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Brockhaus Konversationslexikon

Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14. Auflage, 1894-1896

Schlagworte auf dieser Seite: Griechische Philosophie

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Griechische Philosophie

wickeln (so Eubuleus, Klymenos, Agamemnon, Aigeus, Erechtheus, Kallisto, Iphigeneia). Ihnen begegnen von der andern Seite durch den Totenkult zu göttlichen Ehren gelangte und dadurch zu Heroen (s. d.) gewordene Menschen. Auch die histor. Erinnerungen der Völker finden in den frühesten Zeiten einen sagenhaften Ausdruck und verwachsen so mit den religiösen Mythen, in deren Umbildungen sich zum Teil selbst die Geschichte der Stämme widerspiegelt, insofern Sagen von Streitigkeiten und Kämpfen oder von Wanderungen von Göttern oftmals nur die Spiegelbilder der Geschichte der sie verehrenden Stämme und Völkerschaften sind, eine Seite der Mythenbildung, welche nach dem Vorgange Ottfried Müllers in neuerer Zeit besonders H. D. Müller zum Gegenstand seiner Forschungen gemacht hat. (S. auch Zwölf Götter.)

Über die Aufnahme der griech. Götter bei den Römern s. Römische Religion.

Die Quellen der G. M. sind die Schrift- und Kunstwerke der Alten in dem Umfang, daß kaum ein Schriftsteller und nur eine kleine Minderzahl von Kunstwerken davon auszunehmen sind. Von den litterar. Quellen sind am wichtigsten die Dichter, voran Homer und Hesiod, dann die Logographen, ferner die Mythographen, welche schon im Altertum Mythensammlungen verfaßten, von denen freilich neben Resten aus den ältern namentlich nur zwei spätere: Apollodorus in griech. und Hyginus in lat. Sprache, vollständiger erhalten sind, endlich Geographen und Periegeten. Von den Kunstwerken sind für die Mythologie neben den erhaltenen Statuen, Reliefs, Wandgemälden und Mosaiken namentlich die Vasen- und Münzbilder eine reich fließende Quelle, während die geschnittenen Steine bei der großen Menge von Fälschungen mit besonderer Vorsicht zu benutzen sind.

Schon im Altertum und ebenso seit dem Wiedererwachen der Wissenschaften haben die Rätsel der Mythologie (s. Mythus und Mythologie) immer neue Forscher zu Deutungsversuchen gereizt. Hier sollen nur die Werke verzeichnet werden, welche in neuerer Zeit die Kenntnis der G. M. wesentlich gefördert haben.

Da von dem an Vollständigkeit des zusammengebrachten Stoffs alle andern mytholog. Werke übertreffenden Ausführlichen Lexikon der griech. und röm. Mythologie (mit vielen Abbildungen), das von W. H. Roscher im Verein mit einer größern Anzahl von Mitarbeitern herausgegeben wird, bis jetzt nur der erste die Buchstaben A bis H enthaltende Band (Lpz. 1884-90) und die erste Hälfte des zweiten (I u. K, 1891-93) erschienen ist, so ist einstweilen Jacobis Handwörterbuch der griech. und röm. Mythologie (2 Bde., Coburg 1830-35) wegen der Sammlung des litterar. Materials immer noch unentbehrlich, als systematisches Handbuch aber ist an erster Stelle Prellers G. M. (2 Bde., Lpz. 1854; 3. Aufl. von Plew, Berl. 1872-75; von der durch Robert bearbeiteten 4. Aufl. ist 1887 die erste Hälfte des ersten Bandes erschienen) zu nennen. Außerdem sind hervorzuheben: Creuzer, Symbolik und Mythologie der alten Völker (3. Aufl., 4 Bde., Darmst. 1836-43); J. H. Voß, Antisymbolik (2 Bde., Stuttg. 1824-26); C. O. Müller, Prolegomena zu einer wissenschaftlichen Mythologie (Gött. 1825); Buttmann, Mythologus (2 Bde., Berl. 1828-29); Nägelsbach, Homerische Theologie (Nürnb. 1840; 3. Aufl. von Autenrieth, 1884); Lobeck, Aglaophamus (2 Bde., Königsb. 1829); Gerhard, G. M. (2 Bde., Berl. 1854-55); Hermann, Lehrbuch der gottesdienstlichen Altertümer der Griechen (Heidelb. 1846; 2. Aufl. von Stark, 1857); Welcker, Griech. Götterlehre (3 Bde., Gott. 1857-62); H. D. Müller, Mythologie der griech. Stämme (2 Bde. in 3 Tln., ebd. 1857-69); Petersen in der "Allgemeinen Encyklopädie der Wissenschaften und Künste" von Ersch und Gruber (Sekt. 1, Bd. 82, Lpz. 1864); A. Mommsen, Heortologie (ebd. 1864); Preuner, Hestia-Vesta, ein, Cyklus religionsgeschichtlicher Forschungen (Tüb. 1864); die mytholog. Artikel in Daremberg und Saglios "Dictionnaire des antiquités grecques et romaines" (Par. 1873 fg.; bis 1893 sind 17, die Buchstaben A bis F enthaltende Lieferungen erschienen); Roscher, Studien zur vergleichenden Mythologie der Griechen und Römer: I. Apollon und Mars, II. Juno und Hera (Lpz. 1873-75); Lehrs, Populäre Aufsätze aus dem Altertum (2. Aufl., ebd. 1875); Bursian, Über den religiösen Charakter des griech. Mythos (Münch. 1875); Mannhardt, Wald- und Feldkulte (2 Bde., Berl. 1875-77); Roscher, Hermes der Windgott (Lpz. 1878); ders., Die Gorgonen (ebd. 1879); Bouché-Leclercq, Histoire de la divination dans l'antiquité (4 Bde., Par. 1879-81); Roscher, Nektar und Ambrosia (Lpz. 1883); E. H. Meyer, Indogerman. Mythen (Berl. 1883 fg.); Mannhardt, Mytholog. Forschungen (Straßb. 1884); Preuner, Jahresbericht über die griech. und röm. Mythologie aus den J. 1873-75 und 1876-85 in Bursians "Jahresberichten über die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft", Bd. 4, S. 1-144 und Supplementband 1886 fg. (Berlin); Fr. Back, Jahresbericht über die G. M. der J. 1886-90, Bd. 26 (ebd.); Gruppe, Die griech. Culte und Mythen in ihren Beziehungen zu den orient. Religionen (Lpz. 1887 fg.); M. Mayer, Die Giganten und Titanen in der antiken Sage und Kunst (Berl. 1887); U. von Wilamowitz-Möllendorf, Euripides Herakles, Bd. 1 (ebd. 1889); I.I.^[Iohannes (schrieb sich selber mit I, so auch als Autor dieses Buches; vgl. Google Books sowie Unterschrift auf Wikipedia dt.)] Töpffer, Attische Genealogie (ebd. 1889); Laistner, Das Rätsel der Sphinx (2 Bde., ebd. 1889); P. Stengel, Die griech. Sakralaltertümer (in I. von Müllers "Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft"), 1. Tl., Bd. 5 (Münch. 1890); E. Rohde, Psyche (Freib. i. Br. 1890); Roscher, Selene und Verwandtes (Lpz. 1890). Über die Werke der Kunstmythologie s. auch Archäologie.

Griechische Philosophie (Hellenische Philosophie). Die Philosophie des Abendlandes hat in Griechenland nicht bloß ihre Wiege, sondern die Anfänge, die sie dort genommen, sind bestimmend geblieben für ihre ganze fernere Entwicklung. Der Einfluß der G. P. auf die wissenschaftliche Gedankenbildung der Neuzeit ist ein kaum zu ermessender. Entstanden ist sie nicht ohne beträchtliche Einwirkungen der ältern Kulturvölker des Orients. Aber schon früh tritt sie ihnen in scharf ausgeprägter Eigenart gegenüber. Den Grundcharakter der G. P. kurz zusammenzufassen ist nicht leicht. Ein unverkennbarer Grundzug ist die früh erlangte Unabhängigkeit des Denkens, die Freiheit namentlich von der Fessel einer überlieferten Religion, die, Hand in Hand mit der bürgerlichen Freiheit, so früh und allgemein wohl nirgends wie in Griechenland errungen wurde. Zeller bezeichnet als charakteristisch für die alte Philosophie: vorschnelle Verallgemeinerung, einseitige Dialektik. Allerdings leidet das Mittelalter an denselben Fehlern, und die Neuzeit hat sie keineswegs