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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Akrobaten - Akrotismus.

allgemeinen Sinn alles, was durch Hören vernommen wird, bei Aristoteles zur Bezeichnung des Unterschieds zwischen Lehren, die bloß innerhalb der Schule mündlich fortgepflanzt, und solchen, die für das Publikum bestimmt wurden, gebraucht. Die erstern hießen esoterische oder, weil sie bloß mündlich mitgeteilt und gehört wurden, akroamatische Lehren und waren in streng wissenschaftlicher Form abgefaßt; daher hieß ein akroamatischer Vortrag ein wissenschaftlicher im Gegensatz zum populären, gemeinfaßlichen. Jetzt versteht man unter akroamatischer Lehrform gewöhnlich die Art des Unterrichts, bei welcher die Schüler nur zuhören, wie bei akademischen Vorlesungen, im Gegensatz zu der erotematischen sowie der sokratischen und katechetischen Methode der eigentlichen Schulen, wo die Schüler gefragt werden. Im allgemeinen findet die akroamatische Lehrform da ihre Stelle, wo es mehr auf Mitteilung von Kenntnissen als auf Bildung und Übung der geistigen Kräfte ankommt; je weniger entwickelt also das Fassungsvermögen der Schüler ist, desto weniger Gebrauch läßt sich von der akroamatischen Lehrart machen. Nur für Universitäten und höhere Fachschulen, welche es mit völlig erwachsenen, durch den Besuch von Gymnasien etc. hinreichend vorgebildeten Schülern zu thun haben, hat die akroamatische, vortragende, Lehrform ihre Berechtigung.

Akrobaten (griech., "Hochgänger"), Luftsteiger, gymnastische Künstler, welche, auf gespanntem Seil, auf Stuhlpyramiden, rollenden Kugeln und Walzen etc. stehend, äquilibristische Künste zeigen.

Akroblasten (griech.), s. Monokotyledonen.

Akrographie (griech.), das Hochätzverfahren; s. Hochätzung. ^[richtig: Hochätzkunst.]

Akrokarp (griech.), s. Moose.

Akrokeraunia (Keraunia, jetzt Tschika), ein bis zu 2045 m ansteigendes Kalkgebirge im nordwestlichen Epirus, nach NW. in eine lange Halbinsel und in das Akrokeraunische Vorgebirge (Kap Glossa oder Linguetta) auslaufend, welches mit dem Festland die Bucht von Avlona (Valona) bildet.

Akrokorinth, die Burg von Korinth (s. d.).

Akrolein, s. Acrolein.

Akrolithen (griech., "an den Enden von Stein") nannte man in der griech. Kunst Holzbilder, deren unbekleidete Teile (Kopf, Hände und Füße) aus Marmor gebildet waren, um der natürlichen Hautfarbe ähnlicher zu werden. Eine jüngere Epoche, welche die früher einfacher gebildeten, dafür aber mit kostbaren Kleidern behangenen Holzidole der Tempel verschönern wollte, überzog den bekleideten Holzkern der Figur mit einer fein ziselierten Goldhaut und ersetzte den Marmor durch Elfenbein, wodurch die Chryselephantinbilder entstanden (s. Goldelfenbeinkunst). Doch hat man auch späterhin noch bei kärglichern Mitteln sich mit A. begnügt.

Akromonogramm (griech.), Gedicht, worin jeder Vers mit dem Endbuchstaben des vorhergehenden beginnt.

Akromonosyllabikon, Gedicht, worin dasselbe mit den Silben der Fall ist.

Akron (spr. ähkron), Stadt im nordamerikan. Staat Ohio, Grafschaft Summit, im Cuyahogathal, 48 km südlich von Cleveland und mit demselben durch einen Kanal vereinigt, hat Kornmühlen, Wollfabrikation und Maschinenbau, eine Irrenanstalt und (1880) 16,512 Einw. In der Nähe große Mengen von feuerfesten Mineralfarben.

Akronyktisch (akronychisch, griech.), in den Beginn der Nacht fallend (vom Auf- und Untergang der Gestirne).

Akropolis (Akropole, griech., "Oberstadt"), Burg, Feste. Durch solche Akropolen, hoch gelegene, durch Natur und Kunst befestigte und die Stadt und Umgegend beherrschende Burgen, welche gewöhnlich auch noch andre wichtigere Gebäude, namentlich Tempel, in sich schlossen und bei feindlichen Angriffen als Zufluchtsstätten dienten, waren in der Regel die ansehnlichern griechischen Städte geschützt. Am berühmtesten sind die Akropolen von Athen (vorzugsweise A. genannt), Theben (Kadmeia), Korinth (Akrokorinth), Messene (Ithome), Argos (Larissa), Pergamon.

Akrosporen, s. Sporen.

Akrosticheen, Unterfamilie der Polypodiaceen; s. Farne.

Akrostichon (griech.), Gedicht, bei welchem die Anfangsbuchstaben der Verse zusammengereiht ein Wort oder einen Satz bilden.

Akrostolion (griech.), der mit Bildwerken verzierte massive Knauf am Vorderteil der Schiffe der Alten.

Akroterien (griech.), im weitern Sinn bei den Alten die äußersten Teile eines Gegenstands, z. B. die Schnäbel der Schiffe, die Flügelenden der Nike; im engern Sinn die an den höchsten und tiefsten Punkten der Giebel angebrachten, zur Verdeckung der Firstziegel und Dachrinnen dienenden, unten nach der Neigung des Daches abgeschrägten, oben horizontalen Platten, welche teils unverziert blieben, teils als Unterlagen symbolischer Aufsätze, wie Leiern bei einem Tempel des Apollon und Greife bei einem Tempel der Athene, dienten. An deren Stelle traten in der spätern Zeit vegetabilische, besonders dem Blatte der Fächerpalme nachgebildete, Ornamente (Palmetten), welche als Auflösungen der Ecken des Giebeldreiecks dienten und an den Traufen ein halbes, an den Firsten ein ganzes Blatt enthielten. Dies, sowie auf welche Weise die Palmetten wieder durch kleinere, elastisch gebogene Blätter und spiralförmig gewundene Ranken mit den A. vermittelt wurden, zeigt der in Fig. 1 dargestellte Traufziegel vom Tempel des Theseus zu Athen und der in Fig. 2 dargestellte Stirnziegel vom Tempel der Artemis zu Eleusis. Diese kurzweg A. genannten architektonischen Verzierungen wurden aus Marmor, häufiger aus bemalter Terrakotte hergestellt. Das größte aus dem Altertum erhaltene Akroterion ist dasjenige vom Giebel des Heratempels in Olympia, welches durch eine 2¼ m im Durchmesser haltende, mit einem farbigen Muster dekorierte Scheibe aus gebranntem Thon gebildet wird (s. Tafel "Ornamente I"). Auch in dem aus der griechischen Kunst abgeleiteten römischen und Renaissancestil hat man die A. als Bekrönung von Gebäudegiebeln beibehalten und versteht darunter gewöhnlich die ganzen, aus Sockel und Palmette bestehenden Aufsätze. Die auf Sarkophage und in die Kunstindustrie (z. B. auf architektonisch gehaltene Möbel) übertragenen A. dienen gleichfalls zur Charakteristik von Endungen und werden aus animalischen oder vegetabilischen Elementen mehr oder minder stilgemäß zusammengesetzt.

^[Abb.: Akroterien. Fig. 1. Fig. 2.]

Akrotismus (griech.), das "Streben nach dem Höchsten"; Erforschung der letzten Gründe der Dinge.