Schnellsuche:

Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Besitzeinweisung; Besitzerwerb; Besitzklagen

880

Besitzeinweisung - Besitzklagen

den B. mehrere nicht zugleich an der ganzen Sache haben. Besitzen mehrere, wie etwa die hinterlassenen Erben, eine Sache zusammen, so gilt der B. unter ihnen nach der Auffassung des Gemeinen Rechts als nach Bruchteilen aufgeteilt, wie entsprechend das Eigentum. Das ist nur dann anders, wenn die Mehrern zusammen eine Kollektivgesellschaft oder eine jurist. Person bilden. Die Offene Handelsgesellschaft, die Aktiengesellschaft, die Genossenschaft, die Korporation, der Staat und die Gemeinde bilden eine ungetrennte Einheit, welcher wie einer Einzelperson der B. ungeteilt zusteht. Das versteht sich bei Gütern, welche die Korporation für ihre Zwecke durch ihren Vorstand nützt und verwaltet, von selbst. Es ist aber auch nicht anders bei solchen Gütern, welche wie die Allmende (s. d.) von den einzelnen Mitgliedern der Gemeinde für ihre persönlichen Zwecke genutzt werden. Wie ferner das Eigentum eingeschränkt wird durch Dingliche Rechte (s. d.), z. B. durch Dienstbarkeiten, so können auch an einem Grundstück oder an einer andern Sache, welche von dem Eigentümer oder von jemand, welcher nicht Eigentümer ist, besessen wird, Handlungen ausgeübt werden, welche sich als Ausübung eines dinglichen Rechts darstellen, so daß an derselben Sache zugleich ein Sachbesitz und ein denselben einschränkender Rechtsbesitz ausgeübt wird. Über den B. im Völkerrecht s. Besitzstand.

Litteratur. Savigny, Das Recht des B. (7. Aufl., Wien 1865); Bruns, Das Recht des B. im Mittelalter und in der Gegenwart (Tüb. 1848); Meischeider, B. und Besitzschutz (Berl. 1876); Randa, Der B. nach österr. Recht (3. Aufl., Lpz. 1879); Ihering, Über den Grund des Besitzschutzes (2. Aufl., Jena 1869); ders., Beiträge zur Lehre vom B. (ebd. 1868); ders., Der Besitzwille (ebd. 1889); Kuntze, Zur Besitzlehre (Lpz. 1890); Schuppe, Das Recht des B. (Bresl. 1891).

Besitzeinweisung. Die B. durch die Staatsgewalt erfolgt, wo auf Grund der staatlichen Gewalt Eigentum an Grundstücken übertragen wird, so bei der Enteignung, Subhastation, bei der Zusammenlegung von Grundstücken im Separationsverfahren, wo die ausgewiesenen neuen Pläne den einzelnen Besitzern zugewiesen werden; im Zwangsvollstreckungsverfahren, wenn der Schuldner eine unbewegliche Sache oder ein bewohntes Schiff zu überlassen hat. Hier erfolgt die B. durch den Gerichtsvollzieher (Civilprozeßordn. §. 771). Ob die B. an Ort und Stelle geschieht, entscheidet sich nach den einzelnen Gesetzen. An sich ist das nur erforderlich, wenn Widerstand erfolgt, sonst genügt der obrigkeitliche Befehl, mit dessen Ausführung (Besitzergreifung) dem Eingewiesenen der Besitz erworben wird. Im röm. Recht war die Missio in possessionem, welche ein Pfandrecht gab, noch in andern Fällen angewendet, z. B. gegen einen abwesenden Schuldner, bei Versäumnisurteilen. Das ist heute veraltet. Über die B. nach dem Carbonianum edictum s. d.

Besitzerwerb und -Verlust. Der Besitz einer bis dahin von einem andern nicht besessenen Sache wird dadurch erworben, das; sie jemand mit dem Willen zu besitzen an sich nimmt, Grundstücke in Besitz nimmt (Occupation). Wenn die Sache bereits von jemand besessen wurde, wird der Besitz 1) dadurch erworben, daß der bisherige Besitzer die Sache einem andern übergiebt, sich des Besitzes zu Gunsten des andern entledigt, welcher dann den Besitz übernimmt (traditio, Übergabe). Die Übergabe kann auch so geschehen, daß der bisherige Besitzer Stellvertreter des Erwerbers wird und seinen Besitz als Innehabung für diesen fortsetzt, z. B. der Verkäufer mietet oder pachtet vom Käufer und bleibt so in der Innehabung, aber erkennt den Käufer als Herrn (jurist. Besitzer) der Sache an (constitutum possessorium). Verkauft der bisherige jurist. Besitzer an seinen Pächter, welcher das Grundstück innehat, so bedarf es keiner besondern Übergabe. Der Pächter, welcher bisher für den Verpächter innehatte, erwirbt dadurch den Besitz, daß er zufolge des Kaufs von jetzt ab die Sache als Herr hat und haben will (traditio brevi manu, Übergabe kurzerhand). Bei der körperlichen Übergabe ist nicht gerade erforderlich, daß dem Erwerber bewegliche Sachen in die Hand gegeben, daß das Grundstück sofort von dem Erwerber beschritten wird. Es genügt ein Verhalten der Parteien, aus welchem erhellt, daß der bisherige Besitzer den Besitz aufgegeben hat und der neue mit dem Willen für sich zu besitzen auch die Fähigkeit erlangt hat, über die Sache zu verfügen (traditio longa manu, Übergabe langerhand). Der Besitz kann aber 2) auch dadurch erworben werden, daß eine Sache dem, welcher sie besitzt, genommen wird, mit Gewalt oder heimlich. Der Besitzer kann sie dann zwar von dem, welcher ihn aus dem Besitz gesetzt hat, klagend zurückfordern. Vorläufig hat aber der bisherige Besitzer den Besitz verloren und der andere ihn erworben. Für Grundstücke ist das besondere Gesetz geschrieben, daß der Besitz nicht schon dadurch verloren, also von dem Dritten nicht schon dadurch erworben wird, daß dieser sich hinter dem Rücken des Besitzers in den Besitz setzt. Sonst wird der Besitz verloren, wenn der Besitzer nicht mehr in dem körperlichen Verhältnis steht, über die Sache beliebig in Person oder durch einen andern verfügen zu können, oder wenn der Besitzwillen aufgegeben und dieser Verzicht ausgeführt wird.

Besitzklagen, Besitzrechtsmittel, Klagen, die zum Teil zur Erhaltung eines gegenwärtigen, zum Teil auch zur Wiedererlangung eines verlorenen Besitzes dienen. Die erstere Art, bei den Römern das interdictum uti possidetis (bei Grundstücken) und utrubi (bei beweglichen Sachen), heutzutage die ordentliche Besitzklage (possessorium ordinarium), wird veranlaßt durch wörtliche oder thätliche Störung des Besitzes, geht auf Anerkennung des Besitzes, Verbot fernerer Störungen, Schadenersatz und ist nur innerhalb eines Jahres zulässig. Wenn Besitzhandlungen beider Teile vorliegen, wird der geschützt, welcher die ältesten Besitzhandlungen nachweisen kann, unter der Voraussetzung, daß er seitdem den Besitz nicht verloren hat. Hatte der Kläger den Besitz von dem Beklagten fehlerhaft erlangt, d. h. mit Gewalt (vi), heimlich (clam) oder auf Widerruf (precario), so wird er abgewiesen. Der Schutz im jüngsten Besitz, das Summariissimum, ist durch die Deutsche Civilprozeßordnung beseitigt.

Zur Wiedererlangung verlorenen Besitzes diente bei den Römern das interdictum unde vi, seit dem Mittelalter die Spolienklage, für welche der Grundsatz gilt: spoliatus ante omnia est restituendus, d. h. wer gewaltsam aus dem Besitz gesetzt ist, darf vor allem die Wiedereinsetzung in den Besitz fordern. Sie steht auch dem Pächter oder Mieter und dem Entsetzten auch gegen den Dritten zu, welcher den Besitz von dem, der ihn gewaltsamerweise weggenommen, mit dem Bewußtsein jener Weg-^[folgende Seite]