Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Baumwolle'
derselbe Boden das Produkt nicht immerfort liefern kann.
Unteritalien, wo die Baumwollkultur von langer Hand her besteht,
produzierte auch in der Krisis nur sein gewöhnliches Quantum
von etwa 100000 Ballen, obschon man ihm das Fünffache zutraute.
Ein großer Teil des Erzeugnisses der Mittelmeerländer wird
übrigens für den einheimischen Bedarf verbraucht, und zur
Zuführung starker Massen in die große Fabrikation erscheinen
sie in mehrfacher Hinsicht ungeeignet. Bemerkt muß indes noch
werden, daß aus verschiedenen Gegenden der Alten und Neuen
Welt Proben schönerer Erzeugnisse als sonst geliefert worden
sind, zum Beweis, wie sehr verbesserte Kultur und Behandlung
dieses Naturprodukt zu veredeln vermögen. Die hauptsächlich
marktgängigen Sorten sind nachstehend verzeichnet und von den
feinsten und teuersten bis zu den geringsten geordnet: lange
Georgia (Sea Island), ägyptische Mako und Bourbon, Pernambuco,
Louisiana, Cayenne, Neuorleans, kurze Georgia (Up land),
Surate, Bengal und Alexandriner. Der Verbrauch der B. betrug
in den Jahren 1875-78 im Ganzen 1421 Millionen Kilo. - Zollfrei,
auch wenn sie bereits gekämmt od. gefärbt ist.
Baumwollgarne. Durch das Verspinnen
zu Garn wird die Baumwolle in ein Halbfabrikat verwandelt, das
in unsern heutigen Fabrikationszuständen schon an sich einen
bedeutenden Handelsartikel ausmacht und fast ohne Ausnahme das
Produkt besonderer mechanischer Spinnereien ist, während noch
vor 120-130 Jahren, als das Spinnen und Weben sich lediglich
noch in den Schranken der Hausindustrie bewegte, in den meisten
Arbeiterhütten zugleich gesponnen und gewebt wurde. Damals
hatten die Weber beständige Not um Garn, das die Familien und
die Lohnspinnerinnen selten in genügender Menge liefern konnten,
und als 1733 John Kay mit seiner Erfindung des Schriellschützen
auftrat, durch welchen die Herstellung der Gewebe in doppelter
Breite und Menge ermöglicht wurde, mußte dies den Garnmangel
verdoppeln. Bis fast zum Beginn des 19. Jahrhunderts wurde
die Baumwolle ausschließlich mit der
Handspindel oder auf dem
Handrade versponnen. Das Handrad
führt den Namen nach dem leichten von der Hand zu drehenden
Rade, welches mittelst einer umgelegten Schnur die liegende
Spindel in Umdrehung versetzt. An die letztere wurde der Faden
angeknüpft. Dreht die Spinnerin das Rad mit der rechten Hand
und führt dem Faden mit der linken Hand bei gleichzeitiger
Ausstreckung des Armes immer neue Fasern aus dem Vorrat (Rocken,
Wocken) zu, so erteilt die Spindel dem neugebildeten Fadenstücke
Drehung. Dabei ist vorauszusetzen, daß der Faden in schräger
Richtung nach vorn von der Spindelspitze abläuft. Kann die
linke Hand nicht weiter, so führt sie den Faden so, daß er
senkrecht gegen die rotierende Spindel anläuft, wodurch das
Aufwickeln des gesponnenen Stückes erfolgt. Der Spinnprozeß
zerfällt hiernach in drei Hauptteile. Das
Ausziehen, d. i. das
Aneinanderstoßen der kurzen Fasern zu einem runden gleichmäßigen
Faden; das Zusammendrehen,
das eigentliche Spinnen; das Aufwickeln
des fertigen Fadenstückes. Zusammendrehen
↔
und Aufwickeln boten bei Einführung der Maschinenspinnerei
verhältnismäßig geringe Schwierigkeiten. Das von dem
Braunschweiger Jürgen 1530
erfundene Trittrad mit Flügelspindel diente den ersten
Spinnmaschinen, unseren heutigen Watermaschinen (so genannt,
weil die ersten mechanischen Spinnereien durch Wasserkraft
getrieben wurden) zum Vorbild. Viel größere Schwierigkeiten
verursachte es dagegen, das Ausziehen
durch Maschinen besorgen zu lassen. Die Thätigkeit der Finger,
welche durch das in den Spitzen konzentrierte feine Gefühl
hervorragend befähigt sind zur Bildung eines gleichmäßig
dicken Fadens, ließ sich nicht leicht und nur auf einem
umständlichen Wege auf mechanische Weise ersetzen. - In der
Geschichte der Maschinenspinnerei leuchten vor allen vier
Namen in hervorragendster Weise, deren Träger um die Einführung
das größte Verdienst besitzen: John
Wyatt, Richard Arkwright,
James Hargreaves und
Samuel Crompton.
Wyatt erfand 1730 das
Streckwerk, welches das Ausziehen besorgt. Die Baumwolle ließ
er in Form von Watte oder Wattebändern durch mehrere dicht
hinter einander stehende Walzenpaare gehen. Das erste Paar
zieht die Watte mit bestimmter Geschwindigkeit ein, das zweite
läuft schneller als das erste, das dritte schneller als das
zweite, so dass eine beträchtliche Verfeinerung (Streckung)
schon bei einmaligem Durchgange eintritt. Die bis dahin noch
wirr durcheinander liegenden Fasern werden dabei geordnet, d.
h. parallel zu einander und zur Bewegungsrichtung des Bandes
gelegt. Arkwright kombinierte
in höchst geistreicher eigentümlicher Weise Wyatt's Streckwerk
mit Jürgen's Flügelspindel und schuf dadurch die erste praktische
kontinuierlich spinnende Maschine 1769. Er ist der „Schöpfer
der Baumwollspinnerei“. Bei seiner Maschine wird der Faden
unmittelbar, nachdem er das Streckwerk durchlaufen hat, von
einer stehenden Flügelspindel (Drossel) zusammengedreht und
wie bei dem Flachsrade auf eine auf der Spindel steckende
Spule aufgewunden. Auf Arkwright's Watermaschine
lassen sich aber, da der Faden während des Spinnens stark gespannt
wird, nur gröbere, stark gedrehte Garne spinnen. Weiche schwach
gedrehte Garne mit Maschinen herzustellen gelang zuerst
Hargreaves (1774-1779).
Er brachte eine Anzahl Spindeln auf einem Wagen an. Sobald
dieser ausfuhr, zogen die Spindel das dochtartige, kein Streckwerk
durchlaufende Vorgarn heraus. Noch ehe der Wagen das Ende
seines Weges erreicht hatte, wurden die Fäden durch eine Presse
eingeklemmt und erhielten durch die in Drehung gesetzte Spindel
Draht und durch den noch ein Stück ausfahrenden Wagen Streckung.
Der Grad der Drehung kann hier beliebig gewählt werden.
Hargreaves benannte diese Maschine nach einer seiner Töchter
Jennymaschine. Sie spinnt
mit Unterbrechung. Nachdem ein Fadenstück gleich der Länge des
Wagenweges gesponnen ist, erfolgt während der Einfahrt des
Wagens das Aufwinden. Durch Kombination der Jenny mit Wyatt's
Streckwerk schuf Crompton von 1774 bis 1779 die
Mulemaschine (Mulejenny). (Mule
Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 40.