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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Anapäst - Anarchismus

Der Handel, besonders in Ausfuhr von Weizen bestehend, liegt in den Händen von Griechen.

Anapäst (grch., d. i. der zurückgeschlagene oder umgedrehte [nämlich Daktylus], ein dreisilbiger Versfuß, aus zwei Kürzen und einer Länge bestehend: ͜ ͜ ͟, z. B. "in den Tod".

Anaphi oder Naphi, altgrch. Anaphe, die südöstlichste der zu Griechenland gehörigen Cykladen, 23 km östlich von Thira (Santorin), gehört zur Eparchie Thira des Nomos Cykladen und hat (1889)) 658 E. Die 47 qkm große, aus krystallinischen Gesteinen aufgebaute Insel ist im ganzen kahl, hat einige fruchtbare Thalschluchten, die etwas Getreide, Wein, Öl und Feigen sowie im Überfluß Zwiebeln hervorbringen. Außerdem giebt es einiges Hornvieh, Schafe und zahlreiche Rebhühner. Der Hauptort liegt im westlichsten Teile der Insel; 5 km östlich davon, ungefähr in der Mitte der Insel, lag die alte Stadt Anaphe, von der eine gepflasterte Straße in südöstl. Richtung nach dem an der Südküste befindlichen Hafenplatze führte. Ungefähr 4 km östlich von diesem lag das bedeutendste Heiligtum der Insel, das des Apollon Ägletes (oder Asgelatas), der nach der Sage auf das Flehen der Argonauten in finsterer Sturmesnacht die Insel als Zufluchtsort für dieselben aus dem Meere hatte auftauchen lassen.

Anaphonesis (grch.), das laute Sprechen, besonders das zur Übung und Stärkung der Lungen.

Anaphora (grch.) oder Anápher, die rhetorische Wiederholung eines Wortes oder einer Wendung zu Anfang mehrerer aufeinanderfolgender Sätze oder Satzteile, während die Wiederholung am Ende Epiphora oder Epistrophe heißt. Beispiele: "Rührt dich nicht das Schicksal deines Vaterlandes? Rührt dich nicht der Zustand deiner Familie?"; "Nicht deine Freunde, nicht deine Beschützer, nicht einmal deine Reichtümer werden dich retten".

Anaphrodisie, Anaphroditismus (grch.), Zustand der verminderten oder erloschenen Geschlechtslust, beruht meist auf Lähmung der Nerven, besonders Erkrankungen des Rückenmarks, aber auch auf Ausschweifungen, Nierenkrankheiten. Anaphrodit, ein Zeugungsunfähiger.

Anaplastik (grch.), s. Plastische Chirurgie.

Anaplerose (grch.), das Ausfüllen von Wunden durch nachwachsendes Fleisch.

Anapo (Anapus), ein Flüßchen an der südl. Ostküste von Sicilien, das sich in den großen Hafen von Siracusa durch Sümpfe ergießt, wegen der reichen Vegetation seiner von zahllosem Geflügel umschwärmten Ufer und wegen der hier 4-6 m hoch wachsenden Papyrusstaude merkwürdig.

Anaptyxis (grch.), s. Epenthese.

Anarchie (grch.), Herrschaftslosigkeit, der Zustand der Gesellschaft, wo die Herrschaft des Gesetzes und aller gesetzlichen Autoritäten aufhört.

Anarchismus (von Anarchie), diejenige Richtung innerhalb des öffentlichen Lebens, welche die Beseitigung jeder Herrschaft des einen Menschen über den andern und die Einführung unbeschränkter Selbständigkeit der Individuen in rechtlicher, socialer und wirtschaftlicher Beziehung erstrebt. In der Vernichtung des Staates und des Lohnsystems erblickt der A. die notwendige Vorbedingung einer befriedigenden Ordnung der gesellschaftlichen Zustände. Wenn auch bereits William Godwin in seinem 1793 erschienenen Werke "Enquiry concerning political justice" erklärt hat, daß jede obrigkeitliche Gewalt als ein Eingriff in die private Urteilskraft anzusehen sei, und der Einfluß der Regierung aus Gründen der Vernunft und der Menschlichkeit möglichst beseitigt werden müsse, so blieb doch diese erste Regung anarchistischer Tendenzen ohne irgendwelche praktische Bedeutung.

Die eigentliche Geschichte des A. beginnt mit P. J. Proudhon (s. d.). Die erste Darstellung seiner Anschauungen findet sich in dem 1840 u. d. T. Qu'est-ce que la propriété? ou recherches sur le principe du droit et du gouvernement" veröffentlichten Werke, in welchem Proudhon davon ausgeht, daß nur derjenige wirtschaftliche Verkehr als gerecht zu bezeichnen sei, in welchem ausschließlich gleichwertige, d. h. durch denselben Arbeitsaufwand hergestellte Güter miteinander ausgetauscht werden. Mit diesem Grundsätze stehe aber das herrschende Wirtschaftssystem in schroffem Widerspruch, indem der Unternehmer kraft der ihm durch das Kapitaleigentum gewährleisteten Übermacht dem Arbeiter nicht den vollen Ertrag seiner Leistungen zukommen lasse und damit zum Diebe werde. Die Antwort auf die obige Frage lautet deshalb nach Proudhon: "La propriété c'est le vol", Eigentum ist Diebstahl. Da jede bisherige sociale Organisation nur dazu gedient hat, diesen ungerechten Zustand zu erhalten und zu befestigen, so fordert Proudhon die Beseitigung jeder gesellschaftlichen über- und Unterordnung, die Abschaffung des Eigentums, den Zustand der Anarchie. Dann handelt jedes Individuum ganz nach freiem Ermessen und darf des seinen freiwilligen Leistungen vollauf entsprechenden Lohnes sicher sein. Die Unruhen der Februarrevolution (1848) bewogen Proudhon, eine praktische Anweisung zur Verwirklichung seiner Gedanken zu geben. Er entwickelte den Plan einer "Tauschbank", welche einem jeden die zur Eröffnung eines gewerblichen Betriebes erforderlichen Mittel in Gestalt von Tauschanweisungen (bons d'échange) so lange vorstrecken sollte, bis die eigene Produktion die (zinsfreie) Rückzahlung ermöglichen würde. Dieser Vorschlag fand keinen Anklang, desto mehr aber sein weiteres Projekt zur Gründung einer "Volksbank", welche sich indessen, da Proudhon gerade damals (März 1849) zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, kurz nach ihrer Begründung wieder auflösen mußte. Bald darauf lieferte Proudhon in einer Schrift vom Jahre 1851: "Idée générale de la Révolution au XIXe siècle", eine eingehende Darstellung der von ihm erstrebten gesellschaftlichen Ordnung. Auf Grund freien Vertrages sollen zum Zweck der gewerblichen Produktion Associationen gebildet werden, welche das jedem Menschen eigentümliche Gerechtigkeitsgefühl zusammenhält. Die Verwirklichung seiner Bestrebungen erwartet Proudhon nicht vom allgemeinen Stimmrecht, sondern von der überzeugenden Macht seiner Ideen und der Gewalt der Agitation. Die anarchistischen Lehren Proudhons blieben jedoch zunächst ohne irgendwelchen Einfluß auf die breitern Schichten des franz. Volks, zumal Proudhon selbst in seinen spätern Lebensjahren wesentlich gemäßigtere Anschauungen vertrat, die Anarchie für ein Ideal erklärte, das nie verwirklicht werden könne, und in dem Princip des "Föderalismus" (s. d.) eine zweckmäßigere Organisationsform der Gesellschaft gefunden zu haben glaubte.

Bedeutender war der Einfluß, welchen der Proudhonsche A. während der vierziger Jahre in Deutsch-^[folgende Seite]