Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Italienische Musik; Italienische Nationalbank; Italienische Philosophie

795

Italienische Musik - Italienische Philosophie

La Civiltà cattolica (Rom), Bonghis Cultura (Rom), Il Preludio (Bologna), vorzüglich Il Giornale storico della letteratura italiana (Turin), hg. von Graf, Novati und Renier.

Italienische Musik. Die Musik des Altertums wurde der Folgezeit von den Italienern auf lebendige Weise übermittelt. Die erste folgenreiche Bildung, die der antiken Musik als etwas Neues gegenüber trat, war die Singschule, in der unter Leitung der Bischöfe von Rom die christl. Liturgie eine feste und kunstmäßige musikalische Gestalt erhielt. Diese röm. Sängerschule hatte schon Jahrhunderte bestanden, als Papst Gregor d. Gr. um 600 die kirchlichen Melodien neu ordnete, mehrte und in einem Antiphonar sammelte, welches das Grundbuch für das ganze Abendland wurde. Sänger aus der päpstl. Schule gingen in den nächsten Jahrhunderten in die westl. und nördl. Länder, wo der ausgestreute Same bald über Erwarten gedieh. Der Kern der Melodien Gregors d. Gr. hat sich als sog. Gregorianischer Gesang in der Kunst wie in der kirchlichen Liturgie bis heute erhalten. In diesem Gesange sind den Melodien nach hebräische und der Form nach griech. Elemente enthalten. Guido von Arezzo vervollständigte im 10. Jahrh. Gregors Werk, indem er Methoden ersann, die das bisher schwierige musikalische Studium erleichterten.

Bis dahin war Italien der Lehrer und Leiter der gesamten Kunstmusik. Vom 11. Jahrh. an trat es etwas zurück, während in England, Frankreich und Deutschland die Mehrstimmigkeit erfunden und die Instrumentalmusik vervollkommnet wurde. Die I. M. bewahrte sich die Reinheit des Kunstgesanges, in der sie von jeher alle Nationen übertraf, und erlangte erst gegen Ende des 15. Jahrh. wieder eine tonangebende Bedeutung. Um 1500 erfand Petrucci in Venedig den Musikdruck mit beweglichen Typen, wodurch dieser Ort länger als ein Jahrhundert hindurch das Centrum der Musikverbreitung wurde. Die größten Komponisten und Sänger Europas zogen nach Italien, um in päpstl. Dienste zu kommen, und endlich erstand in Giovanni Palestrina derjenige Meister, in dem die kirchliche Kunstmusik ihren Höhepunkt erreichte. Seine Kompositionsweise ist als "Palestrina-Stil" ein ebenso dauerhaftes Gebilde geworden wie der "Gregorianische Gesang", dessen vollendetste künstlerische Verkörperung in seinen Werken erblickt werden muß.

Die I. M. stand jetzt abermals an der Spitze der Bewegung. Sämtliche Formen der damaligen Tonkunst wurden von ihr teils vollendet, teils neu geschaffen. Vollendetes lieferte Palestrinas Zeitgenosse Luca Marenzio im Madrigal; Neues schuf dieselbe Zeit gegen Ende des 16. Jahrh. durch eine besonders von Florenz ausgehende Bewegung, die die Oper und das Oratorium ins Leben rief. Diese folgenreiche Neuerung hat die gesamte europ. Tonkunst von Grund aus umgestaltet; freilich ist es der I. M. nicht beschieden gewesen, das, was sie hier erfand und zuerst ausbildete, auch wirklich zu vollenden. Aber noch im ganzen 17. Jahrh. herrschte sie im Reiche der Tonkunst unumschränkt. Monteverdi und Cavalli gaben mit ihren Opern Vorbilder für alle Länder, und Carissimi legte die Keime zu einem Oratorienstil, der 100 Jahre später von Händel zur Vollkommenheit ausgebildet wurde. Neben Carissimi wirkte der große Orgel- und Fugenmeister Frescobaldi, der für das Spiel seines Instruments eine ebenso gesetzgeberische Bedeutung erlangte, wie einige Jahrzehnte später Corelli für das der Violine. Dabei hatte das fast unersättliche Verlangen nach schönem Gesang selbst eine widernatürliche Befriedigung nicht gescheut, und ital. Castraten waren an allen Höfen, auf allen Operntheatern in Europa zu finden.

Als dann gegen Ende des 17. Jahrh. in Frankreich, Deutschland und England nationale Kräfte von außerordentlicher Begabung sich regten, um dem Italienischen das Feld streitig zu machen, war es Al. Scarlatti, welcher der Oper einen nachhaltigen Impuls gab und damit die Superiorität der I. M. aufs neue herstellte. Die Konservatorien, die in Italien allenthalben errichtet wurden, viel früher als in andern Ländern, bildeten vorzügliche Musiker in Masse aus, besonders Komponisten, Sänger, Violinisten und Cembalisten (Klavierspieler). Vor allen wurde die neapolitanische, durch Scarlatti gegründete Schule wichtig, da sie im ganzen 18. Jahrh. den Ton angab, nicht nur in der Oper, sondern auch in der Kirchen- und Konzertmusik. So allgemein und unbestritten schien damals die Herrschaft der I. M. in Europa anerkannt zu sein, daß selbst die größten deutschen Komponisten (Händel, Hasse, Graun, Gluck, Mozart) ihre Opern italienisch schrieben. Die siegreiche Beteiligung dieser Ausländer war freilich zugleich ein Beweis der abnehmenden Kraft der geborenen Italiener, obwohl letztere sich eine erstaunliche und originelle Produktivität bis auf die Gegenwart zu erhalten wußten. Die Neapolitaner Pergolese und Piccini gestalteten die neuere Form der komischen Oper (Opera buffa), und viele Gleichbegabte neben und nach ihnen versorgten die Operntheater und Kirchenchöre unablässig mit neuen Werken.

Im 19. Jahrh. sind es bis zum letzten Jahrzehnt besonders zwei Männer, welche die I. M. charakterisieren: Rossini und Verdi. Weiter als bis auf Rossini reicht auch das nicht zurück, was auf ital. Theatern noch lebendig erhalten ist. Dieses Preisgeben der musikalischen Vergangenheit hat wesentlich zur Verflachung der I. M. beigetragen. Erst durch den Anschluß der jüngsten Italiener an die neue Entwicklung, die die Instrumentalmusik durch die Deutschen nahm, hat die I. M. wieder an Einfluß gewonnen. Namentlich Mascagni (1891) und Leoncavallo (1892) haben mit ihren realistischen Opern große Erfolge zu verzeichnen sowohl in Italien selbst als auch im Auslande. Auf dem Konzertgebiete, d. h. im großen Oratorium und in der selbständigen Instrumentalkunst hat man erst in der jüngsten Zeit angefangen, das Versäumte nachzuholen. Die unvollkommenen Versuche haben bisher nur geringen Erfolg gehabt. (S. Musik.)

Italienische Nationalbank, s. Banca Nazionale nel Regno d'Italia.

Italienische Philosophie. Italien, als das Mutterland der europ. Bildung, hat auch auf den Gang der Philosophie großen Einfluß ausgeübt. Von hier aus verbreiteten sich mit dem Beginn des Mittelalters im Gefolge der kirchlichen Civilisation die Reste der antiken Wissenschaft in Gestalt von Lehrbüchern über die andern Völker Europas, und auch an den logisch-metaphysischen Untersuchungen des Mittelalters beteiligte man sich hier um so eifriger, als die kirchliche Macht in Rom diese Gedankenbewegung im Interesse der Glaubenseinheit überwachen zu sollen meinte. Später wurde das sicil. Reich Friedrichs II. das Eingangsthor für die arab.