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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

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Glykogen – Glykoside

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Glykocholsäure'

sehr schwer löslich ist, so übt sie im freien Zustande kaum die Wirkung einer Säure aus, und es wird daher im tierischen Organismus der aus dem Magen kommende stark saure Speisebrei im Dünndarm durch die dort mit ihm zusammentreffende Galle neutralisiert.

Glykogen, Leberstärke, eine der Stärke und dem Dextrin nahestehende Verbindung von der Zusammensetzung (C6H10O5)x, deren Molekulargröße unbekannt ist. Das G. wird im Tierkörper erzeugt, findet sich in den Muskeln und wird in reichlichster Menge während des Verdauungsprozesses in der Leber aufgespeichert. Zur Darstellung wird die zerhackte Leber eines frisch geschlachteten Tieres mit Wasser ausgekocht und die von Eiweißstoffen u.s.w. befreite und filtrierte Lösung mit Alkohol gefällt. Es ist ein mehlartiges, in Alkohol und Äther unlösliches weißes Pulver. In Wasser löst es sich leicht, jedoch nur zu einer kleisterartig opalisierenden Flüssigkeit, welche die Polarisationsebene des Lichts nach rechts dreht. Durch tierische Fermente, Speichel, Pankreas, Lebergewebe,wird es leicht gespalten, zunächst in ein dextrinähnliches Kohlehydrat und einen maltoseartigcn Zucker. Bei weiterer Spaltung und beim Kochen mit verdünnten Säuren liefert es Traubenzucker. Im Organismus entsteht das G. aus den Kohlehydraten und dem Eiweiß der Nahrung. Es dient dem Körper als Kraft- und Wärmequelle, wird bei der Verdauung im Überschuß in der Leber aufgespeichert, um bei später eintretendem Mangel dem Blute allmählich wieder zuzufließen, indem es wahrscheinlich vorher in Traubenzucker zerfällt. Bei längerm Hungern verschwindet das G. aus der Leber und den Muskeln.

Glykokóll (Glycocoll, Glykochol), Glycin, Leimsüß, Leimzucker, eine Verbindung von der Zusammensetzung C2H5O2N, die beim Kochen von Leim, Hippursäure und Glykocholsäure mit verdünnten Säuren als Spaltungsprodukt auftritt. Es ist die einfachste Amidosäure (s. d.), Amidoessigsäure, NH2•CH2•COOH. Das G. ist auch synthetisch auf verschiedenen Wegen gewonnen worden, wird aber am besten aus der Hippursäure (Benzoylglykokoll) dargestellt, indem man dieselbe mit Salzsäure kocht, die auskrystallisierte Benzoesäure abfiltriert und aus der eingedampften Lösung das salzsaure Salz des G. krystallinisch gewinnt. Das G. bildet farblose große rhombische Krystalle, löst sich in Wasser leicht, in Alkohol und Äther sehr schwer, schmeckt süß, schmilzt bei 236° und zersetzt sich bei stärkerm Erhitzen. Wie alle Amidosäuren vereinigt das G. in sich die Eigenschaften einer Ammoniakbase und einer Säure; die Lösung reagiert daher neutral, und es giebt sowohl mit Säuren als auch mit Basen Salze, die gut krystallisieren. Das salzsaure Salz hat die Formel HCl•NH2•CH2•COOH. Besonders charakteristisch ist das Kupfersalz (Glykokollkupfer), (C2H4NO2)2Cu+H2O, das aus der heißen Lösung von Kupferoxyd in G. in dunkelblauen Nadeln krystallisiert. Das G. liefert einen Äthylester, NH2•CH2•COOC2H5, der durch Behandlung mit salpetriger Säure in den interessanten Ester der Diazoessigsäure übergeht. Sarkosin und Betain sind Abkömmlinge des G., die Methylgruppen am Stickstoff enthalten.

Glykol, Äthylenglykol, der einfachste der zweiwertigen Alkohole oder Glykole (s. d.). Es ist eine bei 197" siedende Flüssigkeit von der Zusammensetzung CH2OH•CH2OH, die aus Äthylenbromid ↔ und Kaliumcarbonat gewonnen wird. Oxydationsmittel führen G. in Glykolsäure und Oxalsäure über.

Glykole, Bezeichnung für die zweiwertigen Alkohole (s. d.). Die G. enthalten also zwei Hydroxylgruppen, (OH)2. Sie sind neutrale dicke Flüssigkeiten, schmecken süßlich und stehen in ihren Eigenschaften zwischen den einwertigen Alkoholen und dem dreiwertigen Glycerin. Sie sind im Wasser sehr leicht, in Äther weniger löslich und sieden bei viel höhern Temperaturen als die einwertigen Alkohole. Das einfachste Glykol, das Glykol (s.d.) schlechthin, ist das Äthylenglykol.

Glykolsäure, eine organische Säure, die sich aus Glykol (s. d.) durch Oxydation bildet und sich in natürlichem Zustande in den unreifen Weintrauben, den Blättern des wilden Weins u. s. w. findet. Sie hat die Formel CH2OH•COOH und läßt sich danach auch als Oxyessigsäure betrachten. Man gewinnt sie am besten durch Kochen einer wässerigen Lösung von Chloressigsäure mit kohlensaurem Kalk. Sie krystallisiert in Nadeln, die bei 80° schmelzen, und zeigt sowohl die Reaktionen einer Säure wie die eines Alkohols. Als Säure giebt sie mit Metallen Salze, mit Alkoholen Ester, z. B. den Äthylester, CH2OH•COOC2H5, ferner Amid und Chlorid, alle wegen der vorhandenen Hydroxylgruppe mit Alkoholcharakter. Umgekehrt giebt die G. als Alkohol mit andern Alkoholen Äther, z. B. Äthylglykolsäure, C2H5•O•CH2•COOH, mit Säuren Ester, z. B. Acetylglykolsäure, CH3•CO•O•COOH, Amine, wie das Glykokoll (s.d.), welche Verbindungen dann noch die Reaktionen einer Säure zeigen.

Glykolylharnstoff, Glykolursäure, s. Hydantoin.

Glykoneischer Vers, Glykonischer Vers oder Glyconeus, ist eine nach dem griech. Dichter Glykon benannte Verszeile von der Form


Textfigur:

S. Asklepiades.

Glykosamin, s. Chitin.

Glykose oder Glukose, Bezeichnung einerseits für Traubenzucker (s. d.), andererseits für alle Zuckerarten von der Zusammensetzung C6H12O6, die zu der Gruppe des Traubenzuckers gehören, also Lävulose (s. Fruchtzucker), Mannose (s. d.), Galaktose (s. d.), Acrose (s. d.). Sie krystallisieren meist, sind in Wasser sehr leicht, in absolutem Alkohol schwer, in Äther nicht löslich. Ihrer chem. Konstitution nach sind sie Keton- oder Aldehydalkohole: sie reduzieren alkalische Kupferlösungen (Fehlingsche Lösung), vergären leicht durch Hefe u. s. w. Sie entstehen meist durch Spaltung unter Wasseraufnahme aus den Kohlehydraten der Rohrzucker- und Stärkegruppe. Es kann dies sowohl durch die Wirkung von Fermenten, als auch von verdünnten Säuren in der Wärme bewirkt werden. Auch durch Oxydation sechswertiger Alkohole, wie des Mannits (s.d.), und in neuester Zeit durch Synthese sind G. erhalten worden.

Glykoside oder Glukoside, organische Pflanzenstoffe, die durch Fermente oder durch Alkalien oder Säuren unter Aufnahme von Wasser derartig gespalten werden, daß als eins der Spaltungsprodukte eine Zuckerart, meist Traubenzucker, gebildet wird. Sie sind also ätherartige Verbindungen der Zuckerarten. Als Beispiel diene das Amygdalin (s. d.), das durch das Emulsin (s. d.) oder beim Erwärmen mit verdünnten Säuren in Traubenzucker, Bittermandelöl und Blausäure gespalten wird:

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 98.