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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gieseler; Gießbach; Gießbeckenknorpel; Gießbleche; Gießen

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Gieseler - Gießen.

welche 1839 beim Austritt des letztern von G. allein übernommen und fortgeführt wurde; bei seinem 12. Juli 1850 erfolgten Tod ging dieselbe auf seine beiden Söhne Karl Wilhelm Ferdinand G. (geb. 7. April 1817) und Bernhard Rudolf G. (geb. 23. Nov. 1826) über. Unter ihrer Führung hob sich das Geschäft außerordentlich, gewann aber erst seine jetzige große Bedeutung, als der Sohn des letztern; Georg G. (geb. 9. Febr. 1853), 1876 die technische Leitung übernahm und die Gießerei nach amerikanischem System reformierte, wofür er sich durch mehrjährige Thätigkeit in großen amerikanischen Schriftgießereien die Kenntnisse erworben hatte. Mit der Gießerei ist eine Maschinenfabrik vereinigt, in welcher sowohl die eignen Gießmaschinen als auch Hilfsmaschinen und Utensilien für den Buchdruckereibetrieb, mechanische Aufzüge etc. gebaut werden; erstere zählt zu den bedeutendsten Deutschlands. Die neuesten Erzeugnisse des Geschäfts werden in einem eignen Organ: "Typographische Mitteilungen", veröffentlicht. - Hermann G., geb. 9. April 1831, u. Dr. Bruno G., geb. 14. Sept. 1835, Söhne von Christian Friedrich G., leiten die unter der Firma "G. u. Devrient" zu Leipzig bestehende graphische Anstalt, die ersterer im Verein mit Alfons Devrient 1852 gegründet, nach dessen Tod (21. April 1878) aber allein übernommen hatte, bis 1879 sein Bruder Bruno in das Geschäft trat, an dessen Leitung jetzt auch ein Sohn des erstern, Raimund G., geb. 15. Jan. 1856, teilhat. Dasselbe pflegt vorzugsweise den feinen Werk- und Kunstdruck sowie den Druck von Wertpapieren, und wohl der größte Teil des früher kursierenden Papiergeldes der deutschen Kleinstaaten ist aus seinen Pressen hervorgegangen. Auch eine Verlagshandlung ist mit dem Geschäft verbunden. Als bedeutende Leistungen im artistischen Werkdruck verdienen genannt zu werden: Tischendorfs "Codex Sinaiticus" der Bibel sowie der in lithographischem Faksimiledruck ausgeführte "Papyrus Ebers". Auch auf kartographischem Gebiet leistet die Firma Hervorragendes.

Gieseler, Johann Karl Ludwig, verdienstvoller Kirchenhistoriker, geb. 3. März 1793 zu Petershagen bei Minden, besuchte die Waisenhausschule und Universität zu Halle und ward, nachdem er seit November 1813 an den Freiheitskriegen teilgenommen, 1817 Konrektor am Gymnasium zu Minden und 1818 Direktor des Gymnasiums zu Kleve. Sein "Historisch-kritischer Versuch über die Entstehung und die frühern Schicksale der schriftlichen Evangelien" (Leipz. 1818) hatte 1819 seine Berufung als Professor der Theologie nach Bonn zur Folge. Von hier 1831 als Professor nach Göttingen berufen und 1837 zum Konsistorialrat ernannt, starb er 8. Juli 1854. Sein Hauptwerk ist das "Lehrbuch der Kirchengeschichte" (Bonn 1824-57, 5 Bde.; in den einzelnen Teilen wiederholt aufgelegt; Bd. 4 und 5 hrsg. von Redepenning, welcher als 6. Band die "Dogmengeschichte" hinzufügte). Mit Lücke gab er die "Zeitschrift für gebildete Christen der evangelischen Kirche" (Elberf. 1823-24, 4 Hefte) heraus. Vgl. Redepenning, Gieselers Leben und Wirken, im 5. Bande der oben genannten Kirchengeschichte.

Gießbach, berühmter Wasserfall im schweizer. Kanton Bern, 716 m ü. M. Vom nördlichen Abhang des Faulhorns stürzt der Bach in sieben Stufen aus einer Höhe von 300 m durch prächtige, mit Tannen bewachsene Felsengruppen hernieder in den Brienzer See. Dabei das großartige "Gießbachhotel" (allsommerlich 12,000 Fremde), zu dem eine Drahtseilbahn hinaufführt.

Gießbeckenknorpel, s. Kehlkopf.

Gießbleche (Gießpuckel, Gießbuckel), mit halbkugelförmigen Vertiefungen (Puckeln) und mit Handhabe versehene Eisen- oder Kupferbleche, in welche der Probierer die geschmolzenen Metallproben ausgießt; auch ein einzelner, mit Handhabe versehener, tieferer konischer Einguß von Messing zur Aufnahme geschmolzener Proben.

Gießen, Hauptstadt der hess. Provinz Oberhessen, in anmutiger Lage am Einfluß der Wieseck in die Lahn, 166 m ü. M., Knotenpunkt der Linien Kassel-Frankfurt a. M. und Deutz-G. der Preußischen Staatsbahn sowie G.-Fulda und G.-Gelnhausen der Oberhessischen Eisenbahn; macht, obschon der älteste Stadtkern eng und winkelig erscheint, im ganzen durch zahlreiche Neubauten einen modernen Eindruck. Die alten Festungswerke wurden 1805 geschleift und in eine schöne Promenade, die sogen. Schoor, verwandelt. Die ansehnlichsten Plätze sind: der Brand, das Kreuz, der Kirchen- und der Marktplatz; von Gebäuden sind zu nennen: die alte Stadtkirche St. Pancratii, die neue kath. Kirche, die Synagoge, die Gebäude der Universität und verschiedener dazu gehöriger Anstalten, das ehemalige Schloß (jetzt Kanzleigebäude), der Justizpalast etc. Die Zahl der Einwohner beträgt (1885) mit Garnison (1 Infanterieregiment Nr. 116) 19,001, meist Evangelische. Industrie und Handel sind sehr rege. Hervorzuheben sind: Tabaks- und Zigarrenfabrikation (3000 Arbeiter), Textilindustrie, Bierbrauerei, Eisengießerei und Maschinenfabrikation, Müllerei, Korsett-, Geldschrank-, Erdfarben-, Lack- und Firnisfabrikation etc., Mehl-, Wein-, Getreide-, Vieh- und Kolonialwarenhandel, Ackerbau und Viehzucht. In der Umgegend ist viel Bergwerksindustrie und eins der bedeutendsten Braunsteinbergwerke der Welt. G. ist Sitz der Provinzialverwaltung von Oberhessen, eines Kreisamtes, eines Landgerichts (für die 20 Amtsgerichte zu Alsfeld, Altenstadt, Büdingen, Butzbach, Friedberg in Hessen, G., Grünberg, Herbstein, Homberg in Oberhessen, Hungen, Laubach, Lauterbach, Lich, Nauheim, Nidda, Ortenberg, Schlitz, Schotten, Ulrichstein und Vilbel), einer Reichsbanknebenstelle, einer Filiale der Bank für Süddeutschland und einer Handelskammer. Unter den Lehranstalten der Stadt steht die 7. Okt. 1607 vom Landgrafen Ludwig V. gegründete Universität (Ludoviciana) obenan. Die Zahl der Studierenden betrug 1885/86: 650. Mit ihr verbunden sind eine wertvolle Bibliothek, ein anatomisches Theater, ein zootomisches und Veterinärinstitut, ein chemisches Laboratorium, physiologisches und pharmakologisches Institut, Entbindungsinstitut, ein botanischer Garten, verschiedene wissenschaftliche Sammlungen, ein Kunst-, Münz- und Antikenkabinett, eine Sammlung von Sanskrit- und Zendtypen, eine Sternwarte etc. An sonstigen Lehranstalten besitzt G. ein Gymnasium, ein Realgymnasium und eine Forstlehranstalt. - Der Punkt, an welchem G. liegt, ist eine charakteristische Stelle des Lahnthals, durch welche seit alten Zeiten die große Völkerpassage aus der Wesergegend in das Untermain- und Rheingebiet hindurchzog, und nach der Menge germanischer Totenhügel, ausgegrabener Aschenkrüge etc. zu schließen, war derselbe ein geweihter Ort mit

^[Abb.: Wappen von Gießen.]