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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Bewegungen; Bewegungsempfindungen; Bewegungsenergie; Bewegungsgröße; Bewegungsmechanismus

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Bewegungen - Bewegungsmechanismus

welches zu diesem Behufe nach allen der Zusammenziehung fähigen Gebilden (Muskeln) des Körpers hin feine Fasern, die Bewegungs- oder motorischen Nerven, von dem centralen Nervensysteme aussendet und vermittelst der sog. Nervenerregungen, welche wahrscheinlich im Wesen mit der elektrischen Reizung zusammenfallen, die Verkürzung der Muskelzellen auslöst. Durch diese Auslösung wird auch die B. für den Physiologen das Maß der Empfindung. Sogar in dem frisch getöteten Tiere erfolgt durch Reizung dieser Nervenfäden (z. B. mittels Stoß, Quetschung, Hitze, chem. Substanzen, Elektricität) eine Zusammenziehung der Muskeln, in welche jene Fäden endigen. Man unterscheidet gewöhnlich zwischen willkürlichen B., welche durch einen vom Centralorgan ausgehenden, direkten Reiz, eine Willensäußerung, ausgelöst werden, und Reflexbewegungen (s. d.), welche auch ohne Bewußtsein, infolge von Reizungen der sensiblen Nerven ausgeführt werden, also eine direkte Übertragung des Reizes auf die Bewegungsnerven darstellen. Diese Übertragung geschieht in den Centralorganen, und am leichtesten, wenn das Sensorium in seiner Thätigkeit gehemmt oder entfernt ist, also z. B. bei schlafenden oder geköpften Tieren. Eine wesentliche Rolle spielen weiter diejenigen B., welche, wie die Herz- und Darmbewegungen, gänzlich dem direkten Einflusse des Willens entzogen sind und wo die Quelle der Reizung, welche die B. veranlaßt, nur teilweise in dem Centralorgan, teilweise aber auch in den zerstreuten Nervencentren (Ganglien) des sympathischen Nervs liegen. Bei den niedern Tieren, besonders bei den Infusorien, teilweise bei Polypen, Quallen, Würmern, sowie bei den Eiern und Embryonen vieler, auch höherer Tiere, wird die Ortsbewegung und vielleicht auch gleichzeitig der mechan. Stoffwechsel durch die Zusammenziehung des die weiche Leibesmasse dieser Organismen bildenden sog. tierischen Protoplasma bedingt, sowie durch feine haarförmige Fortsätze aus Protoplasmasubstanz (die sog. Wimpern oder Cilien), welche sich auf der äußern Leibesoberfläche befinden und entweder stets oder zeitweise in schwingender, teilweise sichtlich unter dem Einflusse des Willens stehender B. begriffen sind.

Über B. im Pflanzenreich s. Pflanzenbewegung.

Bewegungen (Evolutionen). Die B. geschlossener Truppenkörper bezwecken entweder 1) einfache Ortsveränderung vorwärts oder rückwärts, dies erfolgt durch den Frontmarsch (s. d.); oder 2) Veränderung der bisherigen Front, durch Schwenkungen (s. d.); oder 3) Veränderungen der Formation, darunter besonders wichtig der Übergang aus der Linie in die Kolonne und aus der Kolonne in die Linie.

Der Übergang aus der Linie in die Kolonne kann erfolgen durch die Wendung, durch Abbrechen, durch Abschwenken und durch Hintereinanderschieben (Ployieren). Der Übergang aus der Kolonne in die Linie erfolgt entsprechend durch die Wendung, durch Aufmarsch, durch Einschwenken und durch Auseinanderziehen oder Deployieren. Ist die Kolonne auf eine der vier genannten Arten nach rechts gebildet worden (d. h. durch Rechtswendung, Rechtsabbrechen, Rechtsabschwenken, Rechtsployieren), so muß sie sich nach der entgegengesetzten Seite entwickeln (d. h. in obigem Fall durch Linkswendung, Linksaufmarschieren, Linkseinschwenken, Linksdeployieren), wenn die Linie wieder normal hergestellt werden soll; entwickelt sich die Kolonne nach derselben Seite zur Linie, nach der hin sie gebildet worden, so wird die Linie in der Inversion gebildet. - In frühern Zeiten betrachtete man eine zur Inversion führende Bewegung, weil die gewohnte normale Ordnung der Truppe störend, als ein wenn irgend möglich zu vermeidendes Übel; die modernen Anschauungen legen auf den Unterschied zwischen normaler Ordnung und Inversion keinen Wert und verlangen, daß es für eine Truppe ganz gleichgültig sein soll, ob sie sich in der normalen Ordnung oder in der Inversion befindet.

Bewegungsempfindungen, die bei der Ausführung irgendwelcher Körper- oder Gliederbewegungen oder in der Erinnerung an dieselben auftretenden Empfindungen. Sie verdanken teils den Augen, teils den bewegten Körperteilen ihre Entstehung. Träger der B. in den Körperteilen (kinästhetische Organe) sind nicht, wie man bisher glaubte, die Muskeln, sondern nach dem theoretischen Nachweise von G. E. Müller und dem experimentellen von A. Goldscheider die Gelenke. Die Empfindlichkeit derselben bildet auch für die nicht optischen Vorstellungen und Urteile über die Lage und Stellung unserer Glieder die Grundlage. Auf Grund gewisser Erfahrungsthatsachen werden die B. als eine besondere Klasse von den Lageempfindungen beim Auge und bei den Gelenken unterschieden. S. Exner hat gefunden, daß der Rand der Netzhaut für die Auffassung von Bewegungen besonders befähigt ist. Die Innervationsempfindungen, die man früher als eine eigene Klasse die motorische Innervation begleitender Empfindungen ansah, faßt man jetzt als reproduzierte Bewegungsempfindung auf.

Bewegungsenergie, s. Energie.

Bewegungsgröße oder Bewegungsquantität, bei Descartes das Produkt aus der Masse und der Geschwindigkeit eines Körpers. Descartes war der Meinung, daß die Summe aller B. in der Welt unverändert bleibt, was jedoch nach Huyghens nur zutrifft, wenn man entgegengesetzt gerichtete Geschwindigkeiten mit entgegengesetzten Zeichen in Rechnung bringt. Nach Newton kann durch die Gegenwirkung (s. d.) der Körper deren B. nicht geändert werden, worauf auch die Erhaltung des Schwerpunktes (s. d.) beruht. Beispiele für die Erhaltung der B. bietet der elastische Stoß (s. d.). Descartes hat durch seine Aufstellung, wenngleich sein Gedanke und auch dessen Begründung nicht ganz zutreffend war, eine große Anregung gegeben, die schließlich zur Aufstellung des Satzes der Erhaltung der Energie (s. d.) geführt hat. Über die Berechnung der B. aus der Kraft und deren Wirkungsdauer s. Antrieb.

Bewegungsmechanismus, Mittel zur Übertragung und Abänderung der Bewegung, bestehend in einer in sich zurücklaufenden Kette von Einzelkörpern, von denen einer das Gestell bildet, und die einander in ihrer gegenseitigen Beweglichkeit so weit beschränken, daß, wenn Bewegung überhaupt eintritt, diese für jeden einzelnen der die Kette oder den Mechanismus bildenden Körper in Bezug auf jeden andern eine durch die Art der Verkettung eindeutig bestimmte, oder, wie man sich nach Reuleaux meist auszudrücken pflegt, eine zwangläufige ist. Die geringste Zahl von Gliedern, die eine derartige Verkettung haben kann, ist nach dem Obigen zwei, und in diesem einfachsten Falle nennt man dieselbe ein Paar und die dasselbe bildenden Glieder die Elemente desselben. Häufiger vorkommende Formen derartiger einfachster, nur aus einem Paare