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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gewerbelegitimationskarten; Gewerbemuseum; Gewerbeordnung; Gewerbepolitik; Gewerberat; Gewerberecht; Gewerbeschein; Gewerbeschulen

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Gewerbelegitimationskarten - Gewerbeschulen.

emphysem. 4) Schädlichkeiten werden in den Körper aufgenommen. Hierbei ist oft schwer zu entscheiden, wieviel von schädlichen Gasen oder Dämpfen oder einer mit giftigen Staubteilen geschwängerten Luft durch die Lungen und wieviel etwa durch Verschlucken vom Magen und Darm her aufgenommen wird. Bei den reinen Gaseinatmungskrankheiten (s. d.) überwiegt jedenfalls der erste, bei der chronischen Bleivergiftung der Maler, Schriftsetzer und Schriftgießer wahrscheinlich der zweite Weg der Aufnahme. Hierher gehören die chronischen Quecksilbervergiftungen bei Arbeitern in Spiegelfabriken, chronische Kupfervergiftungen bei Verarbeitung von Kupferoxyd und Kupfersalzen, chronische Arsenikvergiftung bei Tapetenfabrikation und Verarbeitung arsenhaltigen Bleies, Zinnes und andrer Metalle. Eine ausschließlich als Gewerbekrankheit bekannte Krankheit ist die chronische Phosphorvergiftung, welche in den 60er Jahren sehr häufig in Schwefelholzfabriken vorkam, nun aber durch strenge sanitätspolizeiliche Vorschriften und wohl noch mehr wegen Einführung der phosphorfreien schwedischen Zündhölzer fast verschwunden ist. Es ist erwiesen, daß Schlächter, die häufig rohes Fleisch kosten, an Trichinen und Eingeweidewürmern erkranken; allein hier verwischt sich die Grenze der G. und geht in ein Gebiet über, das man allenfalls als Kulturkrankheiten bezeichnen könnte, wie die Übel, die sich aus schlechter und unzureichender oder einseitiger Kost ergeben, die in Gefängnissen vorkommen, wozu dann alle Folgen übergroßer Arbeit und Überanstrengung des Gehirns, der Augen, der Stimme (beim Kommandieren) hinzugerechnet werden könnten. Vgl. Hirt, Die Krankheiten der Arbeiter (Leipz. 1871-78, 2 Tle.); Eulenberg, Handbuch der Gewerbehygieine ^[richtig: Gewerbe-Hygiene] (Berl. 1876); Layet, Gewerbepathologie (deutsch, Erlang. 1877); Merkel und Hirt, G. (3. Aufl., Leipz. 1882).

Gewerbelegitimationskarten heißen die behördlich ausgestellten Urkunden, welche zu ihrer Legitimation Personen mit sich zu führen haben, die im Interesse eines stehenden Gewerbebetriebs reisen, um an dritten Orten Waren aufzukaufen und Bestellungen auf Waren zu suchen. Die Inhaber solcher Scheine dürfen in Deutschland keine Waren, sondern nur Proben und Muster bei sich führen. Sie genießen, wenn sie in ihrem Heimatstaat nachweislich die gesetzlichen Abgaben für ihr Geschäft entrichtet haben, im andern, auf Grund von Handelsverträgen auch in außerdeutschen Staaten (z. B. in Österreich, in der Schweiz), bei Ausübung ihrer Thätigkeit Steuerfreiheit.

Gewerbemuseum, s. Kunstgewerbemuseum.

Gewerbeordnung, s. Gewerbegesetzgebung.

Gewerbepolitik, der Inbegriff der gesamten öffentlich-wirtschaftlichen, insbesondere der staatlichen Fürsorge für das Gewerbewesen auf dem Gebiet der Gesetzgebung und Verwaltung. Vgl. Gewerbegesetzgebung.

Gewerberat ist jetzt in Preußen der Titel für die Fabrikinspektoren (s. d.). Unter der Bezeichnung G. wurde in Preußen durch königliche Verordnung vom 9. Febr. 1849 ein Institut zur Förderung der allgemeinen Interessen des Handwerks- und Fabrikbetriebes und zur Durchführung der in der Verordnung erlassenen, die bisherige Gewerbefreiheit stark beschränkenden Vorschriften (s. Gewerbegesetzgebung, S. 291) eingeführt. Die Gewerberäte sollten für jeden Ort oder Bezirk, wo wegen eines erheblichen gewerblichen Verkehrs das Bedürfnis eines solchen obwaltet, auf den Antrag von Gewerbtreibenden nach Anhörung der gewerblichen und kaufmännischen Korporationen und der Gemeindevertreter mit Genehmigung des Ministeriums errichtet werden. Die Mitglieder wurden zu gleichen Teilen aus dem Handwerker-, Fabrikanten- und Handelsstand gewählt, die Mitglieder der Handwerks- und Fabrikabteilung bestanden aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern. (Ein späteres Gesetz vom 15. Mai 1854 beschränkte das aktive Wahlrecht zum G. auf selbständige Gewerbtreibende und Gemeindewähler.) Die Gewerberäte waren mit weitgehenden obrigkeitlichen Befugnissen ausgestattet. Doch ließen die unzweckmäßige Zusammensetzung derselben, die Unbestimmtheit der ihnen erteilten Befugnisse, vor allem aber Mangel an Interesse in den Kreisen der Gewerbtreibenden selbst die Gewerberäte nicht zu der gehofften Wirksamkeit kommen. Von einigen 90, die im J. 1849 gebildet wurden, leisteten nur einzelne das, was von allen erwartet wurde, und die meisten gingen bald wieder ein.

Gewerberecht ist, als Recht im objektiven Sinn, die Gesamtheit der durch Gesetz und Verordnung erlassenen, sich auf das Gewerbewesen beziehenden Bestimmungen. Vgl. Gewerbegesetzgebung.

Gewerbeschein, s. Gewerbegesetzgebung, S. 291 und besonders S. 293 u. 294.

Gewerbeschulen, Unterrichtsanstalten, in denen die Vorkenntnisse und die Grundlagen der Fachkenntnisse für das höhere Handwerk und die technische Industrie gelehrt werden. Demgemäß wechselt die Bezeichnung mit andern ähnlichen, wie Industrieschulen, technische Fachschulen etc., und da die Vorbildung für die mittlere und höhere Gewerbthätigkeit auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, ist die Organisation derartiger Anstalten eine sehr mannigfaltige. In Preußen beginnt die Geschichte der G. mit P. Ch. W. Beuth (s. d.), der, damals vortragender Rat für Gewerbe im Finanzministerium, 1820 zur Gründung des königlichen technischen Instituts zu Berlin, eröffnet 1. Nov. 1821, seit 1827 Gewerbeinstitut, seit 1866 Gewerbeakademie, seit 1879 mit der Bauakademie zur technischen Hochschule vereinigt, anregte. Die Unterklasse des Instituts, die anfangs nur gute Volksschulbildung voraussetzte, wurde auch als Gewerbeschule bezeichnet und ihr entsprechend eine Anzahl (bis 1852 deren 21) Provinzialgewerbeschulen eingerichtet. Seit der Umgestaltung des Gewerbeinstituts zu einer polytechnischen Hochschule (1850) hatten die Provinzialgewerbeschulen zugleich für den Besuch einer halbakademischen Anstalt und für den mittlern Gewerbestand vorzubilden. Dabei schreckte diesen das Übergewicht des theoretischen Unterrichts zurück, und an jener konnten doch die Zöglinge der G. nur schwer gegen die der Gymnasien und Realschulen aufkommen. Dem abzuhelfen, erhielten die G. 1870 drei aufsteigende Jahresklassen. In die unterste wurden junge Leute mit der Reife für Sekunda der Gymnasien oder Realschulen erster Ordnung aufgenommen. Den beiden untern Klassen war mehr der allgemeine Unterricht (Mathematik, Deutsch, Französisch, Englisch, Geschichte, Geographie) zugewiesen, der Oberklasse der eigentlich technische. Diese gliederte sich in die parallelen Abteilungen A (Vorbereitung für die Gewerbeakademie), B (Baugewerbe), C (Maschinenwesen), D (Chemie). Die G., welche diesen Aufbau annahmen, erhielten den Charakter "königlicher G.". Um dem Übelstand der sehr ungleichen Vorbildung der Schüler abzuhelfen, gründeten die Städte, welche die eigentlichen G. mit dem Staat zu gleichen Teilen unterhielten, meistens sogen. Vorschulen, d. h. realistische, die Stufen von Sexta bis Tertia einschließlich umfassende Schu-^[folgende Seite]