern daß er auch mit wahrhaft schöpferischer Kraft eine bedeutende Zahl selbsterfundener Helden hinzugedichtet und ihnen durch seine Darstellung fast historische Wahrheit und Würde gegeben hat. Wie die Pulci für die Medici, so bearbeitete Francesco Cieco da Ferrara (gest. 1495) in seinem "Mambriano" die Heldensage für seine Gönner, die Gonzaga. Die als Folge der unter den Mediceern verlornen Freiheit im Volk durchweg herrschend gewordene sinnliche Lebensrichtung, der hochmütige, wahrhaft antichristliche Sinn der zahlreichen Gelehr-^[folgende Seite]