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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Amtshauptmann - Amtsverbrechen.

großjährigen Person wegen Geisteskrankheit oder Verschwendungssucht, gehört in den Kompetenzkreis der A. Endlich haben die A. in Fällen dringender Gefahr des Verlustes der betreffenden Beweismittel zur Sicherung des Beweises die Einnahme des Augenscheins und die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen vorzunehmen. Die zweite Instanz für die in erster vor die A. gehörigen Zivilsachen sind die Zivilkammern der Landgerichte.

2) In Strafsachen erstreckt sich die Gerichtsbarkeit der Schöffengerichte unter dem Vorsitz des Amtsrichters und unter Mitwirkung des mit den Funktionen der Staatsanwaltschaft betrauten Amtsanwalts auf die Übertretungen und auf diejenigen Vergehen, welche nur mit Geldstrafe bis zu 600 Mk. oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bedroht sind. Auch ist es den Strafkammern der Landgerichte nachgelassen, gewisse leichtere Vergehen auf Antrag der Staatsanwaltschaft an die Schöffengerichte zu verweisen, wenn im gegebenen Fall voraussichtlich jenes Strafmaximum nicht überschritten werden wird. Außerdem gehören Beleidigungen und Körperverletzungen, welche im Weg der Privatklage verfolgt werden, desgleichen einfacher Diebstahl und Betrug, einfache Unterschlagung und Sachbeschädigung gleichfalls vor die Schöffengerichte, wofern der Wertbetrag des Verbrechensgegenstandes die Summe von 25 Mk. nicht übersteigt. Dasselbe gilt endlich auch von der Begünstigung und von der Hehlerei, vorausgesetzt, daß die verbrecherischen Handlungen, auf welche sich jene beziehen, ebenfalls in die Kompetenz der Schöffengerichte fallen. Handelt es sich jedoch nur um eine Übertretung, so kann der Amtsrichter in dem Fall der Vorführung des Beschuldigten, welcher die ihm zur Last gelegte That eingesteht, mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ohne Zuziehung von Schöffen verhandeln und entscheiden. Es kann auch der Amtsrichter bei Übertretungen und bei Vergehen, welche nur mit Gefängnis von höchstens drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 600 Mk., allein oder neben Haft oder in Verbindung miteinander oder in Verbindung mit Einziehung, bedroht sind, ohne Zuziehung der Schöffen und ohne vorgängige Verhandlung einen Strafbefehl (Strafmandat) erlassen, wenn die Staatsanwaltschaft schriftlich darauf anträgt. Durch einen Strafbefehl darf jedoch keine andre Strafe als Geldstrafe von höchstens 150 Mk. oder Freiheitsstrafe von höchstens sechs Wochen sowie eine etwa verwirkte Einziehung ausgesprochen werden. Ein Strafbefehl, wegen welchen der Beschuldigte nicht binnen einer Woche Einspruch erhebt, erlangt die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Es können ferner Forst- und Feldrügesachen nach Landesgesetz durch die A. ohne Zuziehung von Schöffen verhandelt und entschieden werden. Ebenso findet die strafrichterliche Thätigkeit des Amtsrichters in dem einzelrichterlichen Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung ohne die Zuziehung von Schöffen statt; dies gilt namentlich von den Erhebungen, welche der Amtsrichter vor der Hauptverhandlung eintreten lassen kann, und von der Urteilsvollstreckung. Wegen der Heranziehung der Schöffen hat der Amtsrichter das Nötige wahrzunehmen (s. Schöffengerichte). Endlich sind die A. zur Entgegennahme von Anzeigen und zur Vornahme von Untersuchungshandlungen überhaupt auf Veranlassung des Staatsanwalts oder es Untersuchungsrichters und in eiligen Fällen selbst von Amts wegen befugt und verpflichtet, auch in solchen Fällen, in welchen die endliche Entscheidung dem Amtsrichter oder dem Schöffengericht nicht zusteht, wie denn auch durch Beschluß des Landgerichts auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Führung einer ganzen Voruntersuchung einem Amtsrichter übertragen werden kann. Gegen die Urteile der Schöffengerichte ist das Rechtsmittel der Berufung an die Strafkammer des Landgerichts gegeben, welche zu gleich die Beschwerdeinstanz bildet, insofern es sich am Beschwerden über Anordnungen und Entscheidungen der A. und der Schöffengerichte handelt.

3) Außerdem sind die A. regelmäßig mit der freiwilligen Gerichtsbarkeit betraut, also insbesondere mit der durch die Landesgesetzgebung normierten Handhabung des Hypotheken- und Grundbuchwesens, der Vormundschaftssachen und der gerichtlichen Mitwirkung bei der Aufnahme von Rechtsakten, soweit eine solche erforderlich ist. Auch haben die A. vielfach die Aufsicht über die Standesbeamten zu führen. Vgl. Deutsches Gerichtsverfassungsgesetz, § 22-57, 71, 76; Deutsche Konkursordnung, § 64 ff.; Strafprozeßordnung, § 31, 176, 183 f., 197 f., 211, 447 ff., 453 ff.; Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung, § 3; Zivilprozeßordnung, § 447 ff., 471, 593 ff., 684, 729 ff., 823 ff. Litteraturnachweise s. Gericht.

Amtshauptmann, Titel eines Verwaltungsbeamten; im Königreich Sachsen noch jetzt der Amtstitel des Verwaltungschefs eines Bezirks, der danach Amtshauptmannschaft genannt wird. Auch in Hannover ist für die untern Verwaltungsorgane der Titel A. beibehalten worden.

Amtskleidung, s. Amtszeichen.

Amtsrichter, s. Amtsgerichte.

Amtssuspension, s. Dienstenthebung.

Amtstitel, der Titel, den ein Beamter vermöge des von ihm bekleideten Amtes führt. Er soll zur genauen Bezeichnung der einzelnen Beamtenkategorien und des ihnen angewiesenen Geschäftskreises dienen, während der bloße Titel, von der Verwaltung eines Amtes unabhängig, nur eine Ehrenbezeichnung ist. Der A. muß in den meisten monarchischen Staaten dem Namen des Beamten in Dienstverhandlungen beigefügt werden; auch steht einem Staatsbeamten nach einem ehrenvollen Abschied meist das Recht zu, den A. fortzuführen. Kassierte oder entsetzte Beamte verlieren den A., ebenso auch diejenigen, welche nach ehrenvoller Verabschiedung sich ein Vergehen zu schulden kommen lassen, wofür sie während ihrer Dienstzeit mit Amtsentsetzung bestraft worden wären.

Amtstracht, s. Amtszeichen.

Amts- und Gemeindeschade, eine in Württemberg vorkommende Bezeichnung für Zuschläge, welche die Gemeinde zu Staatssteuern erhebt.

Amtsverbrechen (Amtsdelikt), im weitern Sinn jede Pflichtverletzung eines Beamten, im engern Sinn und in der juristischen Bedeutung des Worts die kriminell strafbare Verletzung der besondern Amtspflicht eines solchen. Abgesehen von den allgemeinen Verpflichtungen eines jeden Staatsbürgers, liegen nämlich dem Beamten besondere Verpflichtungen ob, welche durch seine amtliche Stellung begründet sind. Eine Verletzung dieser Amtspflichten, wie z. B. Verletzung des Amtsgeheimnisses, Insubordination u. dgl., kann eine Disziplinaruntersuchung und Disziplinar- oder Ordnungsstrafen nach sich ziehen, welch letztere in Warnung, Verweis, Geld- oder Arreststrafe, Strafversetzung und Dienstentlassung bestehen. Das hierbei zu beobachtende Verfahren ist regelmäßig durch besondere Gesetze normiert, welche den Beamtenstand gegen Willkürlichkeiten schützen und namentlich das Recht der Beschwerde gegen derartige Disziplinar-^[folgende Seite]