Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

320

Griechenland (Geschichte bis 776 v. Chr.)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Griechenland (Geschichte)'

Verhältnise der griech. Staaten untereinander wurden nach humanern Grundsätzen geregelt durch Bildung sog. Amphiktyonien (s. d.). Von den innernpolit. und socialen Verhältnissen der achäischen Staaten geben die Homerischen Gedichte ein wohl ziemlich getreues Bild. Danach war die Regierungsform durchgängig die monarchische. An der Spitze jedes Staates stand ein dem angesehensten Geschlecht, das seinen Ursprung gewöhnlich auf eine Gottheit zurückführte, entsprossener König, dessen Würde erblich war; er war Heerführer im Kriege und hatte im Frieden Recht zu sprechen und gewisse Opfer für das ganze Volk, wie der Hausherr für seine Familie, darzubringen. Seine Obliegenheiten übte er unter Mitwirkung der Häupter der angesehensten Familien, der Edlen, die seinen Rat bildeten, welcher sich in der Regel in der Behausung des Königs beim Mahle, womit immer ein Opfer verbunden war, versammelte. Bei besonders wichtigen Fragen wird auch die Gemeinde zur Volksversammlung berufen; in derselben sprechen aber nur die Edlen, das Volk giebt nur seinen Beifall oder sein Mißfallen zu erkennen, eine Abstimmung findet nicht statt. Der Fremde ist ohne besondere Verträge rechtlos, nur durch die Scheu vor den Göttern vor Verletzung geschützt; ebenso die unfreie Dienerschaft, Sklaven und Sklavinnen, deren es wenigstens in den Häusern der Herrscher eine ziemlich bedeutende Zahl gab. Überhaupt ist das Recht in dieser Zeit noch nicht in bestimmte Formeln, Gesetze, fixiert, sondern aufs engste mit den religiösen Anschauungen verbunden: Recht und Sitte fallen noch zusammen. Fast alle Vergehen und Verbrechen, unter Umständen auch Mord und Totschlag, können durch eine Buße an den Verletzten oder seine Rechtsnachfolger gesühnt werden.

Die meisten der alten griech. Staaten und Stämme wurden heftig erschüttert oder auch ganz zertrümmert durch die Wanderungen, welche neue, noch rohere, aber kräftigere Stämme herzuführten. Der erste Anstoß zu diesen gewöhnlich als die dor. Wanderung oder auch als Rückkehr der Herakliden (s. d.) bezeichneten Umwälzungen kam von Nordwesten her, indem der ursprünglich in Thesprotien (in Epirus) seßhafte Stamm der Thessaler (s. Thessalien), durch Illyrer aus ihren Wohnsitzen gedrängt, gegen Osten über den Pindos in die später nach ihnen Thessalien genannte Landschaft zog und die bisherigen äol. Bewohner derselben teils zu hörigen Bauern (Penesten) machte, teils zur Auswanderung nötigte; namentlich zog der Stamm der Böoter oder Arnäer südwärts in die Landschaft, die von ihnen den Namen Böotien (s. d.) erhielt. Die Einwanderung der Thessaler gab auch den am Olymp sitzenden Doriern (s. d.) den Anstoß, nach Süden vorwärts zu dringen, zuerst nach dem Öta und Parnaß. Später sollen sie nach der Tradition in einem großen Heerhaufen unter Führung der drei Söhne des Aristomachus, Temenos, Kresphontes und Aristodemos, durch Ätolien, wo sich ihnen Oxylos mit einer Schar Ätolier angeschlossen habe, und über den korinth. Meerbusen nach dem Peloponnes gezogen sein, wo sie durch eine einzige Schlacht, in welcher Tisamenos, der Sohn des Orestes, gefallen sei, den größern Teil der Halbinsel gewonnen und durch Los unter sich geteilt hätten; dem Temenos sei Argos, dem Kresphontes Messenien, den Söhnen des unterwegs verstorbenen Aristodemos, Eurysthenes und Prokles, Lakonien zugefallen; dem Oxylos habe man für ↔ seinen Beistand im Kampfe die Landschaft Elis überlassen. Diese Überlieferung leidet aber an starken innern Unwahrscheinlichkeiten und steht auch mit mannigfachen Lokalsagen der Peloponnesier selbst in Widerspruch. In Wahrheit sind die Eroberer (die nach der alten Chronologie gegen Ende des 11. vorchristlichen Jahrh., wahrscheinlich aber erst gegen 1000 v. Chr. sich in Bewegung setzten) nur unter langen und schweren Kämpfen die neuen Herren im Peloponnes geworden. Die Dorier scheinen von Ätolien aus zusammen mit ätol. Scharen, die, weil auch ihr Land von den Illyrern überschwemmt wurde, die Heimat verlassen mußten, über die Meerenge von Rhion nach Elis, von da, nachdem die Ätoler in Elis sich niedergelassen, am Flusse Alpheus aufwärts, nach dem südl. Arkadien gezogen zu sein, wo ihnen die tapfern Bergbewohner Widerstand leisteten. Infolgedessen teilten sie sich wahrscheinlich in zwei Heerhaufen, deren einer mit relativ leichter Mühe die friedlichen Einwohner der reichen Ebene Messeniens unterwarf, während der andere, dem Laufe des Eurotas folgend, sich an der Stelle, wo dann die Stadt Sparta sich erhob, festsetzte und von hier aus lange und hartnäckige Kämpfe mit der achäischen Bevölkerung, deren Hauptstadt Amyklä war, zu bestehen hatte. Eine andere Schar der Dorier unternahm ihren Eroberungszug gegen die argivische Halbinsel offenbar zu Schiffe und setzte sich an der Südküste von Argolis fest, beim sog. Temenion, von wo sie nach längerm Kampfe die Stadt Argos gewannen. Von dieser aus brachten sie allmählich, meist auf gütlichem Wege, die kleinern Staaten der Landschaft an sich; an der Nordküste eroberten sie endlich von dem Hügel Solygeios aus Korinth. Die nächste Folge dieser Eroberungen war eine starke Auswanderung, besonders der angesehensten Geschlechter der alten Bevölkerung, aus den eroberten Staaten. Die aus dem südl. Peloponnes Ausgewanderten setzten sich zum Teil in der nördlichsten Landschaft des Peloponnes, die von ihnen den Namen Achaia erhielt, fest und nötigten wieder die ältere ion. Bevölkerung dieser Landschaft, über den Isthmus zu den stammverwandten Athenern zu flüchten; ein anderer Teil verließ den Peloponnes ganz und zog in Verbindung mit Angehörigen der nördl. Stämme unter Führung von Fürsten aus dem Stamme der Pelopiden gegen Osten, wo sie auf der Insel Lesbos und auf den Küsten des westl. Kleinasiens sich ansiedelten. Von Korinth aus versuchten die Dorier auch nach dem mittlern G. vorzudringen. Es gelang ihnen, die kleine Landschaft Megaris sich zu unterwerfen; aber ihre Versuche zur Eroberung Attikas scheiterten an dem heldenmütigen Widerstand der Athener. Die Sage läßt in diesen Kämpfen den attischen König, Kodros, den Heldentod sterben. Bald nach dieser Zurückweisung der Dorier zogen dann zahlreiche ion. Scharen, ebenfalls mit abenteuerlustigen Genossen aus andern Stämmen vermischt, teils aus dem armen und großenteils wenig fruchtbaren Attika, teils aus Euböa, nach den reichen Küstenlandschaften Kleinasiens hinüber, wo sie 12 Städte gründeten, welche unter sich zu einem Bunde (der ion. Dodekapolis) zusammentraten: Milet, Myus und Priene an der Küste von Karien, Ephesos, Kolophon, Lebedos, Teos, Klazomenä, Phokäa und Erythrä an der Küste von Lydien, und Samos und Chios auf den gleichnamigen Inseln. Diese ion. Kolonien, denen sich frühzeitig das ursprünglich äol. Smyrna anschloß,

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 321.