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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gerstenberg; Gerstendinkel; Gerstenkorn

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Gerstenberg - Gerstenkorn.

Die gemeine G. leidet viel vom Brande; der Engerling und der Drahtwurm beschädigen die Wurzel, so daß der ganze Stock vergilbt; unter der Blattscheide saugt die mennigrote Larve des Getreideschänders oder eine der Chlorops-Larven; an der Spindel oder an den Blütenstielen nistet sich die grüne oder rötlichbraune, mit schwarzen Röhren und gelbem Schwänzchen versehene Getreideblattlaus und zwischen den Blütenschuppen die weiße Made der Fritfliege ein.

Die G. enthält im wesentlichen dieselben Bestandteile wie der Weizen; doch kann das Stärkemehl derselben nicht, wie beim Weizen, durch Auskneten des Mehls gewonnen werden. G. enthält in 100 Teilen:

Schottische Jerusalemer Wintergerste nach Payen nach Oudemans nach Oudemans wasserfrei nach Lermer wasserfrei

Eiweißstoffe 12,72 11,97 14,69 11,22 9,7 11,8 16,25

Zellstoff 38,57 34,52 35,13 4,11 7,7 9,4 7,10

Stärkemehl 33,28 34,41 31,80 57,49 53,8 65,7 63,43

Dextrin bei Zellstoff berechnet 8,66 4,5 5,5 6,63

Fett - - - 2,39 2,1 2,5 3,08

Asche 2,72 2,31 4,58 2,68 2,5 3,1 3,51

Die Asche enthält besonders Phosphorsäure, Kieselsäure, Kali und Magnesia. Die quantitative Zusammensetzung schwankt nach Art, Varietät, Bodenbeschaffenheit und Klima. Die Eiweißstoffe (Kleberstoffe) der G. bestehen aus Glutenkasein, Glutenfibrin, Mucedin und Eiweiß. Früher glaubte man, die G. enthalte ein Stärkemehl, welches viel schwieriger löslich sei als das des Weizens, und nannte es Hordein; später fand man aber, daß dies Hordein ein mit Zellstoff verunreinigtes Stärkemehl ist, und daß das reine Stärkemehl der G. mit dem des Weizens vollkommen übereinstimmt. Die G. ist ein Hauptnahrungsmittel in Sibirien, Norwegen, Schottland und Irland; bei uns dient sie besonders zur Bierbereitung und wird zu diesem Zweck teilweise in Malz umgewandelt (s. Bier); aus dem Malz bereitet man das Malzextrakt. Die rohe G. wird auch zur Bereitung von Gerstenwasser benutzt; geschält liefert sie die Perlengerste und die Graupen (s. d.). Das früher offizinelle präparierte Gerstenmehl (farina hordei praeparata) wird durch 30stündiges Erhitzen von zusammengedrücktem Gerstenmehl in einem verschlossenen zinnernen Gefäß im Wasserbad bereitet. Es ist rötlichgelb, enthält lösliche Stärke, Stärkegummi und Dextrin und ist dadurch leichter verdaulich geworden. Es wird bisweilen noch für Rekonvaleszenten und Brustleidende angewandt, aber besser durch Malz (s. d.) und Malzextrakt ersetzt. Das Gerstenwasser wird erhalten durch Kochen von ½-1 Teil ausgelesener und gewaschener G. mit 12 Teilen Wasser, bis die G. aufspringt, worauf man durchseiht und Zucker und Zitronensaft oder Kremortartari oder Himbeeressig hinzufügt. Es ist ein kühlendes, einhüllendes und durstlöschendes Getränk für fiebernde Kranke, bei Ruhren, Heiserkeit u. dgl. - Die Heimat der G. ist nicht mit Sicherheit anzugeben. H. vulgare soll noch jetzt zwischen Euphrat und Tigris wild wachsen. H. distichon fand Meyer wild wachsend zwischen Lenkoran und Baku, Koch im Südosten des Kaukasus und Kotschy in Südpersien. Die G. ist vielleicht die älteste Ackerfrucht. Am längsten bekannt ist die sechszeilige G., welche Ägypter, Juden, Griechen und Inder seit uralter Zeit gebaut haben. Man fand ihre Körner bei ägyptischen Mumien. Nach Europa kam sie über Ägypten, wo noch gegenwärtig die zwei- und die sechszeilige G. angebaut werden. Auch in Griechenland wurden früher alle drei Gerstenarten gebaut; gegenwärtig finden sich daselbst nur noch die gemeine und sechszeilige, welche als Pferdefutter verwendet werden. Die Römer kannten die zwei- und sechszeilige G. Vereint mit dem Hafer hat die G. ihre Herrschaft in Europa bis über den Polarkreis, in Asien und Amerika bis nahe an denselben ausgedehnt. Der Gürtel, wo der Anbau beider Cerealien vorherrschend ist, ist der arktische und in den östlichen Ländern des Kontinents auch der größere Teil des subarktischen.

Gerstenberg, Heinrich Wilhelm von, Dichter und Kritiker, geb. 3. Jan. 1737 zu Tondern in Schleswig, besuchte die Schule zu Altona, studierte in Jena die Rechte und trat hierauf in dänische Kriegsdienste. Während des Feldzugs gegen die Russen (1763) avancierte er bis zum Rittmeister, nahm aber 1766 seine Entlassung, kam 1768 in die deutsche Kanzlei und wurde 1775 dänischer Resident und Konsul in Lübeck. Im J. 1783 zog er sich nach Eutin zurück, ward 1785 als Justizdirektor des königlichen Lottos nach Altona berufen, wo er, seit 1812 pensioniert, 1. Nov. 1823 starb. Seine litterarische Laufbahn begann G. mit den "Tändeleien" (Leipz. 1750 u. öfter), im Stil der hallischen Anakreontiker. Ihnen folgten die "Prosaischen Gedichte" (Altona 1759), die "Kriegslieder eines dänischen Grenadiers" (das. 1762), die "Gedichte eines Skalden" (Kopenh. 1766) und die Kantate "Ariadne auf Naxos" (das. 1767). Am bekanntesten machte ihn sein Trauerspiel "Ugolino" (Hamb. 1768), einer der Vorläufer der Sturm- und Drangperiode, dessen grausigen Stoff er gewählt hatte, um eine gewisse Kraftgenialität des Ausdrucks entfalten zu können. Weit schwächer ist sein Melodrama "Minona" (Hamb. 1785). Seine "Briefe über Merkwürdigkeiten der Litteratur" (Schlesw. 1766-70, 4 Bde.) enthalten manche verdienstvolle kritische Arbeit. Weniger Bedeutung haben seine Schriften über die Kantsche Philosophie. Eine Sammlung seiner "Vermischten Schriften" erschien in 3 Bänden (Altona 1815).

Gerstendinkel, s. Spelz.

Gerstenkorn, Gewichts- oder Größebestimmung, = 1 Gran, resp. 1 Linie.

Gerstenkorn (Krithe, Hordeolum), eine häufig vorkommende Geschwulst der Augenlider, welche auf einer Entzündung der Meibomschen Drüsen beruht. Die Affektion beginnt mit Rötung und Schwellung einer Stelle des Augenlidrandes, wozu sich Jucken und Brennen gesellen; häufig treten auch noch Lichtscheu und Thränenfluß hinzu. Nach einiger Zeit bildet sich auf der Höhe der Geschwulst ein gelber Eiterpunkt, welcher anzeigt, daß die entzündete Drüse in Eiterung übergegangen ("reif geworden") ist. Jetzt bricht entweder der Eiter von selbst nach außen durch, oder man verschafft ihm durch einen kleinen Stich oder Schnitt Abfluß nach außen, worauf meist in kurzer Zeit die Anschwellung völlig zurückgeht und das Leiden beseitigt ist. Eine ganz ähnliche Erkrankung stellt das sogen. Hagelkorn (Chalazion) dar, welches auf dem Lidknorpel aufsitzt und als eine pfefferkorn- bis erbsengroße Geschwulst unter der äußern Liddecke erscheint (s. Tafel "Augenkrankheiten", Fig. 4). Der Inhalt dieser Geschwulst besteht anfänglich aus Eiter, später aus einer grauen, sulzigen Masse, welche Fett und Kalk enthält. Falls dasselbe nicht von selbst auf dem Weg der Resorption sich verkleinert und verschwindet, muß es operativ entfernt werden. Beide Erkrankungen treten besonders häufig bei Individuen mit skrofulösen Anlagen auf, eine Behandlung der Gerstenkörner ist außer der genannten Eiterentleerung meist gar nicht nötig. Einen Schutz gegen