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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Appert; Appertinenzien; Apperts Methode; Appetit

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Appert - Appetit

die in der Aufmerksamkeit und dem Willensimpuls sich äußernde innere Thätigkeit, die der Einheitlichkeit unsers Selbstbewußtseins ebenso zu Grunde liegt, wie aller Bewegung des Gemütslebens und der höhern Geistesarbeit. "Besonders wichtig ist der Begriff A. für die Herbartianer (Steinthal, Lazarus); hier bedeutet er die Gesamtheit aller seelischen Vorgänge, die gemeinsam eine Erkenntnis herstellen. Neue Erkenntnisse werden danach in jedem Falle unter Mitwirkung ganz bestimmter schon vorhandener Vorstellungen geschaffen, und Aufgabe der Psychologie ist es, festzustellen, welche vorhandenen Vorstellungen in jedem Fall wirksam werden und wie die Wirkung erfolgt. Beispiel: Wird eine Mineraliensammlung von einem Fachmann und einem Laien gleich lange besichtigt, so kann der Laie nachher nur wenige Stücke, der Fachmann dagegen die meisten beschreiben. Da sind also die meisten Sinneswahrnehmungen von der Seele des Laien spurlos abgeglitten, in die des Fachmannes dagegen ihrem ganzen Inhalt nach aufgenommen (appercipiert) worden. Da sich nun in Beziehung auf die Sammlung der Fachmann vom Laien lediglich durch die bessere Ausbildung der mineralog. Vorstellungen unterscheidet, so ist anzunehmen, daß in diesem Falle gerade diese Vorstellungen die Sinneswahrnehmungen aufzunehmen, die A. zu vollziehen haben. Da nun ähnliche Verhältnisse bei allen seelischen Vorgängen nachweisbar sind, so ist A. der Hauptbegriff der Psychologie. Als die physiol. Begleiterscheinung der A. werden Erregungen in den Stirnregionen des Großhirns angenommen, die durch Leitungsbahnen mit den sensorischen und den motorischen Centren in Verbindung stehen. - Vgl. Kodis, Zur Analyse des Apperceptionsbegriffes (Berl. 1893).

Appert (spr. appähr), Benjamin Nicolas Marie, philanthropischer Schriftsteller, geb. 10. Sept. 1797 zu Paris, wirkte erfolgreich für die Einführung der Methode des gegenseitigen Unterrichts, zuerst 1816 im Norddepartement, nachher in den Hospitälern und Regimentsschulen, sodaß er 1818 nach Paris berufen wurde, um hier für die Offiziere und Unteroffiziere einen Normalkursus zu eröffnen. 1820 errichtete er eine Schule in dem Militärgefängnisse von Montaigu, die er bis 1822 unentgeltlich leitete. A. unternahm 1825 eine Reise durch ganz Frankreich, um sich über die Gefängnisse, Schulen und öffentlichen Wohlthätigkeitsanstalten zu unterrichten, und gründete das "Journal des prisons", das er 1825-30 herausgab. Seit 1840 war er fast fortwährend auf Reisen im Auslande. Seine Beobachtungen legte er nieder in den Schriften "Voyage en Belgique" (2 Bde., Brüss. 1849), "Voyage en Prusse" (Berl. 1847) und "Hambourg, ses prisons et hospices" (Hamb. 1850; deutsch ebd. 1850). Diesen schlossen sich in deutscher Sprache an: "Die Gefängnisse, Spitäler u. s. w. in Österreich, Bayern, Preußen, Sachsen, Belgien" (3 Bde., Wien 1851-52) und "über Wohlthätigkeits- und Strafanstalten" (Lpz. 1853), in denen er sich als scharfen Gegner des Isolierungssystems bekundete; "Die Geheimnisse des Verbrechens, des Verbrecher- und Gefängnislebens" (2 Bde., ebd. 1851), "Guter Rat an meine armen Freunde, die Gefangenen" (Berl. 1850) und "Ratschläge für Direktoren, Geistliche und Ärzte von Gefängnissen "(Hamb. 1851). Außerdem sind von A.s Schriften noch zu nennen: "Traité d'éducation élémentaire pour les prisonniers" (1822), "Bagues, prisons et criminels" (4 Bde., Par. 1836), "Dix ans à la cour du roi Louis-Philippe" (3 Bde., Berl. 1846; deutsch von Plötz, ebd. 1846) und "Voyage dans les Principautés Danubiennes" (Mainz 1854).

Appertinenzien (lat.), Zubehör.

Apperts Methode zur Konservierung von Fleisch und animalischen wie vegetabilischen Nahrungsmitteln überhaupt besteht wesentlich in Folgendem: Die Speisen, völlig zum Genusse zubereitet, werden in Weißblechbüchsen gefüllt. Nachdem die Gefäße bis auf eine kleine Öffnung verschlossen sind, werden sie in kochendem Salzwasser je nach ihrer Größe ½-4 Stunden lang etwas über 100° C. erhitzt, worauf man sie luftdicht verschließt und zur Aufbewahrung hinstellt. Dieses Verfahren wurde von François Appert bereits 1804 ausgeübt und 1809 der Gesellschaft zur Ermunterung der Künste in Paris mitgeteilt, die dasselbe durch eine Kommission prüfen ließ. Hierbei wurde nachgewiesen, daß gekochtes Fleisch mit Brühe, starke Fleischbrühe, Milch, Molken, grüne Erbsen, Bohnen, Kirschen, Aprikosen nach achtmonatiger Aufbewahrung sich vollkommen gut erhalten hatten. Die franz. Regierung erteilte demzufolge dem Erfinder einen Preis von 12 000 Frs. unter der Bedingung, daß er seine Methode ausführlich veröffentliche; dies geschah 1810 in einer Schrift: "Le livre de tous les ménages, ou l'art de conserver pendant plusieurs années toutes les substances animales et végétales" (5. Aufl., Par. 1834: deutsch Prag 1844). In Einzelheiten ist das Verfahren durch Fastier, Gunter, Willaumez, Jones u. a. abgeändert und verbessert worden. Bei Jones' Methode werden die Büchsen, während sie in dem kochenden Bade stehen, luftleer gemacht. Der angebliche Vorteil dieser Methode liegt darin, daß kein so starkes Kochen des Fleisches erforderlich ist, wodurch das Fleisch schmackhafter bleibt; mit der Verkürzung der Kochdauer wird aber auch zugleich die Haltbarkeit der Konserven gefährdet, so daß der Wert des Jonesschen Verfahrens zweifelhaft erscheint. Spätere Erfahrungen bestätigten aufs glänzendste den Wert der Appertschen Erfindung, die für lange Seereisen und ähnliche Gelegenheiten ebenso wichtig ist als für den gewöhnlichen Haushalt, wo der Verbrauch der Fleischkonserven bereits außerordentlich zugenommen hat. Die Wirkung des Appertschen Verfahrens beruht hauptsächlich auf der vollständigen Vernichtung aller Keime von Gärungs- und Fäulniserregern. Da die Fäulnisbakterien zum Teil erst nach längerm Kochen getötet werden, und da es bei großen Massen von zu konservierendem Material lange Zeit dauert, bis alles gleichmäßig erhitzt wird, so ist eine dauernde Erhitzung dringend geboten. Auf demselben Princip wie A. M. beruht das Pasteurisieren (s. d.) von Wein und das Scherf-Soxhletsche Verfahren zur Konservierung der Milch in Flaschen.

Appetit (lat., d. h. Begierde) nennt man einerseits den mäßigen Grad des Hungers, die Eßlust; andererseits und richtiger das Gefühl, das uns den Genuß eines bestimmten Stoffs wünschenswert macht. Der A. gehört zu den sog. Gemeingefühlen (s. d.). Als bloße Eßlust ist der A. ganz allgemein auf alles Eßbare überhaupt gerichtet, während er in dem andern Sinne mehr als ein Gelüst auftritt, welches sich auf Dinge richtet, die den Geschmacksnerven angenehm sind, daher er sich oft gerade dann am eigentümlichsten entwickelt, wenn der Hunger und die eigentliche Eßlust gestillt sind. Häufig bekommt man nach zu reichlicher Mahlzeit, nach sehr fetten,