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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Femelschlagbetrieb; Femelwald; Femern; Femgerichte

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Femelschlagbetrieb - Femgerichte.

verdrängt. In neuerer Zeit ist er indessen in beschränktem Umfang und in geregelter Form (geregelter F.) wieder eingeführt, teils in schutzbedürftigen Lagen, z. B. im Hochgebirge, an steilen Hängen (bei Schutzwaldungen), teils bei einem durch hohe Holzpreise ermöglichten intensiven Betrieb, namentlich auf kleinen Waldflächen (bei Parzellenwaldungen).

Femelschlagbetrieb, forstliche Betriebsart (s. Hochwald): Hochwaldbetrieb mit Verjüngung (Bestandserneuerung) vor dem völligen Abtrieb und unter dem Schirm des Vorbestandes. Der Ausdruck ist von K. Heyer eingeführt. Im Schwarzwald wird darunter ein Hochwald mit sehr langem, 30-40jährigem Verjüngungszeitraum verstanden. Dieser F. im engern Sinn bildet im badischen Schwarzwald die herrschende Verjüngungsart der Weißtanne.

Femelwald, s. Femelbetrieb.

Femern, Insel, s. Fehmarn.

Femgerichte (Fehme, Vehme, Freigerichte, heimliche Gerichte, Stuhl- oder Stillgerichte), im Mittelalter gewisse in Deutschland und namentlich in Westfalen bestehende Gerichte, welche vom Kaiser mit dem Blutbann beliehen waren und in dessen Namen über Verbrechen aburteilten, welche Todesstrafe nach sich zogen. Die Ableitung des Wortes Fem ist streitig. Nach der einen Ansicht soll dasselbe mit dem lateinischen fama, "Gerücht", zusammenhängen; andre, wie J. Grimm, wollen es vom altdeutschen feme oder feime, d. h. Gericht, ableiten; andre von wimen, richten mit dem Weidenstrick; noch andre von fahm, d. h. das oberste, also s. v. w. hohes Gericht. Nach Zöpfl soll der Ausdruck F. nichts andres besagen als Gerichte, welche das Recht haben, Ladungen mit dem Charakter einer Verstrickung oder Verfestung (districtio, bannitio) ergehen zu lassen. Kampschulte endlich will diese Bezeichnung mit dem altsächsischen fehon, d. h. fähigen, fähig, gut machen, in Verbindung bringen. Die Bezeichnung Freigerichte bezieht sich darauf, daß alle Freigebornen zur Teilnahme an denselben berechtigt waren, auch wohl auf gewisse Freiheiten, welche die F. für sich in Anspruch nahmen. Die Bezeichnungen heimliches Gericht, Stillgericht (nach Zöpfl richtiger "Stuhlgericht"), heimliche Acht, heimlich beschlossene Acht deuten darauf hin, daß die Verhandlungen der F. zumeist nicht öffentlich waren, und der Name verbotene Gerichte endlich, daß den Nichteingeweihten der Zutritt zu den heimlichen Sitzungen bei Todesstrafe untersagt war. Was über das heimliche und unheimliche Wesen der F. in Sage und Dichtung berichtet wird, beruht vielfach auf Übertreibung. Neuere Untersuchungen über die F. haben im Gegenteil dargethan, daß es sich hier um ein ehrwürdiges altgermanisches Rechtsinstitut handelt, daß diese Gerichte nie von der Folter Gebrauch gemacht haben, daß ihre Sitzungen nur zum Teil geheim, und daß die Walstätten, auf welchen sie stattfanden, allgemein bekannt waren. Wenn nämlich die F. im Mittelalter vielfach als eine Schöpfung Karls d. Gr. bezeichnet wurden, so hatte dies insofern seinen historischen Grund, als diese Institution sich aus der karolingischen Zeit erhalten hatte. Nach älterm deutschen Recht konnte nur der Kaiser den Blutbann, d. h. das Recht, Gericht über Leben und Tod zu halten, verleihen. Während nun in den übrigen deutschen Territorien dies Recht nach und nach auf die Landesherren überging, erhielt sich jener Grundsatz in Westfalen, "auf der roten Erde", eine Ausdrucksweise, welche eben mit dem Blutbann zusammenhängt. Es erklärt sich dies, abgesehen von den geographischen Eigentümlichkeiten dieses Landstrichs und der Eigenart seiner Bewohner, welche uns in Immermanns "Münchhausen" so trefflich geschildert ist, namentlich daraus, daß sich in Westfalen die Landeshoheit langsamer als in andern deutschen Ländern entwickelte, und daß sich daher in den westfälischen Gerichten die alten Rechtsansichten länger erhielten. Die halb anarchischen Zustände des Mittelalters waren der Ausdehnung der Gerichtsbarkeit der westfälischen Freigerichte weit über die Grenzen Westfalens hinaus besonders förderlich. Doch mag es wohl nicht allein das Vertrauen auf ihre Gerechtigkeit und die heilige Scheu vor dem Namen Karls d. Gr. gewesen sein, was ihnen selbst in der Zeit des Faustrechts das allgemeine Ansehen sicherte, sondern auch der Umstand, daß von der Mitte des 14. Jahrh. an ganz Deutschland mit Schöffen des heimlichen Gerichts oder sogen. Wissenden übersäet war, die, sich untereinander an geheimen Losungen und Zeichen erkennend, stets bereit waren, die Ladungen des heimlichen Gerichts zu handen des Geladenen zu bringen und die Urteile zu vollziehen. In diesen Bund konnte jeder frei und ehelich geborne Deutsche von unbescholtenem Ruf aufgenommen werden. Auch viele Fürsten gehörten demselben an, und 1429 ließ sich sogar der Kaiser Siegmund unter die "Wissenden" aufnehmen. "Wissend" (Scitus oder Vemenotus) oder "gewiß", ein "echter, rechter Freischöffe des heiligen römischen Reichs", hieß jedes Mitglied des Bundes; jeder andre war "unwissend", "ungewiß"; der Name Femrichter kommt nirgends vor als im Roman. Der Freistuhl oder "freie Stuhl", die Stätte, wo das Gericht gehegt wurde, war gewöhnlich ein Hügel oder ein andrer offener, jedermann bekannter und zugänglicher Ort. Der angesehenste aller Freistühle, wenigstens in früherer Zeit, der deswegen auch des Kaisers (oder Königs) "Kammer" genannt wurde, befand sich in Dortmund "uff dem Markte neben dem Rathuse", ein andrer ebendaselbst vor der Stadt neben dem alten Schlosse. Stuhlherr hieß der Eigentümer des Freistuhls und Patronatsherr des Gerichts, und zwar kommen geistliche und weltliche Fürsten, nicht selten auch einzelne Stadtgemeinden als Inhaber der Stuhlherrschaft vor. Unter ihnen standen mehrere Freigrafen, die aus der Mitte der Freischöffen vom Stuhlherrn auf Lebenszeit gewählt werden mußten. Oberstuhlherr und Stellvertreter des Kaisers selbst war der Erzbischof von Köln als Herzog von Westfalen. Die Aufnahme unter die Wissenden erfolgte vor einem Freistuhl auf roter Erde. Der Aufzunehmende mußte knieend und mit entblößtem Haupte, die rechte Hand auf dem Schwert und Strick des Freigrafen, "zu Gott und seinen Heiligen" schwören, daß er die Fem geheim halten, daß er vor ihr anklagen wolle, was er von fembaren Vergehen selbst wahrnehme oder sonst glaubhaft erfahre, damit es "nach Recht gerichtet oder in Gnade gefristet werde", daß er alles thun wolle, um des Königs und des heiligen römischen Reichs F. zu mehren und zu stärken, und nichts gegen sie thun oder geschehen lassen wolle; dies alles ohne Rücksicht auf Gunst oder Ungunst, Gabe, Furcht etc. Auf der untersten Stufe unter den Wissenden standen die Freifronen oder Fronboten, welche die Aufträge der Freigrafen zu vollziehen und namentlich die Aufrechthaltung der Ordnung wahrzunehmen hatten. Auch sie verpflichtete das strengste Gebot zur Verschwiegenheit den Nichtwissenden gegenüber. Ein altes Femrechtsbuch sagt hierüber: "Wäre es, daß ein Freischöffe die Heimlichkeit und Losung der heim-^[folgende Seite]