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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Chinesenfrage

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Chinesenfrage

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'China'

eigener Kraft nicht zu unterdrücken vermochte, schickte ihr C. auf ihre Bitte etwa 2500 Mann zu Hilfe. Da nach einem 1885 abgeschlossenen Vertrage C.und Japan nur nach einer vorherigen Verständigung Truppen nach Korea senden zu wollen erklärt hatten, so nahm Japan dies sofort zum Vorwande, um auch seinerseits Anfang Juni 6000 Mann dort landen zu lassen. Auf den Protest C.s schlug Japan ein gemeinsames Vorgehen vor, um die fortdauernden Unruhen in Korea zu beseitigen und für eine bessere Verwaltung zu sorgen. C., das dies mit seiner Schutzherrschaft unvereinbar fand, lehnte ab, worauf Japan 23. Juni den königl. Palast in Söul stürmen ließ und den König in seine Gewalt brachte. Dies war das Signal zum Ausbruch des Chinesisch-Japanischen Krieges (s. d.), in dem sich die Überlegenheit der ganz nach europ. Muster ausgerüsteten und einexerzierten japan. Truppen sofort aufs glänzendste zeigte, und der C. nur Niederlagen und Demütigungen brachte. Die Vernichtung seiner Flotte und der drohende Vormarsch der Japaner auf Peking veranlaßte C., 19. März 1895 seinen bedeutendsten Staatsmann, den Vicekönig Li-hung-tschang, nach Simonoseki zu schicken, wo 30. März ein Waffenstillstand, jedoch nur für Nordchina, zu stande kam und 17. April der Friede geschlossen wurde, dessen Ratifikation 8. Mai erfolgte. Die Friedensbedingungen waren hart. Außer einer hohen Kriegskostenentschädigung und der Anerkennung der korean. Unabhängigkeit mußte sich C. zur Abtretung der Halbinsel Liau-tung sowie der Insel Formosa und der Pescadoresinseln verstehen und die Eröffnung von vier weitern Häfen und den Abschluß eines Handelsvertrages mit Japan zusagen. Die überraschenden Erfolge Japans hatten jedoch Rußland besorgt gemacht und zu dem Entschlusse veranlaßt, nicht zu dulden, daß sich das Inselreich auf dem asiat. Kontinent festsetzte. Daher erhob es im Verein mit Frankreich und Deutschland gegen die Abtretung Liau-tungs Einsprache, die 8. Nov. deren Zurücknahme gegen eine Erhöhung der Kriegskosten um 30 Mill. Taels zur Folge hatte. Auch sonst erwies sich Rußland dem Nachbarreiche hilfsbereit; im Aug. 1895 trug es für die Unterbringung einer chines. Anleihe von 16 Mill. Pfd. St. Sorge, indem es dafür die Garantie übernahm. Sein dadurch immer mehr gesteigerter Einfluß, der auch in der Entsendung Li-hung-tschangs (s. d.) zur Kaiserkrönung nach Moskau seinen Ausdruck fand, wird namentlich von England mit Besorgnis und Eifersucht beobachtet.

Über die innere Geschichte C.s ist aus den letzten Jahren wenig zu berichten. Die fast alljährlich wiederkehrenden Überschwemmungen des Hoang-ho und Jang-tse-kiang verwüsteten weite Länderstrecken und vernichteten viele Menschenleben. Innere Aufstände, die das Reich beunruhigten, waren meistens nur von lokaler Bedeutung und wurden leicht unterdrückt; langwieriger erwies sich nur eine Empörung der Dunganen (s. d.), die im März 1895 ausbrach und noch nicht unterdrückt werden konnte; neuerdings (Febr. 1896) wurde General Sung, der während des Chinesisch-Japanischen Krieges in der Mandschurei den Oberbefehl führte, an der Spitze einer Armee von 20000 Mann gegen die Aufständischen abgeschickt. Besonders aber war es die Feindseligkeit gegen die Fremden, die nach den erlittenen Niederlagen in erhöhtem Maße wieder zum Ausbruch kam, und die sich namentlich gegen die christl. Missionsstationen richtete. Nachdem schon 1893 ↔ in der Provinz Hu-pe zwei schwed. Missionare ermordet waren, folgten im Mai 1895 in Tsching-tu, der Hauptstadt von Sze-tschwan, neue Christenverfolgungen, wobei elf teils kath., teils prot. Missionsstationen, die dort seit 30 Jahren bestanden hatten, zerstört und die Missionare mißhandelt und vertrieben wurden. Weitere Gewaltthaten fanden in Kia-ting und andern Städten statt, und auch in den Provinzen Hu-nan, Jün-nan und Kwang-tung, wo im Nordwesten von Swatow deutsche Missionsstationen zerstört wurden, zeigten sich Feindseligkeiten gegen die Christen. Ihren Höhepunkt erreichten die Greuelthaten in der Provinz Fu-kien, wo im August bei Ku-thien mehrere engl. und amerik. Missionare der Volkswut zum Opfer fielen. Zwar sagte die chines. Regierung in allen Füllen strenge Bestrafung der Schuldigen und Entschädigungszahlungen zu, doch ist die Lage der Christen zur Zeit sehr gefährdet, da die meisten der höhern Provinzbeamten dem Eindringen fremder Einflüsse, wodurch sie eine Beeinträchtigung ihrer Macht befürchten, durchaus ablehnend gegenüber stehen. So ist es auch nicht zu verwundern, daß C. sich der Aufnahme europ. Kultur und Technik nur sehr langsam und widerstrebend öffnet, wenn es auch durch die Erfahrungen des Krieges den Neuerungen etwas geneigter geworden ist. Zwar wuchs der Dampferverkehr auch auf den innern Wasserläufen beständig, das Telegraphennetz dehnte sich immer weiter aus, und 1896 trat C. auch dem Weltpostverein bei, aber der Eisenbahnbau machte erst in allerletzter Zeit einige Fortschritte (s. oben). In dem immer steigenden Handel und Verkehr mit dem Auslande machte sich das Sinken des Silberwertes für die europ. Goldwährungsländer in empfindlicher Weise geltend, da vielfach europ. Industrieerzeugnisse durch japanische verdrängt wurden, die außerdem wegen des billigen Arbeitslohnes und des fortfallenden Zwischenhandels billiger geliefert werden konnten, ein Zustand, der voraussichtlich durch den Abschluß eines chines.-japan. Handelsvertrags (Juli 1896) noch weitere Ausdehnung erfahren wird.

Für die durch den Protest gegen die Abtretung von Liau-tung geleisteten guten Dienste zeigte sich C. Frankreich erkenntlich durch einen im Nov. 1895 abgeschlossenen Vertrag, worin die Nord- und Nordwestgrenze von Tongking genauer geregelt und den Franzosen die Berechtigung erteilt wurde, ihre Eisenbahnen und Telegraphen in den drei chines. Südprovinzen weiter zu führen. Deutschland erlangte nur die Abtretung zweier Kronkonzessionen in Han-kou und in Tien-tsin. Durch einen engl.-franz. Vertrag vom 15. Jan. 1896, worin die engl.-chines. Abmachungen vom 1. März 1894 gebilligt wurden, sind die Grenzen C.s in Hinterindien endgültig festgelegt.

Vgl. Rosthorn, Die Ausbreitung der chines. Macht in südwestl. Richtung bis zum 4. Jahrh. n.Chr. (Lpz. 1895); Jannasch, Die Erschließung von C. (Charlottenb. 1895); Münsterberg, Die Reform C.s (Berl. 1895); Tscheng-Ki-Tong, C. und die Chinesen (deutsch, 2. Aufl., Dresd. und Lpz. 1896).

*Chinesenfrage. Neuerdings beginnt die chines. Regierung ihrerseits sich um die Lage der Auswanderer zu kümmern, nachdem früher das Verlassen der Heimat verboten und die Auswanderung nur durch Bestechung der Beamten möglich war. Man versuchte die Behandlung der Kuli auf den Auswandererschiffen zu bessern, untersuchte durch Kommissare die Zustände in Cuba, Peru u.s.w. und

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 262.

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