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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Gudscharat

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Gudrun - Gudscharat.

wird ihr in Vogelgestalt ein Engel (in der ursprünglichen Sage jedenfalls eine der Zukunft kundige Schwanenjungfrau, wie deren auch im Nibelungenlied erscheinen) gesandt, sie zu trösten. Aber zorniges Schelten erwartet sie bei ihrer Heimkehr von seiten der argen Gerlinde, weil sie den ganzen Tag mit dem Waschen zugebracht, und am nächsten Morgen muß sie, wiewohl nachts ein tiefer Schnee gefallen ist, barfuß am Meergestade ihre Wäsche vollenden. An ebendiesem Morgen aber kommen Ortwin und Herwig, um Kunde einzuziehen, in einer Barke in die Nähe derselben Stelle. Die beiden Kriegsmänner, G. nicht erkennend, erkundigen sich bei ihr nach Land und Leuten und vernehmen von ihr, daß man wohlgerüstet sei und nur vor Einem Feinde, den Hegelingen, Besorgnis hege. Auf die Frage ihres Bruders Ortwin, ob nicht eine Jungfrau G. einst als Geraubte hierher gebracht worden sei, gibt sich letztere für eine der mit jener geraubten Jungfrauen aus und meldet den Tod jener. Aber als der Seelandskönig ihr den Ring zeigt, mit dem ihm G. verlobt worden, gibt sie sich zu erkennen. Herwig will sie auf der Stelle mit sich nehmen. Aber auf Ortwins Mahnung, daß es sich nicht gezieme, das im Kampf Geraubte heimlich zu entwenden, fahren beide Fürsten zurück zu ihrer Kriegsflotte, um den Sturm auf die Normannenburg vorzubereiten; G. aber, im erwachten stolzen Selbstgefühl, wirft die Leinwand, statt sie zu waschen, in die See. Deshalb von Gerlinde mißhandelt, stellt sie sich, als wolle sie nunmehr Hartmut heiraten. Im darauf folgenden Kampf fällt der Normannenkönig Ludwig unter Herwigs Streichen; die erboste Gerlinde will dafür G. erschlagen haben, und schon ist das Schwert über deren Haupt gezückt, als Hartmut edelmütig dem Verbrechen wehrt. Dieser wird gefangen, und der zornige Wate dringt in das Frauengemach, um Gerlinde den verdienten Lohn zu geben. G. aber verleugnet sie, gleichen Edelmut wie Hartmut beweisend; dessenungeachtet weiß Wate sie zu finden und schlägt ihr das Haupt ab. Hierauf folgt die Heimfahrt, Sühne und dreifache Vermählung: zwischen Herwig und G., zwischen dem Normannenkönig Hartmut und Hildburg, einer von Gudruns Gefährtinnen, und zwischen Ortwin, Gudruns Bruder, und Ortrun, der normännischen Königstochter.

Das Gedicht, das in einer der Nibelungenstrophe nachgebildeten Strophenform abgefaßt ist und wahrscheinlich von einem österreichischen Dichter (um 1190?) herrührt, ist nur in einer einzigen Handschrift erhalten, die auf Befehl Maximilians I. angefertigt ist und auf Schloß Ambras in Tirol 1820 gefunden wurde. Die erste Ausgabe des Gedichts veranstaltete v. d. Hagen im 1. Band seines "Heldenbuchs" (Berl. 1820); ihr folgten die Editionen von Ziemann (in reines Mittelhochdeutsch umgesetzt, Quedlinb. 1835) und von Vollmer (Leipz. 1845). Die neuesten und besten Ausgaben sind die von erklärenden Anmerkungen begleiteten von Bartsch (Leipz. 1865, 4. Aufl. 1880; auch in Kürschners "Nationallitteratur", Stuttg. 1885) und von Martin (in Zachers "Germanistischer Handbibliothek", Halle 1872), die von Symons (das. 1883). Übersetzungen des Gedichts liegen vor von San Marte (Berl. 1839) u. Keller (Stuttg. 1840); besser von Simrock (das. 1843, 8. Aufl. 1873), von Klee (Leipz. 1878), von Weitbrecht (Stuttg. 1884) u. a. In neuerer Zeit sind drei Versuche gemacht worden, auch im Gudrunlied, wie im Nibelungenlied, die echten, auf alter Volkssage beruhenden Teile von den Zuthaten späterer Kunstpoesie zu trennen: zuerst von Ettmüller in: "Gudrunlieder" (Zürich 1841), dann von Müllenhoff in: "Kudrun, die echten Teile des Gedichts" (Kiel 1845), der von dem überlieferten Text nur 415 Strophen übrigläßt, zuletzt von W. v. Plönnies in: "Kudrun. Übersetzung und Urtext mit erläuternden Abhandlungen" (Leipz. 1853). Vgl. Keck, Die Gudrunsage (Leipz. 1867); Bartsch, Beiträge zur Geschichte und Kritik der Kudrun (Wien 1865); Wilmanns, Die Entwickelung der Kudrundichtung (Halle 1873). In der nordischen Sage ist G. Name der Kriemhild, der Gemahlin Siegfrieds.

Gudscharat (Guzerat), großes Gebiet an der Nordwestküste von Vorderindien (s. Karte "Ostindien") zwischen 20° und 24° 45' nördl. Br. und 69-74° östl. L. v. Gr., besteht aus der Insel Katsch, der Halbinsel Kathiawar und dem daranstoßenden Festland, das im N. die Radschputanastaaten, im O. die Nordwestprovinzen und die Kollektorate Khandesch und Nasik der Präsidentschaft Bombay begrenzen, ein Areal von 162,570 qkm (2952 QM.) mit (1881) 7,594,775 Einw., welche aber über das Gebiet sehr ungleich verteilt sind (in den Küstenlandschaften 108-193, im N. und O. nur 25-40 auf 1 qkm). Politisch zerfällt G. in zwei Gruppen: die Besitzungen indischer Vasallenfürsten und die britischen, zur Präsidentschaft Bombay gehörigen Distrikte. Die erstern (Katsch, fast ganz Kathiawar, der größte Teil des Festlandes), vor 30 Jahren noch unter 217, jetzt nur noch 189 Herrscher verteilt, unter denen der Gaikawar von Baroda der bedeutendste ist, umfassen 163,262 qkm (2475 QM.) mit 4,737,044 Einw. und werden offiziell auf acht Gebiete verteilt: Katsch, Palampur, Mahi Kantha, Kathiawar, Rewa Kantha, Cambay, Narukot und Surate. Die britischen Besitzungen sind 26,308 qkm (478 QM.) groß mit 2,857,731 Einw. und umfassen die Distrikte Ahmedabad, Kaira, Pantsch Mehals, Barotsch und Surate. Dazu kommen noch die kleinen portugiesischen Besitzungen Daman an der Küste von Surate und Diu an der Südspitze von Kathiawar. Die Halbinsel Kathiawar zeigt mit Katsch (s. d.) in der Richtung ihrer ozeanischen Küsten (von NW. nach SO.) wie in ihrem geologischen Aufbau große Verwandtschaft, doch ist sie höher; die Girberge im S. erheben sich zu 500 m, die Girnaberge im Zentrum erreichen 1067 m, beide sind mit dichten Waldungen bedeckt. Gegen N. senkt sich das Land, der 110 km breite Isthmus liegt höchstens 15 m ü. M. und wird noch dazu zum großen Teil von einem Salzsumpf eingenommen. Das Festland wird durch den Mahifluß in zwei voneinander durchaus verschiedene Striche geteilt. Der nördliche ist eben, kahl, trocken und wird von oft wasserlosen Flüssen durchzogen, welche sich bis 20 m tiefe Rinnen gegraben haben, in denen während der Trockenzeit der ganze Verkehr der dann scheinbar ausgestorbenen Landschaft sich bewegt. Der südliche wird von den wasserreichen Flüssen Narbada und Tapti durchzogen, die in weiter Mündung sich in den Golf von Cambay ergießen, und von Hügelketten erfüllt und zeichnet sich durch fruchtbare Felder, prächtige Obstgärten, aber auch durch undurchdringliche Dickichte aus. Das Klima, im N. äußerst heiß und trocken, wird im S. von Juli bis Oktober durch den Südwestmonsun gemäßigt, ist dort aber wegen der verderblichen Fieber Europäern sehr gefährlich.

Im ganzen ist G. eine der fruchtbarsten und auch am besten kultivierten Landschaften Indiens. In den Küstengegenden wird Reis, im N. Weizen, Gerste u. a. gebaut; die Kultur des Zuckerrohrs breitet sich im S. aus. Berühmt ist G. durch seine Baumwolle, die auf beiden Seiten des Golfs von Cambay in großem Maßstab gebaut wird und, nach den Ortschaften be-^[folgende Seite]