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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Anatomisches Museum; Anäugeln; Anaxagoras

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Anatom. Museum, Anatom. Präparat, Anatom. Tafeln - Anaxagoras

zu gute kommenden Wißbegierde, zu zerstören, und die damalige ärztliche Wissenschaft verlangte noch keine speciellern anatom. Kenntisse. Als das Bedürfnis dazu fühlbarer ward, suchte man sich mit der Zergliederung von Tieren, namentlich Hunden und Affen, zu behelfen; es bildete aber auch die tierische A. dann noch die Basis, als man, wie kaum zu zweifeln, zu Alexandria wenigstens eine Zeit lang selbst menschliche A. praktisch trieb, obschon sicher nicht in der Weise, wie dies jetzt zu geschehen pflegt. Herophilos aus Chalcedon und Erasistratos aus Keos (um 300 v. Chr.) werden als so eifrige Anatomen gerühmt, daß sie nach des Celsus Bericht selbst lebende Verbrecher seciert haben sollen. Doch schon Galen (131 n. Chr.) läßt darüber in Ungewißheit, wie er seine anatom. Kenntnisse gewann.

Die Araber wie ihre Nachfolger begnügten sich mit den Angaben Galens, bis endlich Mondino de Luzzi, Professor zu Bologna, 1306 und 1315 zuerst zwei menschliche Leichname öffentlich zergliederte und, auf eigene Untersuchungen gestützt, das erste Lehrbuch der A. des Menschen schrieb, welches fast zwei Jahrhunderte hindurch als Kanon galt. Erst im 16. Jahrh. wurde Galens Autorität nach hartem Kampfe gänzlich gestürzt durch die Bemühungen eines Vesalius (1543), Custachio, Colombo, Fallopia, Fabricius ab Aquapendente, Varoli u. a., denen man eine Reihe glänzender Entdeckungen verdankt. Rüstig schritt man im 17. Jahrh. fort auf der betretenen Bahn, zumal da Harveys Entdeckung des Blutkreislaufs (1619) ein ganz neues Leben in die Physiologie gebracht hatte und das Mikroskop auch den feinern Bau des menschlichen und tierischen Organismus zugänglich machte. Die Lymphgefäße entdeckte Aselli (1622); die drüsigen Organe fanden in Wharton ihren genauern Erforscher, während Malpighi, Leeuwenhoeck, Swammerdam und der noch ins folgende Jahrhundert hinüberragende Ruysch durch Anwendung des Mikroskops und Einspritzungen in die Gefäße die feinere A. weit über ihre Vorgänger hinausführten. Wie bisher, so zeichneten sich auch im 18. Jahrh. besonders Italiener (Pacchioni, Valsalva, Morgagni, Santorini, Mascagni, Cotunni) auf diesem Gebiete aus. Ihnen würdig zur Seite standen in Frankreich Winslow, Lieutaud, Bicq d'Azyr und Bichat; in England Cowper, Cheselden, Hunter, Cruikshank, Monro und Bell; in den Niederlanden Boerhaave, Albin, Camper, Sandifort. Auch Deutschland trat durch Haller sowie durch die beiden ältern Meckel auf glänzende Weise aus dem Dunkel hervor, um im 19. Jahrh. den ersten Rang einzunehmen. Auf der Grenzscheide der beiden Jahrhunderte finden sich die Namen eines Sömmering, Lodar, Blumenbach, Hildebrandt, Reil, Tiedemann, Bock und Seiler, welche fast sämtlich noch in enger Verbindung mit der praktischen Medizin standen, daher auch diese durch ihre anatom. Forschungen förderten. In dem ersten Jahrzehnt des 19. Jahrh. begann indessen wie überall in der Wissenschaft so auch hier eine Trennung, der zufolge der Anatom und Physiolog seinen eigenen Weg ging, fast unbekümmert um die praktische Medizin, so daß diese wenig Vorteil von den glänzenden Entdeckungen zog, welche jene machten, und die Anatomen selbst fast nur die mikroskopische A. ausbildeten. Jedoch machte sich die Notwendigkeit der Verbindung beider Wissenschaften sehr bald wieder geltend durch das seit neuerer Zeit mit besonderm Eifer betriebene Studium der pathologischen A., welche durch die bahnbrechenden Forschungen von Rokitansky, Virchow, Cohnheim, Klebs u. a. die wichtigste Grundlage der neuern Medizin geworden ist. Nachdem die mikroskopische A. längere Zeit fast ausschließlich die Thätigkeit der Anatomen in Anspruch genommen, haben sich neuerdings einzelne deutsche Naturforscher auch der gröbern Ä. wieder zugewandt.

Litteratur. Von Lehrbüchern der A. sind hauptsächlich zu nennen die von Hyrtl, Henle, Meyer, Hoffmann, Krause, Hollstein, Luschka, Geqenbaur, Hartmann, Birch-Hirschfeld, Orth; ferner die ältern von Meckel, Hildebrandt und Arnold; von den französischen die von Cruveilhier und Sappey. Ein Verzeichnis der wichtigsten ältern und neuem Werke über A. enthält Hyrtl's "Lehrbuch der A. des Menschen" (20. Aufl., Wien 1889). Von anatom. Bilderwerken sind am bekanntesten die von Weber, Arnold, Froriep, Bock, Henke, Henle, Heitzmann, Braune, Rüdinger, Obst, von Bardeleben. Unter den Zeitschriften sind hervorzuheben die von Hofmann und Schwalbe herausgegebenen "Jahresberichte über die Fortschritte der A. und Physiologie"; Archiv für A. und Entwicklungsgeschichte (hg. von His und Braune); Virchows Archiv für pathologische A. und Physiologie (Berl. 1847 fg.). Die Bedürfnisse des Künstlers berücksichtigen: Harleß, Lehrbuch der plastischen A. (2. Aufl. von Hartmann, Stuttg. 1876); Froriep, A. für Künstler (Lpz. 1880); Duval, Anatomie artistique (Par. 1881); Langer, A. der äußern Formen des menschlichen Körpers (Wien 1884); Roth, Plastisch-anatom. Atlas zum Studium des Modells und der Antike (2. Aufl., Stuttg. 1886); Brücke, Schönheit und Fehler der menschlichen Gestalt (Wien 1891); C. Schmidt, Wegweiser für das Verständnis der A. beim Zeichnen nach der Natur und der Antike (3. Aufl., Tüb. 1894).

Anatomisches Museum, Anatomisches Präparat, Anatomisches Theater, Anatomische Tafeln, s. Anatomie.

Anäugeln, s. Veredelung.

Anaxagoras, griech. Philosoph aus Klazomenä in Ionien, geb. um 500 v. Chr., kam mit 20 Jahren nach Athen. Kurz vor Ausbruch des Peloponnesischen Krieges wurde er wegen Gottlosigkeit angeklagt, verließ die Stadt und starb 428 in Lampsakos. Seine Naturerklärung ist wie die des Empedokles (s. d.) wesentlich chemisch: auch er behauptete die Unveränderlichkeit des ursprünglich gegebenen Stoffs. Während aber Empedokles noch mit vier Grundqualitäten auskam, nimmt A. alle unendlichen Qualitäten als ursprünglich an; und zwar sind in allem alle Qualitäten gemischt, nur nach dem überwiegenden schreiben wir dem einen Körper diese, dem andern jene Qualität zu. A. behauptet darum auch die unendliche Teilbarkeit nicht bloß des Raumes, sondern auch der Materie, leugnet das Leere und läßt den Raum von Materie kontinuierlich erfüllt sein. Die qualitativ unterschiedenen Teilchen der Materie hießen "Samen" oder Homöomerien (d. h. qualitativ gleichartige Teile). Als A.' größtes Verdienst gilt, daß er vom Stoff eine rein geistige Kraft, den Rus oder die Vernunft unterschied, aus der er alles Seelische und Vernünftige in der Welt erklärte. Sein Natursystem hat viel Ähnlichkeit mit denen der ältern Ionier, besonders des Anaximenes, läßt jedoch im einzelnen wichtige Fortschritte erkennen. So hält er die Gestirne für glühende Steinmassen, was er durch die