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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Demokratische Partei

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Demokratische Partei

wirkung dieser völligen Umwälzung der franz. Staats- und Gesellschaftsordnung kamen auch in den andern europ. Staaten, insbesondere auch in Deutschland, dieselben Tendenzen in der Gesetzgebung und Verwaltung zur Geltung, und die Verwirklichung demokratischer Principien hat im Laufe dieses Jahrhunderts in Deutschland durch die gesetzlichen Beschränkungen der monarchischen Gewalt, durch die Aufhebung der Privilegien des Adels und der Kirche, durch die Einführung des allgemeinen Wahlrechts, durch die Umgestaltung des Gerichts-, Steuer- und Militärwesens u. s. w. größere Fortschritte gemacht als in dem vorhergehenden Jahrtausend. Hierdurch wurden aber sofort viel weiter gehende Bestrebungen hervorgerufen. Die breiten Schichten der Volksmassen fühlen sich durch die bloße rechtliche Freiheit und Gleichheit nicht befriedigt; sie finden in der mit der Französischen Revolution beginnenden Umgestaltung der Rechtsordnung nur einen Sieg der bürgerlichen Kapitalisten, der sog. Bourgeoisie, über die historisch bevorrechteten Stände (Fürsten, Adel und Kirche), und behaupten, nicht wirkliche Freiheit und Gleichheit erlangt, sondern nur den Herrn gewechselt zu haben. Sie übertrugen daher das Verlangen nach Gleichheit von dem Gebiete des Rechts und der Staatsverfassung auf das der Wirtschaft und der socialen Ordnung und begannen den Kampf gegen die Herrschaft des Kapitals. In dieser Färbung erscheinen die demokratischen Principien als socialdemokratische (s. Socialdemokratie). Als eine besondere Form ihrer Durchführung ist der Kommunismus (s. d.) zu erwähnen; als der wesentliche wirtschaftliche Zielpunkt ist aber nicht die Gemeinschaft des Nationalvermögens, sondern die gleichmäßige Verteilung desselben, insbesondere mittels einer Veränderung der Erwerbsbedingungen anzusehen. Der polit. Zielpunkt dieser Bestrebungen ist in erster Linie Beseitigung der Monarchie zu Gunsten einer besondern, bis jetzt aber sehr unklar gedachten Form der Republik.

Der Begriff der D. hat aber in der modernen polit. Sprache noch eine ganz andere Bedeutung. Mit dem Ausdruck D. wird diejenige Einrichtung des Staates bezeichnet, welche dem Individuum einen möglichst großen Bereich von Lebensinteressen zu eigener und freier Gestaltung zuweist und den Staat auf ein eng begrenztes Gebiet der Thätigkeit einschränkt. Es erklärt sich dies historisch daraus, daß die demokratische Bewegung von Anfang gegen das Übermaß der landesherrlichen Machtvollkommenheit, der polizeilichen Bevormundung, der bureaukratischen Verwaltung gerichtet war; man glaubte, daß, wenn man die Machtbefugnisse der gegenwärtigen Träger und Organe der Staatsgewalt beschränke, man zugleich Inhalt und Umfang der Staatsgewalt selbst vermindere, und man erblickte in der Anteilnahme der Individuen an der Erzeugung des Staatswillens eine natürliche Garantie dafür, daß sich der Staatswille nicht in Gegensatz zu den Bedürfnissen und Freiheitsrechten der Individuen setze. Hiernach verband man mit dem Ausdruck «demokratische Verfassung» die Vorstellung von einer polit. Gestaltung, welche die Rechte des Staates und seiner Organe zu Gunsten individueller, lokaler, kommunaler Selbstbestimmung möglichst einschränkt und demgemäß auch die Machtmittel des Staates entsprechend verringert. Von besonderer Wichtigkeit ist diese Bedeutung in Nordamerika geworden; dort stehen sich als die beiden großen, sich lebhaft bekämpfenden Parteien die republikanische und die demokratische gegenüber (s. Demokratische Partei); die erstere tritt für die Rechte des Staates, der Gesamtheit, gegenüber der Willkür und Ungebundenheit des Individuums, die letztere für die Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen gegenüber den Herrschaftsrechten des Staates ein. Das Zerrbild der demokratischen Principien in diesem Sinne, welche bis zur Verleugnung jeder Ordnung und jeder das Individuum bindenden Gewalt geht, ist der Anarchismus (s. d.) und der in Rußland in neuester Zeit zu Tage getretene Nihilismus (s. d.).

Was die Geschichte des deutschen Parteiwesens betrifft, so ist der frühere Kampf des Liberalismus mit dem Konservatismus unzweifelhaft ein Kampf für und wider die Principien der D. In diesem Kampfe hat der Liberalismus gesiegt, und demokratische Principien beherrschen in weitem Umfange heute die Staatsordnung in Deutschland. Gegen diese Principien führt der heutige Konservatismus im wesentlichen keinen Kampf mehr, will vielmehr nur die Staatsautorität in ihrer unbedingt erforderlichen Festigkeit gegen weiter gehende und nach seiner Meinung gefahrdrohende Demokratisierung schützen; ein Teil des deutschen Liberalismus steht jetzt in der Hauptsache auf dem nämlichen Standpunkt, indes ein anderer Teil allerdings eine noch weiter gehende Durchführung der Principien der D. fordert. Im Deutschen Reichstage existiert eine kleine demokratischePartei (s. Volkspartei).

Demokratische Partei, Partei in den Vereinigten Staaten von Amerika. In ihrer Geschichte sind drei verschiedene Perioden zu unterscheiden, in denen ihr Charakter und ihre Parteigrundsätze ganz verschieden waren, je nachdem andere polit. Interessen in den Vordergrund traten. Sie wurde zuerst um 1792 von Jefferson im Gegensatz zu der Partei der Föderalisten gegründet, die eine starke Bundesgewalt anstrebte, während die D. P. den Einzelstaaten möglichste Freiheit gewähren wollte und möglichst beschränkte Gesetzgebung und weite Ausdehnung des Wahlrechts als Parteigrundsätze bekannte. Um nicht mit den franz. Jakobinern auf eine Linie gestellt zu werden, nahmen sie auch die Bezeichnung Republikaner an, und beide Namen galten seit 1798 ohne Unterschied. Als sich um 1815 die Föderalisten auflösten, blieben die Demokraten in der sog. Era of good feeling (s. d.) die alleinherrschende Partei. Sie teilten sich dann im Laufe der Zeit in verschiedene Fraktionen, deren eine sich 1829 um Jackson sammelte und den Namen der D. P. nun für sich allein in Anspruch nahm. Sie bekämpfte das Privilegium der Bank der Vereinigten Staaten und widersetzte sich der Schutzzollbewegung, die zu dem hohen Zolltarif von 1828 geführt hatte. Als Gegner standen ihnen die nationalen Republikaner oder Whigs gegenüber. Nach der Annexion von Texas 1845 begannen sich die Demokraten über die Sklavereifrage zu teilen. Während das Gros der Partei die Sklaverei verteidigte, ging 1856 eine große Zahl zu den Republikanern über, 1861 folgten viele andere, nachdem schon 1860 die Spaltung der Partei dadurch offenkundig geworden, daß der südl. Flügel Breckinridge, der nördliche Douglas als Präsidentschaftskandidaten aufstellte. Nach dem Bürgerkriege vereinigten sich die nördl. und südl. Demokraten von neuem und erhielten Zuwachs durch die