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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Akt; Aktaion; Akte; Akten; Akteneinsicht

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Akt – Akteneinsicht

Akt, in der deutschen Rechtssprache (Rheinland) gebraucht wie das franz. Acte (s. d.), auch in dem Sinne der beurkundeten Rechtshandlung. – In der bildenden Kunst ist A. (Aktstudie) eine nach dem nackten lebenden Modell gefertigte Zeichnung oder bildnerische Arbeit, besonders zu Studienzwecken; «A. stehen» ist daher gleich nackt Modell stehen. – Im Drama ist A. (Aufzug) der feste Abschnitt der Handlung, auf der modernen Bühne durch Fallen des Vorhangs bezeichnet. Da die dramat. Handlung wesentlich Kampf und Ausgleich streitender Gegensätze ist, so ist sie notwendig dreiteilig: Schürzung, Verwicklung und Lösung des Knotens, oder, wie Aristoteles sagt, Anfang, Mitte und Ende. Diese Dreiteiligkeit kann in kleinern Stücken mit rasch verlaufender Handlung in einen A. zusammengedrängt (sog. Einakter), bei umfangreicher, verwickelter in mehrere A. zerlegt werden; immer aber muß sie als festes Grundgesetz wahrnehmbar sein. Die griech. Tragödie hat immer an 3 A., die durch Chorlieder markiert wurden, festgehalten, und die span., im Bau antikisierend, ist ihr gefolgt; die moderne, namentlich die der Engländer, Franzosen und Deutschen, erweitert auf Grund schärferer und psychologischer Charakteristik diese 3 A. auf 5; Anlage (Exposition, s. d.) und Schürzung fallen den beiden ersten, der Höhepunkt der Handlung dem dritten, der Umschwung (Peripetie) dem vierten, die Lösung (Katastrophe) dem fünften A. zu. Ein Stück von 2, 4 oder 6 A. kann eine derartige Anlage nicht ebenso zum Grunde legen. Der in neuerer Zeit zur Bequemlichkeit des Dekorationswechsels auf den meisten deutschen Bühnen eingeführte sog. Zwischenvorhang, d. h. Fallenlassen des Vorhangs auch ohne daß ein Aktschluß eintritt, zerhackt die Handlung gewaltsam, besonders bei häufigem Scenenwechsel. Die Pause der Darstellung zwischen den einzelnen A. nennt man Zwischenakt.

Aktaion (Aktäon), in der griech. Mythologie der Sohn des Aristaios und der Autonoe, einer Tochter des Kadmos, wurde von Cheiron zum Jäger gebildet. Einst überraschte er Artemis, als sie mit ihren Nymphen in einer Quelle badete; die erzürnte Göttin verwandelte ihn in einen Hirsch, den dann die Hunde, die ihren Herrn nicht erkannten, auf dem Berge Cithäron zerrissen. Der Lyriker Stesichorus dichtete, daß die Göttin dem A. nur ein Hirschfell überwarf und ihn so der Wut seiner Hunde preisgab. So ist die Scene auf einem Tempelrelief zu Selinunt in Sicilien aufgefaßt. Auf den meisten antiken Kunstwerken wird jedoch, der Sage gemäß, A.s Verwandlung durch Hörner auf seinem Kopfe angedeutet; hervorzuheben ist die kleine Marmorgruppe im British Museum in London, und ein jetzt im Louvre befindlicher Sarkophag. Auch im Gemälde wurde die Begebenheit zwischen Artemis und A. dargestellt von: Ann. Carracci (Brüssel, Gemäldegalerie), Rottenhammer (München, Alte Pinakothek), Steinfurth (Hamburg, Kunsthalle).

Akte (frz. acte), staatsrechtliche Urkunde, s. Acte.

Akten (lat. Acta, s. d.), eigentlich das Geschehene (id quod actum est), dann die Beurkundung des Geschehenen. Gewöhnlich versteht man darunter die Sammlung der Schriftstücke, die auf denselben rechtlichen Gegenstand Bezug haben. Je nachdem sie von einer Privatperson oder einer öffentlichen Behörde geführt werden, sind sie Privatakten, wie die Handakten (Manualakten) eines Rechtsanwalts, oder öffentliche A., d. h. Akten von Gerichts- und Verwaltungsbehörden, öffentlichen Korporationen und öffentlichen Beamten. Heute haben diese Organe bei der Wichtigkeit dauernder urkundlicher Bekundung solche A. über alle zu ihrem Amts- oder Berufskreise gehörigen Angelegenheiten zu führen und vollständig und übersichtlich zu halten, worüber in den einzelnen deutschen Staaten verschiedene reglementarische Vorschriften bestehen. Bei manchen Behörden wird die Aufsicht über die A. besondern Beamten (Registratoren) in besondern Räumen (Registraturen) übertragen. – Von besonderer Wichtigkeit sind im Bereich der streitigen Gerichtsbarkeit die Prozeßakten, teils mit Bezug auf die Bedeutung, welche der Schrift für das Prozeßverfahren eingeräumt wird (s. Aktenmäßig), teils wegen Einsicht für Parteien und Dritte (s. Akteneinsicht). – Die vorsätzliche Mitteilung von A., deren Geheimhaltung einer andern Regierung gegenüber für das Wohl des Deutschen Reichs oder eines Bundesstaates erforderlich ist, ist ein Fall des mit Zuchthaus, bei mildernden Umständen mit Festungshaft zu bestrafenden Landesverrats (s. d.); die vorsätzliche Vernichtnng, Beiseiteschaffung oder Beschädigung von A. aller Art, welche sich für amtliche Aufbewahrung an einem bestimmten Ort befinden, oder welche einem Beamten oder einem Dritten amtlich übergeben sind, wird mit Gefängnis bestraft. (Strafgesetzb. §. 133.)

Akteneinsicht. Die Befugnis, öffentliche Akten einzusehen, ist im Rechtsleben ein Gegenstand bedeutsamen Interesses für das Publikum. Dieselbe gestaltet sich naturgemäß je nach dem Inhalt der Akten sehr verschieden. Um die wichtigsten Arten von Akten hervorzuheben, steht nach dem Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875 die Einsicht der Standesregister für jedermann offen; ebenso die Einsicht in das Handelsregister nach Handelsgesetzbuch Art. 12, das Musterregister für gewerbliche Muster und Modelle (Gesetz vom 11. Jan. 1876, §. 11), die Liste der Genossen einer eingetragenen Genossenschaft (Gesetz vom 1. Mai 1889, §. 12), das Schiffsregister (Gesetz vom 25. Okt. 1867, §. 4), die vom Reichspatentamt geführten Rollen für Patente, Gebrauchsmuster und Warenbezeichnungen. Sonst darf allgemein die Vorlegung öffentlicher Akten durch Behörden oder öffentliche Beamten nicht gefordert werden, wenn deren oberste Dienstbehörde erklärt, daß das Bekanntwerden des Inhalts dem Wohle des Reichs oder eines Bundesstaates Nachteil bereiten würde. (Strafprozeßordn. §. 96.) Im Strafprozeß hat nur der Staatsanwalt ein unbeschränktes Recht zur Einsicht der Prozeßakten; der Angeschuldigte hat kein Recht auf persönliche A.; der Privatkläger muß das Recht durch seinen Anwalt ausüben. Der Verteidiger ist dazu regelmäßig nur erst nach Schluß der Voruntersuchung oder nach Eingang der Anklageschrift bei Gericht berechtigt, vorher ist es nur insoweit, als es ohne Gefährdung des Untersuchungszweckes geschehen kann, zu verstatten. (Reichs-Strafprozeßordn. §§. 194, 147, 425.) Im Civilprozeß können die Parteien selbst von den Prozeßakten unbeschränkt Einsicht nehmen, während dritten Personen solche durch den Gerichtsvorstand, auch ohne Einwilligung der Parteien, nur dann zu gestatten ist, wenn ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. (Reichs-Civilprozeßordn. §. 271.) Entsprechend verhält es sich mit der Verstattung zur Einsicht der Grundakten (vgl. z. B. Preuß. Grundbuchordn. §. 19).