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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Chirurgisches Besteck; Chiselhurst; Chiswick; Chitarra; Chitarrone; Chitin

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Chirurgisches Besteck - Chitin.

Wundärzte regten zunächst auch in Deutschland das Interesse für die C. an. Bald aber trat auch hier eine selbständige Arbeit auf diesem Gebiet und zwar in der nachhaltigsten und gediegensten Weise ein. Zu dem Aufschwung der C. in Deutschland, welches zusammen mit England die geistige Führerschaft auf diesem Gebiet an sich gerissen hat und noch festhält, haben zunächst österreichische Ärzte, namentlich Vinzenz v. Kern in Wien, den Anstoß gegeben. Aus seiner Schule stammen Männer wie Rust, v. Gräfe, der Wiedererwecker der plastischen C., Langenbeck der ältere u. a. In der ersten Hälfte unsers Jahrhunderts übte den größten Einfluß auf die gegenwärtige Gestalt der C. in Deutschland Dieffenbach (gest. 1847) aus, einer der genialsten und kühnsten Operateure, die es bisher gegeben hat. Je mehr die C. unsrer Tage auf dem Boden anatomischer und physiologischer Studien hervorgewachsen ist, um so bestimmter konnte sie ihre Aufgaben und die Grenzen ihrer Wirksamkeit feststellen. Sie hat ihre wichtigste und schönste Aufgabe nicht im Zerstören und Schneiden, sondern in der Erhaltung der erkrankten Teile erkannt. Auf jedem ihrer Gebiete sind die Grundsätze der konservativen C. zur Herrschaft gelangt. Es ist vorzugsweise das Verdienst Stromeyers und seines berühmten Werkes über Kriegsheilkunde, die konservative Richtung der C. begründet zu haben. Gefördert wurde diese Richtung durch die Entdeckung der schmerzstillenden Wirkungen der Einatmung von Äther und Chloroform. Durch das Chloroform hat das chirurgische Verfahren unendlich an Sicherheit gewonnen, und die operativen Aufgaben selbst konnten dadurch beträchtlich erweitert werden. Einen Glanzpunkt in der konservativen C. bildet die Behandlung schwerer Gelenkkrankheiten durch die Resektion v. Langenbecks sowie die ausgedehnte Anwendung der unbeweglichen (Gips-) Verbände, namentlich in der Kriegschirurgie. Auf dem Gebiet der plastischen Operationen, durch welche fehlende Weichteile ersetzt werden, stehen in unerreichter Meisterschaft Dieffenbach und sein Nachfolger v. Langenbeck. Ein wesentlicher Fortschritt war auch die Einführung der Galvanokaustik in die C. durch Middeldorpff, durch welche es gelingt, größere Operationen ohne Blutverlust auszuführen, ein gleicher die subkutane Muskel- und Sehnendurchschneidung zum Zweck der Beseitigung von Verkrümmungen der Glieder, des Schielens etc.; die Zertrümmerung der Harnsteine in der Blase oder die Lithotripsie, um welche sich die französischen Wundärzte Civiale, Heurteloup und Leroy d'Etiolles unsterbliche Verdienste erworben haben; die Anwendung des Kehlkopfspiegels zum Zweck operativer Eingriffe am Kehlkopf ohne vorhergehende blutige Eröffnung desselben etc. Die jüngste Ära in der C. hat vielleicht den Anspruch auf die Krone aller Verdienste, da sie den gefährlichsten Feind aller blutigen Operationen, die Wundinfektionskrankheiten, mit einem Erfolg bekämpft, der die Sterblichkeitsziffer selbst bei den größten Operationen auf ein früher für unmöglich gehaltenes Minimum herabsetzt. Sie datiert seit Ende der 60er Jahre, seit Erforschung der pflanzlichen Krankheitserreger, seit der Einführung des antiseptischen Verbandes durch Lister. - Was die Standesverhältnisse der Wundärzte anbelangt, so ist die Klasse der zunftmäßigen Chirurgen (der Bader und Barbiere) in Deutschland im Aussterben begriffen. Es werden im Deutschen Reich hinfort nur noch Ärzte gebildet, welche die Heilkunde in ihrem ganzen Umfang auszuüben berechtigt sind. Die bisherigen niedern Chirurgen werden höchstens in der Form von Heilgehilfen fortbestehen. Der Unterricht in der C., für welchen früher an verschiedenen Orten besondere chirurgische Akademien bestanden, ist in Deutschland ausschließlich den Universitäten anvertraut; die Lehrer der C. an denselben sind ausnahmslos auch als Operateure praktisch thätig. Nur in England besteht noch eine ziemlich strenge Grenze zwischen Chirurgen (surgeons) und Ärzten (physicians). Vgl. Stromeyer, Handbuch der C. (Freiburg 1844-68, 2 Bde.); Pitha und Billroth, Handbuch der allgemeinen und speziellen C. (Stuttg. 1865-81); Hueter, Allgemeine C. (Leipz. 1873); Bardeleben, Lehrbuch der C. und Operationslehre (8. Aufl., Berl. 1879-81, 3 Bde.); Roser, Handbuch der anatomischen C. (7. Aufl., Tübing. 1875); Billroth, Allgemeine chirurgische Pathologie und Therapie (10. Aufl. von Winiwarter, Berl. 1882); König, Lehrbuch der speziellen C. (3. Aufl., das. 1881); Albert, Lehrbuch der C. und Operationslehre (2. Aufl., Wien 1881, 4 Bde.); Billroth und Lücke, Deutsche C. (Stuttg. 1879-82); Hueter, Grundriß der C. (3. Aufl., Leipz. 1885, 2 Bde.); Sprengel, Geschichte der C. (Halle 1805-19, 2 Bde.); Häser, Historische Entwickelung der C. und des chirurgischen Standes (in Billroths "Deutscher Chirurgie", Bd. 1); Fischer, Vor hundert Jahren. Historische Studien (Leipz. 1876).

Chirurgisches Besteck, s. Besteck.

Chiselhurst (spr. tschiss'l-hörst), Dorf in der engl. Grafschaft Kent, 17 km südwestlich der Londonbrücke, mit zahlreichen Landsitzen, darunter Camden House, ehemals Eigentum des Annalisten Camden (gest. 1623). In demselben starb Napoleon III. 9. Jan. 1873, und 16. März 1874 fand dort die feierliche Mündigsprechung des kaiserlichen Prinzen statt. Die Reste des Kaisers liegen in der römisch-katholischen Kapelle des Orts.

Chiswick (spr. tschissick), Vorstadt von London, in der Grafschaft Middlesex, 15 km oberhalb der Londonbrücke, mit reizenden Villen und Gärten, worunter das vom Grafen Burlington in Nachahmung der Villa Capra bei Vicenza erbaute Chiswick House, in dem Fox (1806) und Canning (1827) starben. Auf dem Kirchhof ist das Grab Hogarths (gest. 1764); auch der italienische Patriot Ugo Foscolo lag hier begraben, bis seine Asche 1871 nach Florenz übergeführt wurde. Dabei Experimentalgarten der Horticultural Society. C. hat (1881) 15,975 Einw.

Chitarra (ital., spr. ki-), s. Guitarre.

Chitarrone (ital., spr. ki-, "große Chitarra"), eins von den großen lautenartigen Baßinstrumenten des 17. und 18. Jahrh. Vgl. Laute.

Chitin C9H15NO6 ^[C<sub>9</sub>H<sub>15</sub>NO<sub>6</sub>], die Substanz, welche bei Würmern, Krebsen, Spinnen und Insekten ebenso allgemein auftritt wie bei den Pflanzen die Cellulose und die häutigen und härtern Teile der verschiedenen Organe dieser Tiere bildet. Das C. findet sich dabei häufig innig verbunden mit andern Stoffen, so mit kohlensaurem Kalk im Panzer der Krebse. Es zeichnet sich aus durch seine große Widerstandsfähigkeit gegen die gewöhnlichen Lösungsmittel und wird daher in ähnlicher Weise wie die Cellulose dadurch rein dargestellt, daß man z. B. Maikäferflügeldecken der Reihe nach mit diesen verschiedenen Lösungsmitteln behandelt und so von den fremden Beimengungen befreit. Das C. ist dann farblos, durchscheinend, löst sich in konzentrierter Schwefelsäure ohne Färbung und liefert beim Kochen der verdünnten Lösung Ammoniak, gärungsfähigen Zucker und andre Körper. Bei der trocknen Destillation gibt es Essigsäure, Ammoniak und brenzlige Produkte.

^[Artikel, die unter C vermißt werden, sind unter K oder Z nachzuschlagen.]