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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Flöz; Flözgebirge; Flözleerer Sandstein; Fluavil; Fluch; Flucht; Flüchtig

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Flöz - Flüchtig.

die Kraft zu suchen sei, welche die Bewegung beherrscht, daß die corpora quadrigemina die Quelle des Gesichtssinns seien, daß das verlängerte Mark die Respirationsbewegungen bestimme; aber er behauptete die Einheit der Intelligenz, des Ichs, und statuierte die Solidarität des großen Gehirns und des einheitlichen Seelenorgans. 1833 wurde er zum beständigen Sekretär der Akademie berufen. 1835 erhielt er eine Professur am Collège de France; 1838 wurde er in die Deputiertenkammer gewählt, 1846 zum Pair von Frankreich ernannt. Er starb 5. Dez. 1867 in Montgeron bei Paris. Seine zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen, welche besonders die Entwickelung und Ernährung der Knochen betrafen, fanden große Verbreitung und übten einen bedeutenden Einfluß. Es sind zu nennen: "Recherches sur le développement des os et des dents" (1845); "Anatomie générale de la peau et des membranes muqueuses" (1843); "Théorie expérimentale de la formation des os" (1847); "Psychologie comparée" (1854; 3. Aufl. u. d. T.: "Ontologie naturelle ou étude philosophique des êtres", 1864); "De la longévité humaine" (1854, 5. Aufl. 1872; deutsch, Leipz. 1855). Speziell gegen den Materialismus waren gerichtet: "Examen de la phrénologie" (1841, 3. Aufl. 1851); "De l'instinct et de l'intelligence des animaux" (1841, 4. Aufl. 1861); "De la vie et de l'intelligence" (1857, 2. Aufl. 1859). Ferner sind erwähnenswert: "Histoire des travaux de G. Cuvier" (1841, 3. Aufl. 1858); "Buffon, histoire de ses travaux et de ses idées" (1844, 2. Aufl. 1850); "Examen du livre de M. Darwin" (1864, 2. Aufl. 1880); "De l'unité de composition et du débat entre Cuvier et Geoffroy Saint-Hilaire" (1865); "Eloges historiques" (1856-62, 3 Bde.).

2) Gustave, franz. Politiker, Sohn des vorigen, geb. 4. Aug. 1838 zu Paris, studierte Naturwissenschaften daselbst und wurde 1863 für ein Jahr als Suppleant auf den Lehrstuhl seines Vaters berufen. Hierauf begab er sich nach Belgien, von da nach Griechenland und Kreta, wo er an dem eben ausbrechenden Kampf zwischen den Kandioten und Türken sich so thätig zu gunsten der erstern beteiligte, daß diese ihn zum Mitglied ihrer Nationalversammlung ernannten und als Bevollmächtigten an die griechische Regierung absandten. Als entschiedener Demokrat kehrte er 1868 nach Frankreich zurück, um sogleich an der Wahlorganisation gegen das Kaiserreich teilzunehmen, wurde als Vorsteher einer öffentlichen Versammlung festgenommen und zu dreimonatlichem Gefängnis verurteilt, schlug sich hierauf in einem blutigen Duell mit Paul de Cassagnac und schloß sich endlich der Internationale an. Anfang 1870 wegen eines Rebellionsversuchs verurteilt und nach England geflüchtet, kehrte er Anfang September nach Frankreich zurück. Während der Belagerung von Paris 1870/71 stand er an der Spitze der kommunistischen Partei und bewirkte die Revolution gegen die provisorische Regierung 31. Okt. 1870 und 22. Jan. 1871. Er war auch der Haupturheber des Aufstandes der Kommune, deren begabtestes und ehrenwertestes Mitglied er war, und fiel bei einem Ausfall gegen Versailles 3. April 1871. In seinen politischen Überzeugungen unerbittlich und fanatisch, zeigte er im Privatleben ein sanftes, bescheidenes Wesen; seine wissenschaftlichen Leistungen berechtigten zu den schönsten Hoffnungen. Außer politischen Flugschriften schrieb er "Science de l'homme" (Brüssel 1865, Bd. 1).

Flöz, im allgemeinen gleichbedeutend mit Schicht, vom Bergmann aber fast ausschließlich auf Schichten technisch wichtigen Materials (Kohlenflöz, Kupferschieferflöz etc.) angewandt, deren Fehlen eine Schichtenreihe zur "flözleeren" macht (so: flözleerer Sandstein). Werner nahm das Wort in seine Nomenklatur auf und bezeichnete als Flözgebirge alle Bildungen (Steinkohlenformation bis Kreide), welche nach seiner Ansicht mechanische Absätze des Meers sind, im Gegensatz zu Urgebirge (chemische Niederschläge des Urmeers) und zu Übergangsgebirge (Silur und Devon nach heutiger Nomenklatur, Zwischenglieder, auch der Bildungsweise nach). Des nähern teilte er sein Flözgebirge in ein älteres (der Steinkohlenformation und Dyas etwa entsprechend) und ein jüngeres (etwa mit unsrer Trias, dem Jura und der Kreide gleichbedeutend). Noch jüngere Bildungen waren ihm "aufgeschwemmtes Land".

Flözgebirge, s. Flöz.

Flözleerer Sandstein, s. Steinkohlenformation.

Fluavil, s. Guttapercha.

Fluch, eigentlich ein böser Wunsch, dessen Ausführung der Sprecher der Gottheit überläßt, also das Gegenteil von Segen. Der mit Jehovah geschlossene Bund zieht wie für die, welche ihn halten, Segen, so für seine übertreter F. nach sich, und insofern kommt der F. schon im Alten Testament als gesetzlicher Akt vor wie später auch in der Kirche (s. Bann). Fluchen, jemand Böses anwünschen und dabei Gott selbst oder sonstige höhere Kräfte zu Hilfe rufen, überhaupt auch leichtsinniges und zornmütiges Umsichwerfen mit religiös bedeutsamen Formeln, heiligen Namen etc. Vgl. Verfluchen und Anathema.

Flucht, der ungeordnete Rückzug einer Truppe vor dem Feind. Jeder Rückzug schwächt das Selbstvertrauen der Truppe in dem Grad, als die geschlossene Masse an Haltung verliert; es bedarf in solchen Momenten häufig nur einer schwachen Anstrengung des Verfolgers oder des Erscheinens einer feindlichen Abteilung auf der Rückzugslinie, um alles in die F. zu treiben. Nur eine achtunggebietende Persönlichkeit vermag dann die Mannschaft zum Stehen zu bringen, wobei ein Appell an das Ehrgefühl der Truppen in der Regel am besten wirkt. Verderbenbringender als die F. der Infanterie ist die der Kavallerie, da die Unordnung hierbei weit größer ist und, durch kleine Zufälle, Springen einer Granate etc., angeregt, die F. oft erst meilenweit vom Schlachtfeld wieder zum Stehen kommt, während Infanterie an kleinen Hindernissen oder beim Antreffen geschlossener Truppenabteilungen leichter gesammelt werden kann. - In der Architektur ist F. eine Reihe von in einer geraden Linie zusammenhängenden Zimmern, Wohnräumen etc., von Häusern in einer Straße etc., weshalb man von Zimmer- und Straßenflucht spricht.

Flüchtig nennt man diejenige Person, welche sich der Obrigkeit durch Entfernung entzieht, insbesondere den einer strafbaren Handlung Beschuldigten, welcher auf diese Weise der Untersuchung oder der Strafe zu entgehen sucht. Zur Erlangung eines Flüchtigen kann die Nacheile angeordnet, öffentliche Ladung, auch ein Steckbrief (s. d.) erlassen werden. Insoweit es nach dem Ermessen des Richters zur Deckung der den Angeschuldigten möglicherweise treffenden höchsten Geldstrafe und der Kosten des Verfahrens erforderlich ist, können nach der deutschen Strafprozeßordnung (§ 325) einzelne zum Vermögen des flüchtigen Angeschuldigten gehörige Gegenstände mit Beschlag belegt werden. Ist gegen ihn die öffentliche Klage erhoben, so kann das gesamte Vermögen des Flüchtigen, welches sich innerhalb des Deutschen Reichs befindet, durch Gerichtsbeschluß mit Beschlag belegt