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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gewerbliche Schiedsgerichte; Gewerbsgehilfe; Gewerbskunde; Gewere; Gewerk; Gewerkschaft; Gewerkvereine

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Gewerbliche Schiedsgerichte - Gewerkvereine.

net. Gewerbtreibende, welche sich nicht im Vollgenuß der bürgerlichen Ehrenrechte befinden, dürfen sich mit der Anleitung von Arbeitern unter 18 Jahren nicht befassen; in jedem Fall ist bei Beschäftigung jugendlicher Arbeiter (unter 18 Jahren) die durch das Alter gebotene besondere Rücksicht auf Gesundheit und Sittlichkeit zu nehmen und ihnen die zum Besuch von Fortbildungsschulen erforderliche Zeit zu lassen. Die Gewerbtreibenden sind verpflichtet, alle Einrichtungen zu treffen, welche mit Rücksicht auf die besondere Beschaffenheit des Gewerbebetriebs zur thunlichsten Sicherheit gegen Gefahr für Leben und Gesundheit notwendig sind. Das Arbeitsverhältnis zwischen Gesellen oder Gehilfen und ihren Arbeitgebern kann, wenn nichts andres verabredet ist, beiderseits mit 14tägiger Kündigungsfrist gelöst werden. Vor Ablauf der vertragsmäßigen Frist und ohne Kündigung kann die Auflösung nur in den vom Gesetz bestimmten Fällen erfolgen. Doch hat ein Kontraktbruch nur zivilrechtliche Folgen, und es wird für die Arbeitgeber, da die Arbeiter meist zahlungsunfähig, das Recht zur Verfolgung ihrer Ansprüche praktisch bedeutungslos. Einige Erschwerung des widerrechtlichen Vertragsbruchs durch Arbeiter wurde dadurch herbeigeführt, daß die Annahme von Arbeitern, welche einem andern Arbeitgeber gegenüber noch vertragsmäßig gebunden sind, zum Ersatz des letzterm hierdurch erwachsenden Schadens verpflichtet. Einen gleichen Zweck erfüllt das Arbeitsbuch. Streitigkeiten über den Arbeitsvertrag werden nicht im ordentlichen Gerichtsverfahren, sondern durch besondere hierfür geschaffene Organe erledigt (s. Gewerbegerichte). Beim Abgang können die gewerblichen Arbeiter ein Zeugnis über Art und Dauer ihrer Beschäftigung fordern, welches auf ihr Verlangen auch auf ihre Führung auszudehnen ist. Das früher nur in Bezug auf Fabrikarbeiter erlassene Verbot des Trucksystems (s. d.) wurde 1878 auf alle gewerblichen Arbeiter ausgedehnt. Über die besondern Verhältnisse der Lehrlinge s. d., über die der Fabrikarbeiter s. Fabrikgesetzgebung. Vgl. auch Industrielle Arbeiterfrage.

Gewerbliche Schiedsgerichte, s. Gewerbegerichte.

Gewerbsgehilfe, s. Gehilfe und Geselle.

Gewerbskunde, s. Technologie.

Gewere (Gewehre, Gewäre, Gewähre, Were, Warandia, v. althochd. Werjan, "bekleiden"), in der ältern deutschen Rechtssprache der Schutz, welchen der Richter jemand in Beziehung auf Sachen gewährte, oder das von dem Richter geschützte Besitzverhältnis einer Person zu einer Sache. In Bezug auf den Richter, welcher den Schutz gewährte, unterschied man besonders zwei Arten der G., die G. nach Volksrecht, d. h. diejenige, welche in den Volksgerichten, und die G. nach Hof- oder Lehnrecht, d. h. diejenige, welche in den Hof- oder Lehnsgerichten geschützt wurde. Letztere nannte man auch die unvollkommene G., weil sie in den Volksgerichten nicht geschützt wurde. In einem weitern Sinn bezeichnete G. jedes dingliche Recht an einer Sache sowie auch oft nur die Unmittelbarkeit des richterlichen Schutzes für das Verhältnis einer Person zu einer Sache. Es wird diese Verschiedenheit der Bedeutung in den ältern Rechtsquellen häufig durch bestimmte Beiwörter hervorgehoben. So wird unterschieden die ledigliche, hebende, gemeine G., worunter man den bloßen Besitz versteht, von der echten, eigentlichen, vollkommenen oder Eigensgewere, rechten G., unter welcher das Eigentum oder das vollkommenste dingliche Recht begriffen wird. Unter der raublichen G., deren Gegensatz die unbescholtene G. bildete, verstand man diejenige, welche sich auf kein Recht stützte und daher auch von dem Richter nicht geschützt wurde. Die außer dem Eigentum vorkommenden Gewerrechte wurden z. B. durch folgende Formeln unterschieden: Nutz und G., G. des Erben, G. zu Leibgedinge, G. zu rechter Vormundschaft, unter welch letzterer insbesondere das persönliche Recht des Ehemanns an dem Vermögen seiner Ehefrau verstanden wurde. Die rechte G. bezog sich auf die gerichtliche Auflassung und wurde nach erfolgter Investitur durch einen Jahr und Tag fortgesetzten Besitz erworben. Sie hatte die besondere Wirkung, daß sie denjenigen, welcher gehörig investiert worden war, gegen die Ansprüche dritter Personen auf die Sache sicherstellte und also ein Erlöschen der Klagen derselben herbeiführte. Mit dem Eindringen des römischen Rechts in Deutschland ist das deutschrechtliche Institut der G. verschwunden. Vgl. Albrecht, Die G. als Grundlage des ältern deutschen Sachenrechts (Königsb. 1828); Heusler, Die G. (Weim. 1837).

Gewerk, s. v. w. Gewerbe, Handwerk, Innung, beim Bergbau das Mitglied einer Gewerkschaft (s. d.).

Gewerkschaft, im Bergbauwesen Vereinigung mehrerer zum gemeinschaftlichen Betrieb einer Grube oder eines Stollens; s. Bergrecht, S. 742.

Gewerkvereine (Gewerksgenossenschaften) sind eine besondere Art von Arbeitervereinen, speziell der gewerblichen Arbeiter, mit einer eigentümlichen Organisation und besondern Zielen und Aufgaben. Sie sind bei richtiger Organisation und bei der Beschränkung auf die rechten Ziele und Aufgaben ein wesentliches Hilfsmittel der sozialen Reform, ein notwendiges Glied des volkswirtschaftlichen Organismus in dem System der freien Konkurrenz, wie es bei den heutigen Kulturvölkern besteht. Diesen Charakter und diese Bedeutung haben die G. in England (trades' unions), wo sie zuerst entstanden und noch heute am verbreitetsten sind.

Die Gewerkvereine (Trades' unions) in England.

Die englischen G. sind dauernde Verbindungen von Lohnarbeitern eines bestimmten Gewerkes des Landes. Ihr allgemeiner Zweck ist, die Lage ihrer Mitglieder zu bessern, deren Interessen zu wahren und zu fördern. Sie wollen insbesondere die Nachteile verhindern, welche sich für den einzelnen Arbeiter und die ganze Arbeiterklasse des betreffenden Gewerkes ergeben, wenn der Arbeiter isoliert dem Arbeitgeber, namentlich einem größern, gegenübersteht (s. Industrielle Arbeiterfrage). Der Landesgewerkverein (mit einem Zentralausschuß) setzt sich aus Ortsvereinen zusammen. Die verschiedenen Landesgewerkvereine bilden zusammen noch wieder einen Verband (mit einem gemeinsamen Zentralausschuß). Streng sind die Anforderungen an die Qualifikation der Mitglieder. Aufgenommen werden nur gelernte Arbeiter, welche ihre Lehrzeit ordentlich durchgemacht haben und Bürgschaft von zwei Mitgliedern beibringen, daß sie gute Arbeiter seien, welche außerdem nachweisen, daß sie einen bestimmten Minimallohn verdienen, und daß sie guten Leumund haben. Die englischen G. halten an diesen strengen Bedingungen fest, weil sie den Arbeitgebern gegenüber eine ebenbürtige Macht nur dann sein können, wenn der Verein nur diejenigen Elemente der Lohnarbeiter des Gewerkes umfaßt, ohne welche der Betrieb der Unternehmungen unmöglich ist, die nicht, wenn sie die Arbeit einstellen, durch andre ersetzt werden können. Die Organisation der englischen G. ist also keine Organisa-^[folgende Seite]