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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Blutunterlaufung - Blyde

alter. Der Mangel an Widerstand ist es auch, welcher beim Ersteigen hoher Berge das Austreten des Blutes aus Nase, Mund, Ohren u.s.w. herbeiführt, indem mit der Entfernung von der Erdoberfläche sich die Dichtigkeit und der Druck der Atmosphäre vermindern, während die mit dem Aufsteigen verbundene Anstrengung den Blutumlauf, besonders in der obern Körperhälfte, befördert. Dagegen bringen vermehrter Druck und Dichtigkeit der Atmosphäre Kongestion zu innern Teilen, besonders der untern Körperhälfte und somit auch B. aus denselben hervor. Überhaupt kann alles, was Blutandrang (s. d.) in einem Organ herbeizuführen vermag, auch B. hervorrufen; so geistige und körperliche Aufregungen, erhitzende Speisen und Getränke u. s. w.

Der Verlauf der B. ist meist schnell, seltener in Absätzen in die Länge gezogen. Äußere B. sind in der Regel leicht zu erkennen. Wenn das Blut in nur mäßigem Strome aus der Wunde rieselt, so sind nur kleine Blutgefäße (Haargefäße) verletzt; fließt dunkelrotes (schwarzes) Blut in gleichmäßigem Strom aus der Wunde und wird die B. durch Druck oberhalb der Wunde verschlimmert, dann stammt die B. aus einer größern Blutader (Vene); wird aber hellrotes Blut in starkem Strahle und absatzweise aus der Wunde hervorgespritzt, dann ist eine Schlagader (Arterie) verletzt und Lebensgefahr vorhanden. Das entleerte Blut ist entweder rein oder es ist mit dem Inhalte der Kanäle gemischt, durch welche es nach außen gelangte, also mit Luft, Schleim, Magensaft, Harn oder Kot; häufig kommt es nicht flüssig, sondern schon geronnen, in größern Klumpen oder Stücken nach außen. Die Genesung, d. h. das Aufhören der B., erfolgt, indem sich die verletzte Gefäßstelle zusammenzieht und sich durch Gerinnung des Blutes ein Blutpfropf (Thrombus) bildet, welcher die Öffnung verschließt und später eine organische Verwachsung der Gefäßwandungen bewirkt. (S. Thrombose.) Wo die B. sehr heftig oder aus einem edeln Organe stattfindet, tritt nicht selten eine Ohnmacht ein, wobei die B. wegen des matt werdenden Herzschlags gleichfalls zum Stehen gebracht wird, aber auch der Tod durch Verblutung nachfolgen kann. Meist gehen der Ohnmacht und der Verblutung Blässe der Haut und der sichtbaren Schleimhäute, Spitzwerden der Nase, kalter Schweiß, Schwindel, Schwarzsehen, Phantasieren, Übelkeit und Krämpfe verschiedener Art vorher. In diesen Fällen bleiben, auch wenn das Leben gerettet wird, stets die Zeichen der Blutleere zurück. Die Haut nimmt eine Wachsfarbe an, fühlt sich kühl an; der Kranke kann sich kaum erwärmen, ist muskelschwach, der Herzschlag ist häufig, aber matt, der Puls kaum fühlbar, und es können selbst unter günstigen Verhältnissen viele Wochen vergehen, ehe das verlorene Blut wieder völlig ersetzt ist. Die innern B. töten entweder durch Verblutung und ihre Folgen oder durch den Druck, den sie auf ein wichtiges Organ üben; besonders die Hirnblutungen durch sog. Blutschlagfluß oder durch die nachfolgende Entzündung und deren Folgen (Eiterung, Erweichung des Gehirns u. s. w.). Nach der Menge des entleerten Blutes, welche von wenigen Tropfen bis zu mehrern Pfunden betragen kann, sowie nach der Zeit, innerhalb welcher der Blutverlust stattfindet, richtet sich die Größe der Gefahr der B. für den Organismus: beim Erwachsenen bewirkt der schnelle Verlust von 1 kg Blut schon Ohnmacht und die übrigen Zeichen der akuten Blutleere, der Verlust von 2 bis 3 kg plötzlichen Tod; bei Neugeborenen wirkt schon der Verlust von 60 bis 70 g tödlich. Frauen vertragen große Blutverluste leichter als Männer. Einen günstigen Einfluß auf den zeitweiligen Körperzustand äußern manche örtliche B. bei vorhandenen Wallungen und Blutstauungen; so verschwinden gewisse Formen des Kopfschmerzes bei eintretendem Nasenbluten und die Kreuz- und Rückenschmerzen der Härmorrhoidarier nach eingetretener Hämorrhoidalblutung. Auch die sog. vikariierenden B., z. B. der Nase bei ausbleibender Menstruation, wirken im allgemeinen günstig.

Die Behandlung der B. im Anfall verlangt vor allem ruhige Lagerung des Kranken, mit Erhöhung des blutenden Teils; ferner Lösung aller beengenden Kleider, kühle, reine Luft, meist auch kühle und säuerliche Getränke, wie Citronen- oder Essiglimonaden, Cremor Tartari, niederschlagende Pulver; wo es angeht, Anwendung der Kälte durch Eispillen, Eiswasser, Kaltwasser- oder Eisumschläge. Bei B. aus größern Arterien versuche man bis zur Ankunft des Arztes die B. dadurch zu stillen, daß man den gutgereinigten Daumen oder einen andern saubern Gegenstand, der gerade zur Hand ist (Wattebäuschchen, in kaltes Wasser getauchte Leinwandballen u.dgl.), fest und kräftig auf die blutende Wunde aufdrückt oder einen gut anschließenden Verband aus Verbandwatte oder reinen weichen, mit blutstillenden Mitteln (Alaun, Tannin, Eisenchlorid) getränkten Leinwandstücken anlegt, oder endlich den blutenden Körperteil vermittelst Tüchern, Binden oder elastischen Gurten fest oberhalb der verletzten Stelle umschnürt. Es ist hierbei zweckmäßig, das blutende Glied möglichst hoch zu lagern, weil dadurch an sich schon das Ausfließen des Blutes verlangsamt wird. Arterielle B. stillt der Arzt, wenn möglich, durch die Unterbindung (s. d.). Fällt der Verletzte in Ohnmacht, so lagere man ihn sofort horizontal, besprenge ihn mit kaltem Wasser, wasche Stirn und Schläfe mit Essig, Äther oder Kölnischem Wasser, lasse ihn an Salmiakgeist riechen und flöße ihm einige Tropfen Äther, Hoffmannsche Tropfen oder einige Löffel starken Weins ein. Bei heftigen B., die von Erscheinungen hochgradiger Blutleere begleitet werden, ist die schnelle Vornahme der Transfusion (s. d.) oft von lebensrettendem Erfolge. Die nach starken B. zurückbleibende Blutarmut wird am schnellsten durch eine leicht verdauliche und kräftige Diät (Milch, Eier, Fleisch, leichtes gutes Bier) sowie durch China- und Eisenpräparate geheilt. - Vgl. Esmarch, Die erste Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen (10. Aufl., Lpz. 1892).

Blutunterlaufung, s. Sugillation.

Blutvergiftung, s. Pyämie.

Blutwallung, s. Blutandrang.

Blutwasser, s. Blut (S. 158 b) und Serum.

Blutwurz, s. Potentilla.

Blutzehnt, s. Zehnt.

Blutzellen, s. Blut (S. 157 b).

Blutzeugen, soviel wie Märtyrer (s. d.).

Blutzger, s. Bluzger.

Blutzwang oder Rote Ruhr, s. Ruhr.

Bluzger, Blutzger, ältere Geldgröße des Schweizer Kantons Graubünden, durch eine Silbermünze dargestellt. Der B. war ein Siebzigstel des (auch in 60 Kr. oder 15 Batzen geteilten) Graubündener Guldens, also = 2,449 schweiz. oder franz. Centimes = etwa 2 Pf.

Blyde (Blide, Bleide), Wurfmaschine des Mittelalters, zu dem hohen Gewerffe (s. d.) gehörig,