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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Dogmatiker; Dogmatische Methode; Dogmatisieren; Dogmatismus; Dogmengeschichte

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Dogmatiker - Dogmengeschichte.

die komparative oder vergleichende Darstellung der in verschiedenen Kirchen geltenden Lehren. Den zu bearbeitenden Stoff ordnete man protestantischerseits entweder nach der ökonomischen Methode, d. h. man teilte denselben nach den Personen der Dreieinigkeit ein, welchem Schema sich das gesamte Material fügen mußte (so besonders die Dogmatiker aus der spekulativen Schule), oder nach der Föderalmethode, d. h. man teilte den Stoff ein nach dem Schema der drei Bündnisse (s. Bundestheologie) oder nach der am häufigsten befolgten Lokalmethode, welche in besondern Artikeln (s. Loci communes) von der Bibel, von Gott, vom Menschen, von Christus, von dem Heiligen Geist etc. den Stoff abhandelt. Hiernach werden die verschiedenen Teile der D. besonders bezeichnet als: Bibliologie (Lehre von den heiligen Urkunden); Theologie im engern Sinn (Lehre von Gott mit Einschluß der Lehre von den göttlichen Werken), wozu die Lehre von den Engeln (Angelologie und Dämonologie) als Anhang kommt; Anthropologie (Lehre von der Schöpfung des Menschen, seiner Natur und höhern Würde) mit Einschluß der Ponerologie (Lehre von Sündenfall, Erbsünde und sündigem Verderben); Soteriologie mit Einschluß der Christologie (Lehre von der Person und dem Werk Christi, aber auch von der Heilsordnung mit Einschluß der Lehre von der Kirche und deren Gnadenmitteln) und Eschatologie (Lehre von den letzten Dingen, dem Tode, der Auferstehung, dem Weltgericht und Weltende). Erst neuerdings sind, teilweise im Zusammenhang mit der von Schleiermacher und Rothe versuchten Umwandlung der D. in eine lediglich historische Disziplin, welche "von dem Zusammenhang der in einer christlichen Kirchengemeinschaft zu einer gegebenen Zeit geltenden Lehre" Rechenschaft geben solle, an die Stelle der alten Einteilungsgründe ganz andre Gesichtspunkte, wie Sünde und Gnade oder Naturordnung, sittliche Weltordnung und Heilsordnung etc., getreten, wie denn auch der Name D. seit Schleiermacher vielfach dem Ausdruck "Glaubenslehre" Platz gemacht hat. Was aber die von letztgenanntem Theologen datierende moderne Entwickelung der D. von dem gesamten veralteten Betrieb derselben grundsatzmäßig unterscheidet, ist die angestrebte Unterscheidung zwischen dem wirklichen Inhalt des von religiös-ethischen Interessen geleiteten christlichen Glaubens und jenen lediglich physikalischen und metaphysischen Fragen, welche die alte D. in naiver Weise in die religiösen hinein- und mit denselben zu einem oft recht monströsen mixtum compositum verarbeitet hatte. Von einer apriorischen Konstruktion absehend, beruft sich die D. seither in ihren bessern Vertretern zunächst auf die christliche Erfahrung, um auf dem kritisch gesicherten Grunde dieser Thatsache den Inhalt des christlichen Glaubens zur systematischen Darstellung zu bringen. Die hauptsächlichsten Lehrbücher der protestantischen D. sind: Schleiermacher, Der christliche Glaube nach dem Grundsätzen der evangelischen Kirchen (5. Aufl., Berl. 1861, 2 Bde.); Nitzsch, System der christlichen Lehre (6. Aufl., Bonn 1851); Twesten, Vorlesungen über die D. der evangelisch-lutherischen Kirche (4. Aufl., Hamb. 1838, 2 Bde.); Schweizer, Die christliche Glaubenslehre (2. Aufl., Leipz. 1877, 2 Bde.); Lipsius, Lehrbuch der evangelisch-protestantischen D. (2. Aufl., Braunschw. 1879); Biedermann, Christliche D. (2. Aufl., Berl. 1884-85, 2 Bde.). Vgl. Schwarz, Zur Geschichte der neuern Theologie (4. Aufl., Leipz. 1869); Gaß, Geschichte der protestantischen D. (Berl. 1854-67, 4 Bde.).

Dogmatiker (griech.), Vertreter der altgriechischen medizinischen Schule, s. Medizin.

Dogmatische Methode, dasjenige Lehrverfahren, bei dem gewisse Sätze (Dogmen) aufgestellt, begrifflich erläutert und dann aus ihnen weitere Folgerungen gezogen werden. Zu ihr gehört die apodiktische Methode als besondere Form, indem diese von Sätzen ausgeht, die als unbestritten und unbestreitbar angesehen werden. Die d. M. fällt wesentlich zusammen mit der synthetischen oder deduktiven Methode, während ihr die heuristische oder analytische und die kritische Methode gegenüberstehen.

Dogmatisieren, Glaubenssätze (Dogmen) oder etwas als Glaubenssatz (Dogma) vortragen.

Dogmatismus (Dogmatismus, griech.), s. v. w. dogmatische Methode, im übeln Sinn dasjenige Lehrverfahren, welches ohne Prüfung der Prinzipien und Schranken der Erkenntnis von gewissen positiven Sätzen ausgeht und darauf Folgerungen baut, als seien jene selbstverständlich. In diesem Sinne nannte Kant die ältere Philosophie D. und setzte ihr seinen Kritizismus entgegen, während früher nur der Skeptizismus als Gegner des D. galt. Dogmatist, ein dem D. Ergebener.

Dogmengeschichte, die wissenschaftliche Darstellung des Prozesses, in welchem der christliche Glaubensinhalt allmählich auf einen bestimmten Begriff und kirchlich anerkannten Ausdruck gebracht worden ist. Sie hat die sogen. biblische Theologie zu ihrer Voraussetzung, während die Dogmatik das Ergebnis der ganzen in der D. dargestellten Bewegung bildet. Als ein aus der allgemeinen Kirchengeschichte abgelöster, durch seine weitläufige Verzweigung selbständig gewordener Teil derselben erscheint sie als Brücke, die von der historischen in die systematische Theologie hinüberführt. Da das Dogma oft philosophische Form und Bedeutung annimmt, seinen Ausgangspunkt auf dem Gebiet der Philosophie hat oder von da Beeinflussung erfährt, steht die D. in genauen Beziehungen zur Geschichte der Philosophie, während die sogen. Symbolik nur einen Querschnitt durch ein bestimmtes, die Unterscheidungslehren der Konfessionen produzierendes und formulierendes Entwickelungsstadium der dogmatischen Bildungen darstellt. Zu unterscheiden von der D. ist auch die Geschichte der Dogmatik, welche es mehr nur mit der Technik der Glaubenslehre zu thun hat, während die D. in ihrem allgemeinen Teil die Charakteristik der Entwickelung des dogmatischen Denkens im großen, die Einflüsse, von welchen es beherrscht ist, die geistigen Erscheinungen, welche dasselbe repräsentieren, im speziellen Teil die Geschichte der einzelnen Dogmen zur Darstellung bringt. Dadurch ist die Quereinteilung bedingt, während die Längenteilung durch die großen Perioden der Kirchengeschichte schon gegeben ist. Man wird in der alten Zeit, der Zeit der Bildung des kirchlichen Lehrbegriffs, unterscheiden können die Bildung desselben durch das dogmatische Denken der altkatholischen Kirche (bis etwa 300) und durch die synodalen Organe der Kirche (bis etwa 600); in der mittlern, der Zeit des Feststellen und Festhaltens des Lehrbegriffs, die Befestigung durch die Hierarchie (bis etwa 1100) und durch die scholastische Theologie und Philosophie (bis etwa 1500); in der neuern Zeit, als der Periode der Läuterung und Auflösung des Lehrbegriffs, die Läuterung des einen, subjektiven Teils der Dogmatik durch die religiöse Reform (bis etwa 1700) und die Auflösung des andern, objektiven Teils durch die wissenschaftliche Reform der beiden letzten Jahrhunderte. In dieser selbständigen Durchfüh-^[folgende Seite]