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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Ameisenbeutler - Ameisenpflanzen

erstern gehört der große A. oder Ameisenfresser (Myrmecophaga jubata L., s. Tafel: Zahnarme Säugetiere I, Fig. 1), der Yurumi der Brasilianer, ein über meterlanges, abenteuerlich gestaltetes Tier. Der kleine Kopf ist langgestreckt mit walzenförmiger Schnauze, völlig zahnlosen Kiefern und sehr kleiner Mundspalte, aus der eine wurmförmige, klebrige Zunge hervorgeschnellt werden kann. Die muskulösen Vorderbeine enden in mächtige, sichelförmige Grabkrallen, die beim Gehen seitlich eingeschlagen werden. Der Körper ist mit dichtem, straffem Haar bekleidet, das sich aus dem Rücken verlängert und eine sich nach hinten vergrößernde Mähne bildet, die auf dem fast körperlangen Schwanze als ein kolossaler Haarwedel sich entwickelt. Die Färbung, durch Binden und Streifungen auf hellem und dunkelm Grunde ausgezeichnet, variiert bei den einzelnen Exemplaren.

Der große A. bewohnt die tropischen Urwälder Südamerikas und nährt sich, einsam umherschweifend, vorzugsweise von Termiten, deren feste Erdbauten und Hügel er mit den Krallen der Vorderbeine aufreißt, um dann die zu Tausenden zur Verteidigung ihrer Wohnung hervorstürzenden Insekten mit seiner leimrutenartig wirkenden Wurmzunge einzuschlürfen. Auch Ameisen und andere kleine Insekten dienen ihm zur Nahrung. Sonst harmlos, kann er, wenn angegriffen, durch seine gewaltige Körperkraft zu einem gefährlichen Gegner werden. Der große A. wird zuweilen nach Europa herübergebracht und hält sich bei geeigneter Verpflegung oft mehrere Jahre. Als Futter giebt man ihm geschabtes Rindfleisch, einen steifen Brei aus Maizena in Milch, rohe Eier und Ameiseneier. Der Preis ist ziemlich hoch und beträgt für ein Tier von mittlerer Größe etwa 800 M. Eine kleinere, nur bis 60 cm lange Art ist der Tamandua (Myrmecophaga tetradactyla L.), die kleinste der 23 cm messende zweizehige oder kleine A. (Myrmecophaga didactyla L., Tafel: Zahnarme Säugetiere I, Fig. 3); beide sind Baumtiere, welche sich langsam kletternd und mit dem Wickelschwanz sichernd umherbewegen. Der erstere findet sich von Mexiko bis Paraguay, der zweizehige dagegen nur im äquatorialen Südamerika.

Ameisenbeutler (Myrmecobius Waterh.,) eine eigentümliche, nur in einer Art bekannte Form von Beuteltieren, durch den Zahnreichtum ihres Gebisses (52), die wurmförmige, nach Art der Ameisenbären verwendete Zunge und langen, buschigen Schwanz charakterisiert. Die Weibchen haben keinen Beutel, sondern die Zitzen liegen frei. Der A. (Myrmecobius fasciatus Waterh., s. Tafel: Beuteltiere II, Fig.2) ist ein mit dem 18 cm langen Schwanze 43 cm messendes Tier, das auf dem Rücken schwarzbraun, mit 7-9 weißen Querstreifen, an der Unterseite gelbgrau ist. Es bewohnt das südwestl. Australien und ernährt sich von Gliedertieren, besonders von Ameisen.

Ameiseneier (richtiger Ameisenpuppen), wertvolles Futter für Stubenvögel, kostbares Junggeflügel, besonders Fasanen, auch Fische u. a. Aquarientiere, werden in großen Waldungen vom April bis August massenhaft eingesammelt. Deutsche A. sind besser als russische, weil reiner und sorgfältiger gesammelt. Die A. kommen anfangs frisch, dann "geschwellt" oder "abgeschreckt, d. h. schwach betrocknet, und zuletzt auf Darren im Backofen völlig getrocknet, in den Handel. Das unbefugte Sammeln der A. ist zwar durch Reichsgesetz nicht verboten, doch haben einzelne Bundesstaaten (Bayern, Art. 125 des Polizeigesetzes vom 26. Dez. 1871; Preußen droht Geldstrafe an, bis 100 M. oder 4 Wochen Haft; ähnlich Württemberg, beide Mecklenburg, Oldenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Lippe-Schaumburg) darauf bezügliche gesetzliche Bestimmungen.

Ameisenfresser, s. Ameisenbär.

Ameisenfreunde, s. Ameisen.

Ameisengeist, s. Ameisenspiritus.

Ameisenigel (Echidna Cuv.), eine zur Ordnung der Monotremen oder Kloakentiere gehörige Gattung von Säugetieren, plumpe, auf der Oberseite mit einem dichten Stachelkleide versehene Geschöpfe, deren Kopf in einen dünnen, walzenförmigen Schnabel sich verlängert, an dessen Spitze die kleine, enge Mundspalte sich öffnet. Ans derselben kann eine wurmförmige Rollzunge hervorgeschnellt werden, welche im Verein mit den großen Krallen der kurzen Beine jene Anpassung an die Ameisen- und Termitennahrung wiederholt, welche auch die Ameisenbären und Schuppentiere zeigen. Von den bekannten Arten bewohnt eine die Gebirgsgegenden im Südosten Australiens, eine zweite Neusüdwales und Tasmania, und eine neuerdings entdeckte große Art (Proëchidna Bruyni Gerv.), mit in dichtem schwarzen Pelze versteckten Stacheln, Neuguinea. Alle sind nächtliche, in der Erde grabende Tiere, die auf der tiefsten Stufe der Organisation unter allen Säugetieren stehen. Über ihr Eierlegen s. Kloakentiere.

Ameisenjungfer, s. Ameisenlöwen.

Ameisenkriechen (Formikation, Myrmecismus), ein kriebelndes Gefühl in der Haut, wie wenn Ameisen darüber liefen, weist, wenn es oft oder dauernd eintritt, auf eine Störung im Nervensystem hin. Durch Druck auf einen Nervenstamm wird es in dem Hautgebiete hervorgerufen, welches der gedrückte Stamm mit Nervenfasern versieht; daher auch das Kriebelgefühl an sog. eingeschlagenen Gliedern. Ein ganz gewöhnliches Symptom ist dieses Gefühl in der sog. Kriebelkrankheit (s. d.).

Ameisenlöwen, die Larven zweier zur Familie der Großflügler (s. d.) gehörigen Netzflügler (Myrmeleon formicarius L. [s. Tafel: Insekten III, Fig. 11] und Myrmeleon formicalynx F.). Die vollkommenen Insekten, auch Ameisenjungfern genannt, gleichen bis auf die ziemlich langen, keulenförmigen Fühler den Libellen; die gedrungen gebauten Larven graben an Waldwegen im Sande trichterförmige Fallgruben, auf deren Grunde sie bis auf den Kopf eingegraben auf abstürzende Insekten, besonders Ameisen, lauern.

Ameisenpflanzen oder myrmekophile Pflanzen. Schon seit längerer Zeit kennt man eine Anzahl von Pflanzen, die durch ihre Beziehungen zu manchen Ameisenarten biologisch eine besondere Stellung einnehmen. Diese Beziehungen bestehen darin, daß jene Pflanzen in eigentümlich ausgebildeten Organen ganzen Kolonien von Ameisen eine Wohnstätte, in den meisten Fällen auch Vorteile für die Ernährung darbieten und jedenfalls selbst aus der Beherbergung dieser Tiere irgendwelchen Nutzen ziehen. Ein derartiges Zusammenleben von Tieren und Pflanzen war als lehrreiches Beispiel für die Erscheinung der Symbiose (s. d.) oder des Mutualismus (s. d.) geeignet, zahlreiche nähere Beobachtungen und Untersuchungen sowohl biologischer wie auch histologischer Natur zu veranlassen. Unter den hierauf bezüglichen Arbeiten sind besonders die von Beccari, Treub und Schimper