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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Glas

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Glas'

Als Oxydationsmittel dienen ferner Salpeter, weißes Arsen oder arsenige Säure; als Trübungsmittel für opake G. Knochenasche, Kryolith, Feldspat und Flußspat, ferner Zinnoxyd, Arsensäure, Antimonsäure und Fluornatrium. Die beim Beschneiden von Tafel- und Spiegelglas entstehenden Abfälle (Schnittglas), die durch Bruch von Glasgefäßen entstehenden Scherben (Glasbrocken) und das im Ofen durch Platzen eines Tiegels ausgelaufene G. (Herdglas) finden Verwertung, indem sie dem Gemenge zugesetzt werden. In neuerer Zeit, nach Einführung der verbesserten Ofensysteme und namentlich des Siemensschen Wannenofens, werden zur Herstellung von gemeinem Flaschenglas noch eine Anzahl roher Gesteinsarten verschmolzen, und zwar hauptsächlich Feldspat, Pechstein, Phonolith, Granit, Basalt, viele Laven und Hochofenschlacke.

Das Gemisch, das aus den für bessere Glassorten vorher gereinigten, gepulverten und in bestimmten Verhältnissen verwendeten Rohmaterialien hergestellt ist, heißt das Gemenge oder der Glassatz. Dieser läßt sich meist aus der Zusammensetzung des zu erschmelzenden G. berechnen. Es ist dies eine Operation, die der Chemiker leicht ausführen kann; werden reine Rohmaterialien verwendet, so nimmt man den Oxyden des G. äquivalente Mengen der Rohmaterialien, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß gewisse Bestandteile des Glassatzes bei der hohen Temperatur, welche zum Schmelzen des G. erforderlich ist, sich teilweise verflüchtigen.

Schmelzgefäße. Die Rohmaterialien werden möglichst fein gepulvert und gemischt und dann in die Schmelzgefäße, häufig unter Zusatz von Abfällen derselben Glassorte, eingetragen. Der Glassatz wird entweder in tiegelartigen Gefäßen, Glashäfen, oder in Wannen zu G. geschmolzen. Man unterscheidet offene und geschlossene Häfen. Offene Häfen sind kreisrunde oder ovale, nach unten etwas verjüngte Gefäße (s. Tafel: Glasfabrikation II, Fig. 5), welche aus einem innigen Gemisch von plastischem Thon und gebranntem Thon, Chamotte (zum Teil aus Hafentrümmern entstammend), mit Wasser zu einer plastischen Masse geknetet, mit der Hand aufgebaut werden. Der Thon muß feuerfest und kieselsäurereich sein. Die geschlossenen oder Haubenhäfen (Taf. II, Fig. 8) werden angewendet, um leicht reduzierbare Bleigläser, die bei Zutritt der Flamme geschwärzt würden, vor Einwirkung derselben zu bewahren. Ehe die Schmelzgefäße in den Glasofen eingetragen werden, müssen sie etwa 8 Tage lang in eigens für diesen Zweck hergestellten Ofen (Temperöfen) vorgewärmt werden; man überträgt sie in glühendem Zustande in den eigentlichen Glasofen. Diese Operation ist eine der aufregendsten im Glasbetriebe, denn die Arbeiter sind dabei der quälenden Wirkung der vom Hafen wie von den Öfen ausstrahlenden Wärme ausgesetzt. Man durchbricht die Wände beider Öfen, 2–4 Arbeiter schieben ein dickes und breites Brett aus hartem Holz unter den glühenden Hafen und übertragen denselben auf dem sofort in heller Flamme brennenden Brette zur offenen Stelle des Glasofens, schieben den Hafen in den weißglühenden Ofen und haben nachher noch große Mühe, den Hafen an die richtige Stelle der Ofenbank zu rücken. Gleich darauf wird die Lücke im Ofen wieder vermauert. Andere Hütten verwenden statt des Holzbrettes eiserne Gabeln. Vor ihrer Verwendung werden die Häfen noch an ihrer Innenseite mit geschmolzenem G. ausgestrichen ↔ (verglast). Die Haltbarkeit der Häfen ist sehr gering und dauert meist nur einige Wochen. Allzuschnelles Erkalten der Häfen bringt sie zum Springen.

Das Schmelzen des G. beginnt kurze Zeit nach dem Eintragen des Satzes in den Hafen mit dem Erweichen und Schmelzen der Alkaliverbindungen, Soda und Pottasche geraten in Fluß und wirken ausschließend auf die Kieselsäure ein. Unter Entweichen von Kohlensäure bilden sich zunächst alkalireiche Silikate (Na2CO3+SiO2=Na2SiO3+CO2), die dann bei höherer Hitze, mit dem Kalk des Satzes vereint, lösend auf den Überschuß der meist als Sand vorhandenen Kieselsäure einwirken unter Bildung von sauren Doppelsilikaten. Enthält der Satz Glaubersalz und Kohle statt Soda, dann wirkt Kohle zunächst reduzierend auf das Natriumsulfat (Glaubersalz) ein (Na2SO4+C=Na2SO3+CO) unter Bildung von Natriumsulfit. Letzteres wirkt bei hoher Temperatur wieder auf die Kieselsäure unter Bildung von Natriumsilikat und Entweichen von schwefliger Säure (Na2SO3+SiO2=Na2SiO3+SO2). Der weitere Vorgang ist derselbe, wie oben angegeben. Wird zu viel Kohle zugesetzt, so bildet sich Schwefelnatrium, das dem G. einen unschönen Stich ins Gelbe erteilt. Die anfangs sehr lebhafte Gasentwicklung bewirkt ein Aufschäumen der Masse, das zum Schlusse ganz aufhört. Während der Silikatbildung, dem Gemengschmelzen, wird möglichst stark geheizt. Bei fortdauernder Erhitzung während des Lauterschmelzens (Heißschürens) nimmt die Gasentwicklung allmählich ab und hört schließlich ganz auf. Der Ofen ist in heller Weißglut, das erschmolzene G. dünnflüssig und fließt von der Pfeife ab, enthält aber meist noch kleine Gasbläschen. Sowohl um diese zu entfernen, als auch um das G. nochmals gut durcheinander zu rühren, spießt man einen wasserhaltigen Körper (etwa eine Kartoffel) auf ein Eisen und fährt damit auf den Grund des Schmelzhafens; durch das schnelle Verdampfen des Wassers wird ein außerordentlich lebhaftes Aufschäumen der Masse bewirkt und so ein Sondern der Teile nach dem spec. Gewicht vermieden. Man bezeichnet diese Operation mit dem Ausdruck Blasen des G. Bei regelrechtem Verlauf der Schmelze muß eine am Ende des Heißschürens mit einem Eisenstab herausgenommene Glasprobe in dünnen Fäden von dem Stab ablaufen und darf keine feinen Blasen zeigen. Um dem G. die zur Verarbeitung erforderliche Konsistenz zu geben, wird der zweite Teil der Operation, das sog. Kaltschüren, begonnen. Dasselbe besteht darin, daß man das Feuer bedeutend mildert oder auch ganz entfernt und die Arbeitsöffnungen lüftet, sodaß die im Innern des Ofens herrschende hohe Temperatur wesentlich erniedrigt wird.

Die Bildung der gefährlichen Glasgalle (s. d.) wird bei den jetzigen Schmelzmethoden vermieden.

Glasöfen. Die beinahe ununterbrochene Weißglut, welche durch viele Monate im Glasofen aufrecht erhalten wird, und die dadurch bedingte Verflüchtigung eines – wenn auch kleinen – Teiles der Alkalisalze aus dem Glassatze, welche die Bestandteile der Ofenwand und Decke angreifen und mit ihnen zu glasartigen Massen verschmelzen, machen eine sorgfältige Auswahl des Ofenmaterials sowie eine besondere Sorgfalt in der Herstellung des Mauerwerks unbedingt notwendig. Die ältern Glasöfen sind backofenartige Räume mit kreisrundem oder eckigem Querschnitt, in denen 4-12 Häfen an

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 40.