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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Entfernungsmesser - Entlassungsprüfung.

mit einem löslichen Bleisalz versetzt und dann mit Schwefelwasserstoff behandelt wird. Der entstehende Niederschlag von Schwefelblei reißt den gelösten Farbstoff mit nieder, ähnlich wirken Thonerde- und Eisenhydroxyd. Öle lassen sich oft entfärben, indem man sie dem direkten Sonnenlicht aussetzt; doch wendet man auch chromsaures Kali und andre Mittel an.

Entfernungsmesser, s. v. w. Distanzmesser.

Entfernung, unerlaubte, militär. Vergehen, s. Desertion.

Entführung (Crimen raptus), das Verbrechen, dessen sich derjenige schuldig macht, welcher sich einer Frauensperson entweder wider deren Willen oder doch ohne Einwilligung derjenigen Personen, von welchen sie familienrechtlich abhängig ist, durch Hinwegführung zum Zweck der Ehelichung oder der Unzucht bemächtigt. Der Begriff der E. war bis auf die neueste Zeit ein schwankender, je nachdem Doktrin und Gesetzgebung dies Verbrechen vorwiegend als eine Verletzung der weiblichen Geschlechtsehre oder als einen Angriff auf die persönliche Freiheit der Entführten auffaßten. Neuerdings hat man sich jedoch immer entschiedener der Theorie zugewendet, welche in der E. in erster Linie einen Eingriff in die persönliche Freiheit und in die Familienrechte sieht; so namentlich das allgemeine preußische Landrecht, der Code pénal, das preußische Strafgesetzbuch und im Anschluß an letzteres das deutsche Reichsstrafgesetzbuch. Nach diesem wird die E. nur auf besondern Antrag strafrechtlich verfolgt, und wenn der Entführer die Entführte geheiratet hat, überdies nur dann, wenn die Ehe für ungültig erklärt worden ist. Im übrigen straft das Reichsstrafgesetzbuch denjenigen, welcher eine Frauensperson wider ihren Willen durch List, Drohung oder Gewalt entführt, um sie zur Unzucht zu bringen, mit Zuchthaus von einem bis zu zehn Jahren und, wenn die E. begangen wurde, um die Entführte zur Ehe zu bringen, mit Gefängnis bis zu fünf Jahren. Weiter wird aber auch derjenige, welcher eine minderjährige, unverehelichte Frauensperson mit ihrem Willen, jedoch ohne Einwilligung ihrer Eltern oder ihres Vormundes, entführt, um sie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen, ebenfalls mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bedroht. Wurde das Vergehen an einer verheirateten Frau mit deren Einwilligung begangen, so greifen die strafrechtlichen Bestimmungen über Ehebruch (s. d.) Platz. Vgl. Reichsstrafgesetzbuch, § 236-238; Colberg, Das Ehehindernis der E. (Halle 1869).

Entfuseln, s. Spiritus.

Entglasung, in der Geologie die Herausbildung kleinster oder größerer Kristallindividuen inmitten der amorphen Masse vulkanischer Gesteine. Dadurch, daß sich die einzelnen Individuen im Glas mehren und vergrößern, entstehen unmerkliche Übergänge von den lediglich aus amorpher, nicht polarisierender Masse bestehenden Glaslaven (s. d.) zu halbkristallinischen Gesteinen mit reichlich eingeschalteter amorpher Zwischenmasse und weiter zu den vollkommen kristallinischen, bei denen sich auch die letzten Reste des Glases durch E. in ein Kristallhaufwerk verwandelt haben. Bei vorherrschender Glasmasse zeigen die als Individuen ausgeschiedenen polarisierenden Körperchen oft eine gewisse, an die Strömungen in einer Flüssigkeit erinnernde Anordnung zu welligen Kurven, eine Struktur, welche als Fluktuationsstruktur (Fluidalstruktur) oder, da sie nur unter dem Polarisationsmikroskop deutlich zu beobachten ist, als Mikrofluktuationsstruktur bezeichnet wird. Sie wird als eins der wertvollsten Anzeichen betrachtet, daß das betreffende Gestein durch Abkühlung aus feurigem Fluß entstanden ist; vgl. Glas.

Enthaarungsmittel, s. Haar.

Enthaltsamkeit, die durch Übung erlangte Fertigkeit, sinnlichen Genüssen aus Achtung gegen eine wirkliche oder eingebildete Pflicht zu entsagen.

Enthaltsamkeitsvereine, s. Mäßigkeitsvereine.

Enthauptung, s. Todesstrafe.

Entheiligung (Profanation), Entweihung des Heiligen oder Herabziehung desselben ins Gemeine. E. des Namens Gottes z. B. findet da statt, wo derselbe zu leichtsinnigen oder gar falschen Beteurungen, zu Fluch-, Beschwörungs- oder Zauberformeln, überhaupt zu unwürdigen oder gemeinen Zwecken mißbraucht wird.

Enthelminthen, s. v. w. Eingeweidewürmer.

Entheomanie (griech.), religiöser Wahnsinn.

Enthusiasmus (v. griech. enthus, zusammengezogen aus entheos, gottvoll, gottbegeistert), dem Wortlaut nach der Zustand eines Menschen, der "des Gottes voll" ist, die in den heidnischen Kulten als höchster Aufschwung geltende Verzückung, dann überhaupt trunkene Begeisterung ohne begleitende Willensentschlüsse. Enthusiast, ein mit E. Erfüllter, Begeisterter, ein leidenschaftlicher Bewunderer oder Verehrer von etwas, z. B. Kunstenthusiast; Enthusiasten heißen daher in der alten wie in der neuern Kirchengeschichte mehrere Sekten (z. B. Massalianer), die im schwärmerischen Gefühlstaumel den Boden, auf dem die sittliche Lebensaufgabe des Christentums zu lösen ist, unter den Füßen verloren. Enthusiasmieren, mit E. erfüllen, begeistern, entzücken.

Enthymem (griech.), Betrachtung, Reflexion; in der Logik ein abgekürzter Syllogismus, bei welchem entweder der Ober- (E. der ersten) oder der Untersatz (E. der zweiten Ordnung) weggelassen, d. h. bloß in Gedanken (nicht im wörtlichen Ausdruck) hinzugefügt wird, z. B.: Jupiter ist ein Planet, also hat er kein eignes Licht (E. der ersten Ordnung); kein Planet hat eignes Licht, also hat auch Jupiter keins (E. der zweiten Ordnung). Vgl. Schluß.

Entia sine necessitate non sunt multiplicanda (lat., "die Dinge sind nicht ohne Not zu vervielfältigen"), metaphysischer Grundsatz, welcher verbietet, überflüssige Annahmen zu machen, z. B. die Wärmeerscheinungen aus einem besondern Wärme-, die Lichtphänomene aus einem besondern Lichtstoff abzuleiten, sobald ein einziger Grundstoff, der sogen. Äther (s. d.), zur Erklärung dieser sämtlichen Erscheinungen ausreicht.

Entität (Entitas, v. lat. ens, s. d.), ein Terminus der scholastischen Philosophie, welcher die Wesenheit eines Dinges als eines Seienden bezeichnet.

Entkrist (s. v. w. Antichrist), Name eines zur Gruppe der sogen. Blockbücher (s. d.) gehörigen Holzschnittwerkes, der ursprünglichen Gestaltung und Zusammenstellung der cyklischen Bilder nach der ersten Hälfte des 15. Jahrh. angehörig. Die Bilder stellen den Kampf des Antichrist mit der Christenheit dar.

Entladen, Herausnehmen der Ladung aus einem Gewehr oder Geschütz; das Freimachen der Elektrizität (s. Leidener Flasche).

Entlassungsprüfung an höhern Lehranstalten (Abiturienten- oder Maturitätsexamen). Bis in das letzte Viertel des vorigen Jahrhunderts galt allgemein in Deutschland als Herkommen, daß die Universitäten über die Zulassung zum akademischen Bürgerrecht selbständig zu entscheiden, bez. die Ankommenden zu prüfen hatten. Die große Verschiedenheit der Ausübung dieses Rechts bei den