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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Annabergīt; Annabon; Annaburg; Annaglas; Annäherung; Annahme an Zahlungs Statt; Annalen

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Annabergit - Annalen.

Hohen Pöhlbergs und an der Linie Chemnitz-A.-Weipert der Sächsischen Staatsbahn, hat 3 ev. Kirchen (darunter die 1499-1518 erbaute St. Annenkirche) und 1 katholische, 1 Realschule erster Ordnung, 1 Gewerbeschule, 1 Schullehrerseminar, 1 landwirtschaftliche Winterschule, 1 ansehnliches Rathaus, 1 große Wasser- und 1 Gasleitung und (1880) 12,956 Einw. (527 Katholiken und 53 Juden). A. mit dem benachbarten Buchholz ist ein Hauptsitz der Posamentierwarenfabrikation sowie der Spitzenklöppelei im Deutschen Reich; außerdem ist wichtig die Fabrikation von Korsetten, Kartonagen, Knopf- und leonischen Waren, endlich der Bergbau auf Silber, Kobalt und Eisen. A. ist Sitz einer Amtshauptmannschaft und eines Amtsgerichts nebst Strafkammer sowie eines Hauptzollamts und eines amerikanischen Konsuls. Die Stadt verdankt ihre Entstehung dem Bergbau, der zu Ende des 15. Jahrh. in der dortigen Gegend, namentlich am Schrecken- und Schottenberg, sehr ergiebig war, und wurde 1496 durch Herzog Albrecht den Beherzten gegründet. Sie hieß anfangs die "Neue Stadt am Schreckenberg", den Namen A. gab ihr Kaiser Maximilian. Der Bergbau erreichte seine höchste Blüte im 16. Jahrh., wo sich die anfahrende Mannschaft zuweilen auf 2000 belief; seit dem Dreißigjährigen Krieg ist er sehr zurückgegangen. Im J. 1561 führte Barbara Uttmann (die 1575 in A. starb und seit 1834 ein Denkmal daselbst hat) die Spitzenklöppelei ein, und 1590 ließen sich zahlreiche aus Belgien vertriebene Posamentiere in A. nieder; beide wurden die Begründer der industriellen Bedeutung der Stadt. A. ist Geburtsort des Jugendschriftstellers Chr. Felix Weiße, zu dessen Andenken 1826 eine Waisenanstalt gegründet wurde; der bekannte Rechenmeister Adam Riese (gest. 1559) lebte als Bergschreiber daselbst.

Annabergīt, s. Nickelblüte.

Annabon, Insel, s. Annobom.

Annaburg (früher Lochau), Flecken im preuß. Regierungsbezirk Merseburg, Kreis Torgau, an der Linie Wittenberg-Kohlfurt der Preußischen Staatsbahn, mit Steingutfabrikation und (1880) 1644 Einw. Das dortige Schloß, ein besonderer Gutsbezirk mit 862 Einw., ist von Anna, der Gemahlin des Kurfürsten August I., 1572-75 erbaut worden und seit 1762 Sitz eines Militärknabeninstituts, in welchem gegenwärtig über 500 Zöglinge, Söhne deutscher invalider oder versorgungsberechtigter Militärpersonen evangelischen Bekenntnisses, vom 11. bis 15. Jahr unentgeltlich erzogen werden. Außerdem besteht noch eine Unteroffiziervorschule in neuer Kaserne. In der nahen Annaburger oder Lochauer Heide wurde 24. April 1547 der Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen nach der Schlacht bei Mühlberg gefangen genommen.

Annaglas, s. Uran, Uranglas.

Annäherung (lat. Approximation), mathematischer Ausdruck für solche Größenangaben, welche nicht ganz genau sind, sondern dem wahren Wert mehr oder weniger nahekommen. So ist 0,33 ein angenäherter für ⅓, 0,141 ein solcher für ^ 2 etc. Gemeine Brüche mit großem Zähler und Nenner lassen sich mittels der Kettenbrüche (s. d.) angenähert durch einfachere Brüche darstellen.

Annahme an Zahlungs Statt (Annahme an Erfüllungs Statt) liegt dann vor, wenn der Gläubiger damit einverstanden, daß ihm der Schuldner an Stelle der geschuldeten Leistung etwas andres leiste. Der Hauptfall der A. ist der, daß der Schuldner anstatt eines geschuldeten Geldbetrags eine andre Sache, einen Staatsschuldbrief, einen Wechsel, ein Grundstück etc., an Zahlungs Statt dem Gläubiger mit dessen Einwilligung übergibt. Eine Verpflichtung des Gläubigers, sich dies Surrogat der Zahlung gefallen zu lassen, besteht nicht, und der Grundsatz des Justinianischen Rechts, wonach Geldschuldner ihren Gläubigern unverkäufliche Grundstücke an Stelle der Barzahlung zum Taxwert aufnötigen konnten (datio in solutum, beneficium dationis in solutum), ist nicht mehr praktisch. Vgl. Römer, Die Leistung an Zahlungs Statt (Tübing. 1866).

Annalen (Jahrbücher, Annales libri), Bücher, worin die merkwürdigsten Begebenheiten in chronologischer Folge, nach Jahren abgeteilt, verzeichnet werden. Alle Geschichtschreibung hat mit solchen A. angefangen; die alten Ägypter, Assyrer und Perser und noch früher die Chinesen hatten ihre A. Die ältesten der Römer sind die von den Priestern abgefaßten Annales pontificum oder A. maximi, welche meist nur auf Religion und Kultus Bezügliches enthielten und bei der Eroberung der Stadt durch die Gallier zu Grunde gingen. Später, vorzüglich nach dem zweiten Punischen Kriege, gab es außer den neuen Priesterannalen auch sogen. Familien- (Annales gentium) und Konsularannalen (A. consulares), worin teils die Thaten ausgezeichneter Männer, teils wichtige Veränderungen in den innern und äußern Verhältnissen des Staats kurz aufgezeichnet waren. Die Konsularannalen wurden auf hölzerne, mit geleimter Leinwand überzogene Tafeln geschrieben und erhielten davon auch den Namen Libri lintei (Leinwandbücher). An der Spitze dieser römischen Annalenschreiber (Annalisten) erscheint Quintus Fabius Pictor (220 v. Chr.). Als sich im Augusteischen Zeitalter die Geschichtschreibung mehr ausbildete, ging nach und nach der Name A. auch auf solche geschichtliche Werke über, in welchen zwar die Berücksichtigung der Chronologie nach den einzelnen Jahren vorherrschte, sonst aber in Behandlung und Anordnung des Stoffs das höhere Prinzip der Geschichtschreibung vorwaltete; so die A. des Tacitus u. a. Vgl. Nitzsch, Die römische Annalistik (Berl. 1873). Die rohe Form der fast tabellarischen Aneinanderreihung der erzählten Ereignisse nach Jahren finden wir wieder im Mittelalter, doch führen die meist von Mönchen damals geschriebenen Geschichtswerke dieser Art häufig den Namen Chroniken. Sie beginnen in der Regel von Erschaffung der Welt oder von Christi Geburt, haben aber nur für das Zeitalter, in welchem sie abgefaßt wurden, historische Bedeutung. Die Sprache dieser Werke ist gewöhnlich ein inkorrektes Latein, welches in Italien seit dem 13. Jahrh., in Frankreich und Deutschland seit dem 14. bisweilen mit der Landessprache vertauscht wurde. Diese A. und Chroniken des Mittelalters sind mehrfach gesammelt worden: für Deutschland am vollständigsten von Pertz ("Monumenta Germaniae historica"), vgl. Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter (4. Aufl., Berl. 1877); für Italien von Muratori; für Frankreich von A. Duchesne und Bouquet; für Spanien von Eug. da Llaguno Amirola; für England von Commelin, Savile u. a.; für Dänemark von Langebek. In neuerer Zeit führten mehrere wissenschaftliche Zeitschriften, worin besonders eine historische Tendenz vorherrscht, den Namen A. Eins der einflußreichsten Werke dieser Art waren die "Europäischen", später "Politischen A.", hrsg. von Posselt seit 1795, zuletzt unter Rottecks Redaktion bis 1832, wo sie wegen angeblich revolutionärer Tendenz durch Bundesbeschluß verboten wurden.