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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Demetz; Demeublieren; Demi; Demidow

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Demetz - Demidow.

des zweiten D. genannt wurden, eine lange Belagerung auszuhalten. Als aber der polnische Hetman Zolkjewski nach Wasilijs Sturz Moskau für Siegmunds III. Sohn Wladislaw in Besitz nahm, floh der Pseudo-Demetrius nach Kaluga und ward dort 1610 ermordet. Ein dritter falscher D. trat 1611 eine kurze Zeit in Nowgorod auf.

Demetz (spr. dömäß), Frédéric Auguste, franz. Philanthrop, geb. 12. Mai 1796, bekleidete bis 1840 verschiedene Richterämter. 1835 von seiner Regierung in Begleitung des Architekten Blouet zum Studium der Strafanstalten nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika gesandt, überzeugte er sich von den Nachteilen des pennsylvanischen Isolierungssystems für jugendliche Verbrecher, besuchte dann noch in Belgien und den Niederlanden die Ackerbaukolonien für Vagabunden und gründete mit seinem Freunde de Bretignière de Courteilles (gest. 1854) die Ackerbau- und Strafkolonie zu Mettray bei Tours nach dem Grundsatz moralischer Besserung. Um sich ein fähiges Hilfspersonal zu schaffen, gründete D. 1839 zu Mettray eine "Gesellenschule", nahm die Unterstützung des Richterstandes und der Verwaltung in Anspruch und rief so eine Strafkolonie ins Leben, die, sich selbst erhaltend, eine Durchschnittsbevölkerung von 700 Seelen zählt. D.' System (s. Gefängniswesen) gewann nach und nach immer mehr Eingang, sowohl in Frankreich als in andern Ländern Europas, und das berühmte, von Sir Walter Crofton gegründete irische Strafsystem für Erwachsene ist dem von D. in manchen Stücken nachgebildet worden. Einer der eifrigsten Verfechter dieses Systems in Deutschland ist F. v. Holtzendorff. Außer seinen jährlichen Rapporten veröffentlichte D. über seine Strafkolonie: "Projet d'établissement d'une maison de refuge pour les prévenus acquittés, à leur sortie de prison" (Par. 1836); "Lettre sur le système pénitentiaire" (das. 1838) und das verdienstliche Werk "Rapports à M. le comte de Montalivet sur les pénitenciers des États-Unis" (das. 1839). D. starb 15. Nov. 1873 bei Tours.

Demeublieren (franz., spr. -möb-), die Möbel aus einem Zimmer fortschaffen; Demeublement (spr. -möblmāng), Ausräumung.

Demi (franz., spr. d'mi), halb, häufig in Zusammensetzungen; à d., zur Hälfte.

Demidow, reiches russ. Geschlecht, dessen Stammvater Nikita D., um 1665 geboren, ursprünglich Hammerschmied zu Tula, während des schwedischen Kriegs Peter d. Gr. Kanonen und Gewehre lieferte. Unter seiner Leitung legte 1699 die russische Regierung zu Newjansk im Distrikt Jekaterinburg die erste Eisengießerei in Sibirien an, die D. mit so viel Geschick verwaltete, daß ihn der Kaiser adelte und ihm 1702 die ganze Eisengießerei schenkte. Durch einen glücklichen Zufall entdeckte D. 1725 in Sibirien die Minen von Kolyba, deren Ausbeute den unermeßlichen Reichtum seiner Familie begründete. Außer diesem sind besonders hervorzuheben:

1) Paul Grigorjewitsch, geb. 1738, gest. 1821, gelehrter und freigebiger Förderer der Naturwissenschaften, namentlich der Botanik; Gründer des botanischen Gartens zu Moskau.

2) Nikolai Nikititsch, Graf von, geb. 1773 zu Petersburg, verwaltete seine großen Bergwerke in ausgezeichneter Weise und berief zum Zweck eines rationellen Betriebes derselben zahlreiche deutsche Beamte und Bergleute dahin. Im Krieg 1812 errichtete er auf eigne Kosten ein Regiment und führte dasselbe. Nach dem Frieden lebte er längere Zeit in Paris und Florenz, versammelte an beiden Orten die hervorragendsten Gelehrten und Künstler um sich und verwendete sein Vermögen mit fürstlicher Freigebigkeit zu wohlthätigen Zwecken und zur Förderung der Kunst. Er starb 1828.

3) Paul, Sohn des vorigen, geb. 17. Aug. 1798 zu Petersburg, ward im Lycée Napoléon zu Paris erzogen, machte die Feldzüge 1812-14 mit, nahm 1826 als Rittmeister den Abschied, war 1831-34 Gouverneur von Kursk, gab zu einer Stiftung für die Witwen und Waisen der im Türkenkrieg gefallenen Offiziere ein Kapital von 625,000 Rubel sowie eine halbe Million zum Besten der Wohlthätigkeitsanstalten in Moskau und eine gleiche Summe zur Erleichterung des Schicksals der nach Sibirien Verwiesenen her. Auch der Petersburger Akademie der Wissenschaften wies er bedeutende Fonds zu, woraus diese seit 1831 jährlich die Demidowschen Preise für die besten russischen Werke verteilte. Er starb 5. April 1840 in Mainz.

4) Anatolij, Fürst, Bruder des vorigen, geb. 1813 zu Moskau, wurde in Paris erzogen, rief in Petersburg und andern Städten Rußlands die großartigsten Wohlthätigkeitsanstalten ins Dasein und gründete bei dem ersten Auftreten der Cholera in Petersburg auf seine Kosten ein Hospital, wo er selbst an der Pflege der Kranken sich beteiligte. Kunst und Wissenschaft suchte er nach allen Seiten hin zu fördern, weshalb er auch Mitglied der Pariser Akademie der Wissenschaften wurde. In den Jahren 1837-40 veranstaltete er eine wissenschaftliche Expedition namhafter Naturforscher und Ingenieure nach Südrußland, um die dort vermuteten mineralischen Schätze, namentlich die zur Weckung und Förderung der Industrie unentbehrlichen Steinkohlenlager, aufzusuchen und überhaupt jene Länder nach allen Richtungen hin zu erforschen. Er selbst untersuchte mit dem französischen Gelehrten de Sainson die ganze Nordküste des Schwarzen Meers und die Halbinsel Krim in geschichtlicher und statistischer Beziehung. Die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Expedition stellte er zusammen in dem Prachtwerk "Voyage dans la Russie méridionale et la Crimée, par la Hongrie, la Valachie et la Moldavie, exécuté en 1837" (Par. 1839 bis 1849, 4 Bde.; 2. Ausg. 1854; deutsch von Neigebaur, Bresl. 1854, 2 Bde.), dem ein "Album de voyage" (Par. 1849, 100 Blätter) folgte; ein Auszug aus jenem Reisewerk ist "La Crimée" (1855; deutsch; Bresl. 1855). Auch ein "Album pittoresque et archéologique de la Toscane" (1871) hat man von D. Außerdem erschienen von ihm: "Lettres sur l'empire de Russie" (Par. 1840); "Observations météorologiques etc. à Nyjne-Tagielsk" (das. 1839 ff.) etc. Er vermählte sich im Oktober 1841 in Florenz mit der Prinzessin Mathilde Bonaparte, der Tochter des Königs Jérôme. Weil er als Bekenner der griechischen Kirche das Versprechen gab, die aus dieser Ehe entspringenden Kinder in der römisch-katholischen Religion erziehen zu lassen, ward er aus dem russischen Staatsdienst entlassen und nach Petersburg zur Verantwortung geladen. Hier gewann er die Gunst des Kaisers wieder und durfte nach Paris zurückkehren. Schon 1845 trennte er sich von seiner Gemahlin, der er eine ansehnliche Leibrente aussetzen mußte. Er war hierauf zuerst Attaché der russischen Gesandtschaft in Rom und dann russischer Geschäftsträger am großherzoglichen Hof zu Florenz, wo er zu gunsten des regierenden Hauses wie des päpstlichen Stuhls 1849 eine höchst umsichtige Thätigkeit entwickelte. Beim Ausbruch des Krimkriegs schenkte er dem russischen Staatsschatz 1 Mill. Silberrubel und ward dafür