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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Bruststiche - Brüten.

Brustseite mit Senfspiritus zu empfehlen, bei verschleppter Lungenentzündung erweist sich nicht selten die Applikation eines Fontanells vor der Brust sehr nützlich. Bei großer Herzschwäche (sehr frequentem, schwachem Puls) ist die stündlich wiederholte Anwendung spirituöser Maulwasser oder die Verabreichung von Kampfer und Baldrianwurzel vorteilhaft.

Bruststiche, ein vulgärer Ausdruck für stechende Schmerzen in der Brust, welche entweder von einer frischen Brustfellentzündung (s. d.) abhängig sein können, wobei sie mit Fieber verbunden sind, oder ihren Ursprung in alten Verwachsungen des Brustfelles haben, oder nicht so selten gar nicht in dem Brustraum ihren Sitz haben, sondern Rheumatismus der Zwischenrippenmuskeln oder gar ausstrahlende Schmerzen sind, welche bei Erschwerung der Darmbewegung durch Zerrung der Nachbarorgane entstehen. Viele Leute, welche sich wegen ihrer B. schwermütigen Gedanken überlassen, werden durch ein tüchtiges Abführmittel auf lange Zeit vollkommen geheilt.

Bruststimme, s. Register und Falsett.

Bruststück, bei Insekten und Krebsen der mittlere Teil des Körpers.

Brustthee, ein Gemenge verschiedener schleimiger, gelind reizender, eröffnender, aromatischer Substanzen, welches in Form eines Aufgusses gegen husten- und fieberlosen Katarrh benutzt wird. Der gewöhnliche B. (Species pectorales, S. ad infusum pectorale) besteht aus 8 Teilen Altheewurzel, 3 Teilen Süßholz, 1 Teil Veilchenwurzel, 4 Teilen Huflattichblätter, 2 Teilen Königskerzenblumen und 2 Teilen Sternanis. Der B. mit Früchten (Species pectorales cum fructibus) enthält auf 16 Teilen des vorigen 6 Teile Johannisbrot, 4 Teile geschälte Gerste und 3 Teile Feigen.

Brüstung, bei Hochbauten derjenige Teil der Mauer, welcher die ganze Breite des Fensters einnimmt und von dessen Unterkante bis zum Fußboden reicht. Um sich dem Fenster bequem nähern zu können, und weil dieser Teil der Mauer außer dem Fenstergestell und dessen Übermauerung nichts zu tragen hat, erhält sie gewöhnlich im Innern der Zimmer eine nischenartige Vertiefung zwischen den Fenstergewänden, indem sie bei einer Höhe von 0, 5-0, 75 m nur 0, 25-0, 38 m stark ausgeführt wird. Erhält dieser Teil der Mauer gleiche Stärke mit den Fensterpfeilern, so heißt sie vollgemauerte B. Auch bei Fachwerkswänden nennt man die Felder zwischen Fußboden und Fensterbrett B. Bei Balkonen, Veranden, Brücken, Brunnen, steilen Abhängen etc. ist B. s. v. w. Geländer.

Brustverschleimung, s. Bronchialkatarrh.

Brustwarzendistel, s. Mammillaria.

Brustwassersucht (Hydrothorax), die Ansammlung von wässeriger Flüssigkeit zwischen Lunge und innerer Brustwand, wie sie bei allgemeinen Kreislaufsstörungen, Herzfehlern, Nierenentzündungen u. dgl. vorkommt, ist eine Teilerscheinung der allgemeinen Wassersucht (s. d.). Die B. verursacht je nach der Menge des Wassers mehr oder weniger heftige Atemnot, asthmatische Anfälle, Blausucht, zuweilen plötzlichen Tod; mit der Besserung des Grundleidens kann auch die B. verschwinden.

Brustwehr (franz. Parapet), jede auf dem Erdboden oder auf dem Wall von Festungswerken hergestellte Deckung zum unmittelbaren Schutz der dahinterstehenden Verteidiger (Mannschaft oder Geschütz) gegen feindliches Feuer. Sie ist Hauptbestandteil aller Befestigungsanlagen, meist Erdanschüttung. Die Höhe der B. ist entweder so bemessen, daß der Mann im Liegen, Knieen, Stehen (Anschlaghöhe, bei Geschützen Kniehöhe) darüber hinwegschießen kann, oder so, daß eine Truppe aufrecht stehend auch auf einigen Abstand von der B. gedeckt ist. Hinter der B. liegen Bankette, Geschützbänke etc. für die Verteidigung. Die Stärke (1-10 m) richtet sich nach der Bodenbeschaffenheit, resp. dem Material und danach, ob die B. dem Feuer von Gewehren, Feldgeschütz oder Festungsgeschützen auf kurze oder auf längere Zeit widerstehen soll. Die Oberfläche der B., die Brustwehrkrone (s. Fig. bc), wird nach außen etwas abgedacht (Kronenfall, plongée), damit man bequemer darüber hinwegschießen und den Angreifer auch dicht vor der B. noch sehen kann. Die Ränder dieser Fläche werden innere und äußere Brustwehrkrete, erstere (b), an der die Verteidiger stehen, auch Feuerlinie genannt. Die äußere Böschung (cd) der B., die am meisten vom Feuer leidet, erhält 1-1½fache Anlage, die innere Böschung (ab) höchstens ¼ Anlage, damit der Verteidiger dicht an die Feuerlinie herantreten kann. Man bekleidet sie mit Rasen, Flechtwerk, Hürden, Faschinen, Schanzkörben, Brettern, ja auch mit Mauerwerk. Die Anwendung der B. s. Feldbefestigung und Festung.

^[Abb.: Brustwehr.]

Brustwerk, in der Orgel das in der Regel zum zweiten oder dritten Manual gehörige, in der Mitte der Orgel ausgestellte Pfeifwerk. Das B. ist regelmäßig schwächer intoniert als das Hauptwerk. S. Orgel.

Brustwurzel, s. Angelica.

Brut, in der Botanik alle diejenigen Teile, sowohl einzelne Zellen als ganze Glieder einer Pflanze, welche zu einer gewissen Zeit von selbst sich ablösen oder leicht durch äußere Veranlassungen abgelöst werden können und danach der Vermehrung der Pflanze dienen, indem sie sich unter geeigneten Umständen zu neuen Individuen fortbilden. Je nach der Art dieser Teile spricht man von Brutzellen, -Knospen, -Zwiebeln, -Knollen (vgl. Vermehrung der Pflanzen). - In der Zoologie ist B. (proles) die Nachkommenschaft der Tiere, insbesondere derjenigen, welche sich durch Eier fortpflanzen. S. Brüten und Brutpflege.

Brutal (v. lat. brutus), viehisch, roh; brutalisieren, sich roh benehmen oder andre so behandeln; Brutalität, viehisches, rohes Betragen.

Brüten, bei den Vögeln die vom Muttertier oder andern Tieren bewirkte Zuführung von Wärme zu den Eiern behufs der Entwickelung des Embryos; im weitern Sinn auch die nämliche Erwärmung durch leblose Gegenstände. Das B. wird gewöhnlich vom Weibchen, bei manchen Vögeln abwechselnd von beiden Geschlechtern oder nur vom Männchen besorgt; es dauert bei den Kolibris nur 11-12 Tage, bei den Straußen 7-8 Wochen. Die Großfußhühner verscharren ihre Eier in eigens dazu angehäuftem Moder, dessen Zersetzung die nötige Wärme hervorruft. Bei vielen Reptilien leistet der von der Sonne erhitzte Sand die gleichen Dienste. Da die Eier, welche außerhalb des mütterlichen Organismus zur Entwickelung gelangen, zu dieser Entwickelung im wesentlichen nur Wärme und für die Atmung des jungen Tiers Luft bedürfen, die durch die Schale eindringt, so hat man sehr früh versucht, die mütterliche Wärme durch künstliche zu ersetzen. Schon die alten Ägypter benutzten mit gutem Erfolg Brütöfen; auch in China ist das Verfahren seit langem bekannt, und an andern Orten hat man die gleichmäßige Wärme des sich zersetzenden Mistes dazu benutzt. Daß man auf solche Weise Vogeleier ausbrüten könne, war auch den Griechen