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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Gletscherbach – Glied (künstliches)

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Gletscher'

Mit der Erforschung der Entstehung, der Bewegung und der Wirkungen der G., namentlich in den Alpen, hat sich eine große Anzahl hervorragender Gelehrter beschäftigt, so besonders Saussure, Charpentier, Hugi, Agassiz, Forbes, Tyndall, die Gebrüder Schlagintweit, Studer, Heim, Forel, Helmholtz, Pfaff, Hagenbach, Penck, Richter, Finsterwalder u. a. m. Es wurde dabei zugleich nachgewiesen, daß die G. in den Alpen und andern Gebirgen zur Zeit des Diluviums (s. d.), in der der Gegenwart zunächst vorhergehenden Periode der Erdentwicklung, eine weit größere Ausdehnung besaßen, wie denn damals (s. Eiszeit) weit ausgedehnte Gegenden der Erde stärker vergletschert waren als jetzt.

Vgl. außer den Werken von B. Studer, Schlagintweit und den Schriften verschiedener Alpenvereine besonders: Agassiz, Études sur les glaciers (Neuchâtel 1840); ders., Nouvelles études et expériences sur les glaciers (Par. 1847); Forbes, Travels through the Alps (2. Aufl., Lond. 1845; deutsch von Leonhard, Stuttg. 1845); Tyndall, Das Wasser in seinen Formen als Wolken und Flüsse, Eis und G. (Bd. 1 der «Internationalen wissenschaftlichen Bibliothek», 2. Aufl., Lpz. 1879): Pfaff, Die Naturkräfte in den Alpen (Münch. 1877); Helmholtz, Populär-wissenschaftliche Vorträge, I; Penck, Vergletscherung der deutschen Alpen (Lpz. 1882); Heim, Handbuch der Gletscherkunde (Stuttg. 1885); Richter, G. der Ostalpen (ebd. 1888).

Gletscherbach, s. Bach und Gletscher.

Gletscherfloh (Desoria glacialis Nic., s. Tafel: Insekten III, Fig. 16), eine von Desor auf dem Aargletscher entdeckte Art von Springschwänzen (s. d.), lebt unter den Steinen der Moränen und an Felsen bis zu 3000 m Höhe. Er ist schwarz, sehr schlank, zart und gänzlich harmlos.

Gletschermilch, Gletscherschliffe, Gletscherspalten, Gletschersturz, Gletscherthor, Gletschertisch, s. Gletscher.

Gletschertöpfe, s. Riesentöpfe.

Gletscherwein (Vin de glacier) wird in geringen Mengen an einzelnen Stellen der Schweiz aus den in der Nähe der Gletscher gewachsenen Trauben gewonnen und gilt als feuriger Wein, kommt aber nur selten unverfälscht in den Handel.

Gletscherzunge, s. Gletscher.

Gleukometer, s. Mostwage.

Gleve (frz. glaive), die Lanze (s. d.) des Ritters; Glevner hießen die ritterbürtigen Reiter des Mittelalters, Glevenbürger die als Waffe ebenfalls ein G. führenden, aber unberittenen Patricier der Städte.

Gleyre (spr. glehr), Charles Gabriel, franz. Maler, geb. 2. Mai 1806 zu Chevilly im Kanton Waadt, ging 1830 nach Italien, wo er sorgfältige Studien nach den großen Meistern machte; ferner bot sich ihm auf einer Reise durch die europ. Türkei, Vorderasien und Afrika, besonders in Ägypten und Abessinien, ein weites Feld der Beobachtung dar. Er kehrte 1833 nach Paris zurück und errang 1840 mit: Johannes auf der Insel Patmos, und 1843 mit der allegorischen Komposition: der Abend (im Louvre), große Erfolge. Die von ihm ausgeführten Bildwerke behandeln teils mytholog. Stoffe: Tanz der Bacchantinnen (1846), Hercules zu Füßen der Omphale (1863; Museum in Neuchâtel), Pentheus von den Mänaden verfolgt (1864; Museum in Basel), Sappho; teils histor. Stoffe: Hinrichtung des Majors Davel 1723 (1850), Niederlage der Römer durch die Helvetier am Lacus Lemanus (1858; beide im ↔ Museum zu Lausanne); zuweilen bewegte er sich auch mit Glück auf religiösem Gebiete, so in dem Abschied der Apostel (1845; Kirche zu Montargis). Auf der Wiener Weltausstellung 1873 sah man von ihm das liebliche Bild: La Charmeuse, d. i. Mädchen einen Paradiesvogel lockend (Museum in Basel). Die bedeutendsten Werke seiner letzten Zeit waren anmutige, doch oft süßliche Sittenbilder aus der Antike, sein letztes Bild: Der verlorene Sohn. Er starb 5. Mai 1874 in Paris. G. beherrschte die Form mit großer Anmut und Sicherheit des Vortrags und hatte auf die technische Fortbildung der Malerei namentlich als Lehrer einen großen Einfluß. – Vgl. Ch. Element, G. Étude biographique et critique (2. Aufl., Par. 1885).

Gliadin, ein eiweißartiger Bestandteil des Klebers (s. d.)

Glied (Articulus), ein einzelner, besonders beweglicher Teil des tierischen und menschlichen Körpers, namentlich die beiden obern und untern Gliedmaßen oder Extremitäten, im Gegensatz zum Kopf und zum Rumpf, auch ein einzelner Teil einer Gliedmaße, wie die Zehen, Finger u. s. w. Männliches G., s. Geschlechtsorgane.

Glied, künstliches, auch Ersatzglied, Prothese, im allgemeinen jeder mechan. Apparat, der nach dem Verlust einer Extremität die physiol. Funktionen des betreffenden Teils mehr oder minder vollkommen zu ersetzen vermag. Das Bestreben, derartig Verstümmelten einen künstlichen Ersatz zu verschaffen, ist uralt. Schon im Altertum finden sich hierher gehörende Versuche erwähnt; so berichtet z. B. Plinius von einem röm. Ritter Marcus Sergius, daß er sich als Ersatz für seine im zweiten Punischen Kriege verlorene rechte Hand eine künstliche Hand von Eisen machen ließ, welche ihn vollkommen zu weiterm Kriegsdienst befähigt haben soll. Am bekanntesten ist die 1505 durch einen Waffenschmied verfertigte und noch heute im Schloß Jagsthausen gezeigte eiserne Hand des Ritters Götz von Berlichingen, die, vollkommen aus Stahl gefertigt und durch eine hohle Schiene am Vorderarm befestigt, nicht nur durch Druck an einem Knopf im Handgelenk gebeugt, sondern auch mit Hilfe der andern natürlichen Hand in allen Fingergelenken beliebig gebogen werden konnte, indem ein Stahlzapfen in ein in jedem Gelenk befindliches gezahntes Rad einsprang und so das G. in der gegebenen Lage feststellte. Durch Druck auf einen andern Knopf sprangen die Finger mittels einer Feder in die gestreckte Stellung zurück. Da auch der Daumen einen ähnlichen sinnreichen Mechanismus besaß, so vermochte Götz sein Schwert vollkommen sicher zu führen. Ähnliche, wenn auch minder kunstreiche Vorrichtungen trugen der Seeräuber Horuk (1511), der Herzog Christian von Braunschweig (1622), der Soldat La Violette (1761) u. a. In der neuern Zeit ist die Anfertigung künstlicher Gliedmaßen infolge der großen Fortschritte der Technik, der Einführung geeigneterer Materialien, wie des Kautschuks, des Hartgummis, des Aluminiums u. dgl., und infolge der fabrikmäßigen Herstellung, die besonders durch den amerik. Bürgerkrieg angeregt wurde, zu hoher Vollkommenheit gediehen.

Ein künstliches G. soll im allgemeinen so konstruiert sein, daß es die Amputationsnarbe nirgends drückt und bei einem möglichst geringen Gewicht doch hinreichende Festigkeit, Einfachheit und Dauerhaftigkeit besitzt. Ein jeder derartiger Apparat, so verschieden auch im übrigen seine Konstruktion sein

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 73.