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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gänze; Ganzes; Ganzinstrumente; Ganzopfer; Ganzschluß; Ganzton; Ganzzeug; Gaon; Gap; Gar; Garamanten

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Gänze - Garamanten.

und von den Astronomen sogar unter dem Namen des Wassermanns unter die Sterne versetzt. Der Raub des schönen Knaben war ein von der alten Kunst häufig behandelter Gegenstand. Am berühmtesten war die in Bronze ausgeführte Gruppe des Leochares (4. Jahrh. v. Chr.), welche in verschiedenen Nachbildungen, namentlich in einer Statuette des Vatikans zu Rom, erhalten ist (s. Abbildung). Mit gleichem Eifer hat sich auch die neuere Kunst der Fabel des G. bemächtigt; wir erinnern nur an die Zeichnung von Carstens und die Gruppe des den Adler fütternden G. von Thorwaldsen.

Gänze (Gänse, Masseln, Kolben), aus Sand- oder Eisenformen erhaltene Roheisenbarren, zur Umwandlung in Schmiedeeisen durch den Frischprozeß bestimmt.

Ganzes, Bezeichnung eines Dinges, insofern man dasselbe als aus andern Dingen, die dann dessen Teile heißen, zusammengesetzt denkt. Daß ein G. der Summe seiner Teile gleich sei, ist zwar unbezweifelbares Axiom; da indessen zur Herstellung eines nicht bloß kollektiven Ganzen auch eine gewisse Art der Verbindung der Teile erforderlich ist, so läßt sich obiger Satz nicht geradezu umkehren. Einige stoische Philosophen unterschieden daher in Bezug auf die Welt das Ganze von dem All, indem sie unter jenem die eigentliche Welt, unter diesem das Unverbundene mit Inbegriff des leeren Weltraums verstanden. In anderm Sinn werden das ideale und das reale Ganze gesondert: jenes ist der nach den Regeln der Logik geordnete Inbegriff von Gedanken oder Lehrsätzen (logisches, wissenschaftliches, systematisches Ganze); dieses dagegen ist ein wirkliches Ding, welches aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt ist. Letzteres kann entweder ein physisches oder ein technisches Ganze sein, je nachdem es die Natur oder die Kunst hervorgebracht hat. Sieht man auf die Art der Zusammensetzung und der dabei wirksamen Kräfte, so kann man ein mechanisches, chemisches und organisches Ganze unterscheiden. In ästhetischer Beziehung ist jedes Kunstwerk ein G., dessen Teile so innig verwandt, unter sich zusammenhängend sind (Organismus), daß man weder einen hinwegnehmen, noch hinzufügen kann, ohne der Wirkung des Ganzen Eintrag zu thun. Hieraus folgt von selbst, daß, wenn ein Kunstwerk als G. erscheinen soll, kein Teil desselben den übrigen widersprechen, noch diese in den Hintergrund drängen darf, wie dies fehlerhafterweise z. B. bei Hauptfiguren in Gemälden oder bei Hauptpersonen in der erzählenden oder dramatischen Poesie der Fall sein kann.

Ganzinstrumente heißen diejenigen Blechblasinstrumente, bei denen der tiefste Eigenton des Rohrs anspricht (vgl. Blasinstrumente 3). Früher baute man nur eng mensurierte, d. h. Halbinstrumente, deren tiefster Ton eine Oktave höher war als der gleich langer offener Orgelpfeifen, d. h. deren tiefster Naturton nicht ansprach (Trompeten, Hörner, Posaunen). Erst etwa seit der Mitte dieses Jahrhunderts hat das Bedürfnis der Verstärkung des Kontrabasses durch Blechinstrumente, resp. das der Ersetzung des Kontrabasses für die Harmoniemusik zum Bau der G. geführt, bei denen das Schallrohr sich vom Mundstück bis zum Schalltrichter viel mehr erweitert als bei den Halbinstrumenten.

Ganzopfer, s. Brandopfer.

Ganzschluß, ein Terminus der Harmonielehre, der nur als Gegensatz von Halbschluß Sinn hat. Der Halbschluß (s. d.) ist kein Schluß, sondern wirkt dissonanzartig, eine Fortsetzung verlangend, als Frage. Er kann zwar einen Satz abschließen (so daß der Name Halbschluß immerhin gerechtfertigt ist), aber dieser Satz weist dann auf einen andern folgenden hin; dagegen ist der G. ein wirklicher Schluß, befriedigender Abschluß, einem Punktum der Schriftsprache vergleichbar. Vgl. Kadenz.

Ganzton (Ton), der größere der beiden diatonischen Sekundschritte, d. h. die Fortschreitung von Tönen der diatonischen Tonleiter zu ihren Nachbartönen (der kleinere heißt Halbton). Die Sekundfortschreitung innerhalb der Skala der Stammtöne (ohne Vorzeichen) weist fünf Ganztonfortschritte auf: c-d, d-e, f-g, g-a, a-h. Über die akustische Wertbestimmung des Ganztons und die Unterscheidung des großen und kleinen Ganztons vgl. Komma, Intervalle und Tonbestimmung.

Ganzzeug, s. Papier.

Gaon (hebr., "Herrlichkeit, Excellentia", Mehrzahl Geonim), Amtstitel der religiösen Oberhäupter der jüdischen Akademien in Babylon; allgemein s. v. w. hervorragende talmudische Autorität.

Gap (spr. gapp), Hauptstadt des franz. Departements Oberalpen, in einem weiten, von weißen Kalkfelsen umstarrten Thal, an der Luye, durch Eisenbahn mit Sisteron und Marseille verbunden, an einer leichten Verkehrsstraße vom Durance- zum Isèrethal, hat eine Kathedrale, 4 andre Kirchen (darunter eine reformierte), Kasernen, einen Justizpalast, Fabrikation von Seiden- und Baumwollgeweben und Hüten, Marmor- und Holzsägen und (1881) 8718 Einw. Die Stadt hat ein Collège, Seminar, Theater, Museum, eine Bibliothek (von 15,000 Bänden) und ist Sitz eines Präfekten, eines Assisenhofs und eines Bischofs. - G. ist das Vapincum der Alten und war sonst eine nicht unwichtige Festung. Das umliegende Land, Gapençois genannt, hatte den Titel einer Grafschaft und gehörte zur Dauphiné.

Gar bezeichnet im Hüttenwesen einen gewissen Zustand der Reinheit von unedlen Metallen (z. B. Kupfer, Eisen etc.) im Gegensatz zum Unreinheit andeutenden "roh". Für edle Metalle wählt man zur Kennzeichnung ihrer Reinheit statt g. den Ausdruck fein (Feinsilber, Feingold) und für beide bei großer Reinheit den Ausdruck raffiniert (Kupferraffinad, raffiniertes Silber etc.). Die Manipulationen zur Reinigung der Metallverbindungen nennt man dem entsprechend Garen oder Garmachen, Feinen, Raffinieren. In etwas andrer Bedeutung nimmt man das Wort g. zur Bezeichnung eines bestimmten Schmelzofenganges (s. Gang des Ofens), und Garschlacken können sowohl bei letzterm (in Eisenhochöfen, Frischfeuern) als auch beim Garmachen von Metalllegierungen (z. B. beim Garmachen des Kupfers) erfolgen. Das Garen des Kupfers geschieht teils in Herden (kleiner Garherd), teils in Gebläseflammöfen (großer Garherd, Spleißofen). - In der Gerberei bezeichnet g. den Zustand der vollkommenen Gerbung (lohgar). - In der Landwirtschaft versteht man unter Boden- oder Ackergare den Zustand der vollkommensten Produktionsbereitschaft der Ackerkrume, d. h. das Vorhandensein sowohl der chemischen als physikalischen Bedingnisse zur erfolgreichen Pflanzenkultur. Die Zeichen der eintretenden Gare sind größere Mürbheit und Elastizität, Quellen und Dunklerwerden des Bodens. Häufig sind überaus mystische Anschauungen über die Gare unter den Landwirten verbreitet; viele vermuten eine Art Gärung, wie die Brot-, Bier etc. Gärung, welche Anschauung jeder Begründung entbehrt.

Garamanten, im Altertum großes, noch sehr unkultiviertes Volk im innern Afrika, südlich von der