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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Gallipolis - Gallmücken.

Frühzeitig wurde hier ein Bistum errichtet. Die byzantinischen Kaiser befestigten G., welches als Schlüssel des Hellesponts und als Stapelplatz des griechischen und italienischen Handels höchst wichtig war. Hier setzte im dritten Kreuzzug Kaiser Friedrich Barbarossa 1190 mit seinem Heer über die Meerenge. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Lateiner (1204) kam G. unter die Herrschaft der Venezianer, aber schon 1235 wurde es von den Lateinern erobert. Bei G. (1294) erfochten die Genuesen einen Seesieg über die Venezianer. Die Katalonier setzten sich unter Roger Flor 1306 hier fest, ermordeten nach dem Tod ihres Anführers fast sämtliche Bürger, wurden hierauf vom Kaiser und von den Genuesen lange vergeblich belagert und zogen 1307 ab, nachdem sie zuvor die Festungswerke geschleift hatten. 1356 landete auf diesen Küsten Orchans Sohn Suleiman Pascha, dessen merkwürdiges Grabmal sich hier befindet. G. war der erste Ort in Europa, der von den Türken unter ihm erobert ward. Die Festungswerke von G. wurden nun wiederhergestellt; Bajesid verstärkte sie 1391 noch mehr und legte den Hafen an. Hier schlugen 1416 die Venezianer unter Pietro Loredano die Türken in einem Seegefecht. Im letzten orientalischen Krieg 1854 war G. der Landungsplatz der englischen und französischen Truppen.

Gallipolis, Stadt in der Grafschaft Gallia des nordamerikan. Staats Ohio, am hohen Ufer des Ohio, mit (1880) 4400 Einw.

Gallische Altertümer, s. Metallzeit.

Gallischer Hahn, während der franz. Revolution Wappentier und Symbol des französischen Volkes, mit Anlehnung an das lat. gallus, welches zugleich Hahn und Gallier bedeutet; wich später dem kaiserlichen Adler. Auf altgallischen Münzen erscheint der Hahn niemals als Wappentier, sondern meist ein Eber, ein Stier oder ein laufendes Roß.

Gallisieren, ein von Gall (s. d. 2) erfundenes Verfahren der Weinverbesserung, s. Wein.

Gallitzin, fürstliche Familie Rußlands, s. Galizyn.

Gallium Ga, Metall, findet sich in der Zinkblende von Bensberg und Pierrefitte und in der gelben asturischen Blende und wird daraus gewonnen, indem man die Blende röstet, mit einer nicht genügenden Menge Schwefelsäure behandelt, wobei schwefelsaures Zinkoxyd in Lösung geht, dann auch den Rückstand in Lösung bringt und letztere mit Zink behandelt. Man erhält hierbei einen galliumreichen Niederschlag, aus welchem man Galliumoxyd darstellt, dessen Lösung in Kalilauge durch Elektrolyse G. liefert. Es ist grauweiß, lebhaft glänzend, vom spez. Gew. 5,95, Atomgewicht 69,9, hart, hämmerbar, läßt sich biegen, schmilzt bei 30°, verflüchtigt sich nicht merkbar beim Erhitzen an der Luft und oxydiert sich nur oberflächlich. G. löst sich in Salzsäure, in warmer Salpetersäure und Kalilauge, ist in Wasser leicht löslich und zerfließlich; das Schwefelsäuresalz löst sich ebenfalls leicht, zerfließt aber nicht, es bildet mit schwefelsaurem Ammoniak einen Galliumalaun. G. wurde 1875 von Lecoq de Boisbaudran entdeckt.

Gallizismus (lat.), die fehlerhafte Nachbildung und Anwendung solcher Ausdrücke, Wortstellungen und Wortfügungen, welche der französischen Sprache eigentümlich sind, in andern Sprachen, besonders in der spätern lateinischen und deutschen. Vgl. Brandstäter, Die Gallizismen in der deutschen Schriftsprache (Leipz. 1874).

Gallizisten, s. Spanische Litteratur.

Gallmeyer, Josephine (eigentlich Tomaselli), bekannte Wiener Soubrette, geb. 27. Febr. 1838 zu Leipzig, begann in Brünn 1853 ihre theatralische Laufbahn mit Therese Krones, wandte sich, nachdem sie 1857 ohne besondern Erfolg im Carl-Theater zu Wien gastiert hatte, 1859 nach Hermannstadt, 1860 nach Temesvár und begleitete 1862 den Direktor Strampfer nach Wien, wo sie unter dessen Leitung ihren ersten großen Erfolg in der Posse "Goldonkel" erzielte. Von jetzt ab brachte jede neue Rolle neue Triumphe. Ihre "Elegante Tini", "Leichte Person" und, nachdem sie 1865 zum Carl-Theater übergegangen war, ihre "Alte Schachtel", "Pfarrersköchin", Handschuhmacherin in "Pariser Leben", "Prinzessin von Trapezunt" etc. machten sie mehr und mehr zum Liebling der Wiener und brachten ihr bedeutendes Talent zu voller Geltung. Eine kurze Zeit (1874) führte sie auch, jedoch mit entschiedenem Mißerfolg, die Direktion des Strampfer-Theaters. Ihre Ehe mit dem Schauspieler Siegmann wurde bald wieder gelöst. Nachdem sie 1883 eine Kunstreise durch Nordamerika unternommen, starb sie 2. Febr. 1884 in Wien. Auch schriftstellerisch ist Josephine G. mit kleinen Erzählungen ("Aus is!" "Die Schwestern", 1882) u. einer Autobiographie aufgetreten. Vgl. Waldstein, Erinnerungen an J. G. (Wien 1884).

Gallmücken (Gallicolae), Insektengruppe aus der Ordnung der Zweiflügler und der Familie der Mücken (Tipulariae). Die hierher gehörige Gattung Cecidomyia Meig. umfaßt kleine, äußerst zarte Mücken mit langen, perlschnurförmigen, wirbelhaarigen, 13-16gliederigen Fühlern, mondförmigen, auf dem Scheitel zusammenstoßenden Augen, sehr schlanken Beinen und breit abgerundeten, dicht behaarten Flügeln mit 3-4 Längsadern. Von den Larven, welche im Innern von Pflanzenteilen leben, erzeugen viele an denselben Gallen und werden dadurch oft schädlich. Man kennt gegen 100 europäische Arten. Der Getreideverwüster (Hessenfliege, C. destructor Say, secalina Loew), 2,7-3,7 mm lang, samtschwarz, am Bauch, zwischen den Hinterleibsringen und auf einer Mittellinie des Rückens blutrot, größtenteils schwarz, an den Fühlern rötlich gelb behaart; die Flügel sind grau durch kurze Härchen, die Beine sehr lang. Das viel seltenere Männchen ist 3 mm lang, weniger intensiv gefärbt und rötlichgelb, nur an den Flügeln schwarz behaart. Das Insekt fliegt im April und Mai und legt seine braunroten, walzenförmigen, 0,3 mm langen Eier an die untersten Stengelblätter von Weizen, Roggen oder Gerste; die bald ausschlüpfenden fußlosen, gelblichweißen Larven kriechen bis zur Blattscheide herab, setzen sich hier zwischen Halm und Blattscheide fest und beschädigen erstern so stark, daß er später umknickt. Im Juni verpuppt sich die Larve in der Körperhaut, und von August bis Oktober schlüpft das Insekt aus. Diese Generation legt die Eier an Wintersaaten, und die Larven überwintern in den Puppenhülsen. Die von ihnen befallenen Pflanzen gehen im Winter meist zu Grunde. Der Getreideverwüster hat in Nordamerika (wo man irrtümlich glaubte, er sei 1776 oder 1777 durch hessische Truppen eingeschleppt worden), aber auch in Deutschland vielfach bedeutenden Schaden angerichtet. Zur Bekämpfung hat man den Gerstennachwuchs zwischen Mitte Oktober und Mitte April durch Umpflügen zu beseitigen und die Wintersaat spät auszusäen. Aus letzterer kann man vor Eintritt des Frostes die von den Maden getöteten Pflänzchen auslesen. Die Weizenmücke (roter Wibel, C. tritici Kirby, s. Tafel "Zweiflügler"), 2 mm lang, bleich ocker- bis orangegelb, flaumhaarig; das viel seltenere Männchen ist kleiner und viel düsterer gefärbt.