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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Giebelreiter - Gierke.

zu Ägina (s. Tafel "Bildhauerkunst II", Fig. 1), am Zeustempel zu Olympia (s. Tafel III., Fig. 4) und am Theseustempel zu Athen, mit Skulpturen geziert war. Bei den steilern Giebeln der gotischen und romanischen Kunst sind die Giebelfelder häufig mit hohen oder Rosettenfenstern und einzelnen Statuen geschmückt.

Giebelreiter, ein kleiner Turm auf der Giebelspitze eines Gebäudes.

Giebelstecher, s. Blattroller.

Giebelturm, ein Turm mit Satteldach, also mit zwei Giebeln, oder mit Kreuzdach, also mit vier Giebeln.

Gieben, Fisch, s. Blicke.

Giebichenstein, Dorf und Domäne im preuß. Regierungsbezirk Merseburg, Saalkreis, unmittelbar nördlich bei Halle, mit dem es durch eine Pferdebahn verbunden ist, an der Saale, mit einer Schiffbrücke über dieselbe nach dem gegenüberliegenden Gröllwitz, hat eine Kirche, das Solbald ^[richtig: Solbad] Wittekind, eine Baumwollspinnerei und -Bleicherei (400 Arbeiter), eine Eisengießerei und Maschinenfabrik, eine Bierbrauerei etc. und (1885) 10,718 meist evang. Einwohner. Dabei auf einem steilen Felsen dicht an der Saale die Trümmer des alten Bergschlosses G., das schon um 980 erwähnt wird. Die für unüberwindlich geltende Burg diente besonders als Staatsgefängnis, wo manche namhafte Gefangene, wie z. B. 1027 Herzog Ernst von Schwaben u. a., verwahrt wurden. Auch Ludwig der Springer saß hier im Kerker; sein Sprung in die Saale, mit dem er sich rettete, ist jedoch sagenhaft. - Schon seit dem 10. Jahrh. gehörte das Schloß den Erzbischöfen von Magdeburg, die bis 1467 meist hier und abwechselnd in Halle ihren Hof hielten. Seit seiner Zerstörung durch den schwedischen General Banér (1636) liegt der G. in Ruinen. Vgl. Hendel, Chronik von G. (Halle 1818); Müldener, Der G. (das. 1874).

Gieboldehausen, Flecken im preuß. Regierungsbezirk Hildesheim, Kreis Duderstadt, an der Ruhme und im Untereichsfeld, hat eine Pfarrkirche, ein Amtsgericht und (1885) 2109 meist kath. Einwohner.

Giech, altes fränk., ehemals reichsunmittelbares Grafengeschlecht, das seinen Namen nach der Stammburg (jetzt Ruine) im ehemaligen Bistum Bamberg führt, erwarb im Lauf der Zeit ansehnliche Herrschaften, namentlich auch Buchau und durch Heirat mit einer Erbtochter aus dem Hause Förtschen 1564 Thurnau, ward 1663 durch Kaiser Leopold I. in den Reichsgrafenstand erhoben und teilte sich 1695 in die beiden Linien Buchau und Thurnau, die sich gemeinschaftlich die Landeshoheit über Thurnau und andre Ortschaften erkauften, worauf sie 1726 in dem fränkischen Reichsgrafenkollegium Sitz und Stimme erhielten. Das seit 1810 standesherrliche Haus bekennt sich zur evangelischen Kirche, das Haupt führt das Prädikat Erlaucht und ist Mitglied der bayrischen Kammer der Reichsräte; seine Gesamtbesitzungen betragen gegen 220 qkm mit 13,000 Einw. - Franz Friedrich Karl von G., geb. 29. Okt. 1795, war erst Regierungsdirektor in Würzburg und Kommissar der Universität, sodann seit 1838 Regierungspräsident von Mittelfranken zu Nürnberg, trat aber 1840 aus dem Staatsdienst und legte die Motive zu diesem Schritt in einer an den König gerichteten und ohne sein Wissen veröffentlichten Denkschrift (Stuttg. 1840) dar. Noch allgemeinere Aufmerksamkeit erregte er durch seine "Ansichten über Staats- und öffentliches Leben" (2. Aufl., Nürnb. 1843). An dem Kniebeugungsstreit nahm er publizistisch lebhaften Anteil, wie er überhaupt für die Angelegenheiten der evangelischen Kirche ein großes Interesse an den Tag legte. 1848 wurde er in das Frankfurter Parlament gewählt und war in diesem und dem folgenden Jahr auch Mitglied der bayrischen Ständeversammlung, wobei er die Wahl zum Präsidenten der Ersten Kammer ablehnte. Später trat er wiederholt in den Versammlungen des Reichsrats in liberalem Sinn auf, so 1861 in der kurhessischen Frage und bei der Frage über Ansässigkeit und Gewerberecht der Juden. Für das Haus G. entwarf er das "Hausgesetz im Geschlecht der Grafen und Herren von G." (1855), welches für derartige Verhältnisse musterhaft ist. Er starb 2. Febr. 1863. Jetziges Haupt des nur noch in einer Linie bestehenden Hauses ist sein Sohn, Graf Karl Gottfried (geb. 15. Sept. 1847).

Giekbaum (kurzweg Baum), das Rundholz für die Unterseite der Gaffelsegel.

Gien (spr. schjäng, das alte Cenabum), Arrondissementshauptstadt im franz. Departement Loiret, nahe dem östlichen Ende des Waldes von Orleans, am rechten Ufer der Loire und an der Paris-Lyoner Eisenbahn gelegen, hat ein schönes altes Schloß (jetzt Verwaltungsgebäude), einen Flußhafen, eine Brücke mit zwölf Bogen, Fabrikation von Fayence, Handel mit Getreide, Wein etc. und (1881) 6930 Einw. Hier bewog Jeanne d'Arc Karl VII., nach Reims zu ziehen und sich dort krönen zu lassen. Im deutsch-französischen Krieg von 1870/71 ging bis hierher die Verfolgung des rechten Flügels der bei Orléans Anfang Dezember 1870 geschlagenen französischen Loirearmee (s. Orléans). Vgl. Marchand, Histoire de la ville, des seigneurs et du comté de G. (Gien 1886).

Giengen, Stadt im württemberg. Jagstkreis, Oberamt Heidenheim, 463 m ü. M., an der Brenz und an der Linie Aalen-G.-Ulm der Württembergischen Staatsbahn, hat eine schöne Pfarrkirche, eine Spitalkirche, eine Real- und Latein- und eine Musikschule, Filz- und Malzfabrikation, Orgelbauerei, Glasschleiferei, Wollspinnerei, Tuchweberei, Kratzenfabrikation, Bierbrauereien, Gerbereien, Färbereien, Frucht- und Viehmärkte, einen Wollmarkt und (1885) 3001 meist evang. Einwohner. - G. (ursprünglich Gingen), schon seit 1171 als Stadt genannt, wurde 1307 Reichsstadt und kam 1802 an Württemberg. Hier 19. Juli 1462 Sieg des Herzogs Ludwig von Bayern-Landshut über Markgraf Albrecht Achilles von Ansbach.

Gieren, das zickzackförmige Abweichen während der Fahrt des Schiffs von der geraden Linie, durch Nachlässigkeit im Steuern verursacht.

Gierke, Otto Friedrich, namhafter Rechtslehrer, geb. 11. Jan. 1841 zu Stettin, besuchte die Gymnasien zu Bromberg und Stettin und studierte 1857-60 in Heidelberg und Berlin, arbeitete dann als Auskultator bei den Stettiner Gerichtshöfen und ward 1865 Gerichtsassessor. 1867 habilitierte er sich an der Berliner Universität, wurde daselbst 1871 zum außerordentlichen Professor befördert und Ostern 1872 als ordentlicher Professor des deutschen Rechts nach Breslau, 1884 in gleicher Eigenschaft und mit dem Charakter Geheimer Hofrat nach Heidelberg berufen. An den Feldzügen in Böhmen und Frankreich nahm er als Artillerieoffizier teil. Sein Hauptwerk ist: "Das deutsche Genossenschaftsrecht" (Berl. 1868-81, 3 Bde.). Zu Homeyers Jubiläum veröffentlichte er die geistvolle Schrift "Der Humor im deutschen Recht" (Berl. 1871). Von seinen kleinern Arbeiten verdient erwähnt zu werden der Aufsatz über "Die Grundbegriffe des Staatsrechts und die neuesten Staatsrechtstheorien" in der Tübinger "Zeitschrift für die