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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Handelsbillet - Handelsgeographie.

Handelsbillet (Handelszettel, Handelsobligation, Handelsverschreibung, franz. Billet, engl. Note), ein Schuldbekenntnis, gewöhnlich in der äußern Form eines Solawechsels, welches ein Kaufmann für kreditierte Waren dem Verkäufer über den Betrag derselben gibt, und welches das Versprechen enthält, in gewisser Frist zu bezahlen. An Plätzen, wo es gebräuchlich war, Waren gegen Handelsbillets zu kaufen und zu verkaufen, galt für solche Papiere früher vielfach das Wechselrecht.

Handelsbrauch (Handelsgebrauch, Handelsgewohnheit, Handelsusance, ital. Uso), das kaufmännische Gewohnheitsrecht, d. h. eine im Handelsstand bestehende Rechtsüberzeugung, welche durch thatsächliche Übung ihren Ausdruck gefunden hat. Dem Gewohnheitsrecht ist damit Gesetzeskraft eingeräumt nicht bloß für die Materie, worüber das Handelsgesetzbuch keine Bestimmungen enthält, sondern allgemein für alle handelsrechtlichen Fragen, die im Gesetzbuch durch eine bestimmte Vorschrift nicht entschieden sind. Ob ein H. in diesem Sinn bestehe, ist nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen, d. h. es sind dafür die in jedem einzelnen Staat hinsichtlich der Erfordernisse und des Beweises vom Gewohnheitsrecht geltenden Rechtssätze maßgebend. Die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs selbst können durch Handelsgewohnheitsrecht nicht aufgehoben oder abgeändert werden. Vom H. in diesem Sinn sind die Gewohnheiten und Gebräuche zu unterscheiden (Usancen), welche im Geschäfts- und Handelsverkehr gelten und welche bei Auslegung von Rechtsgeschäften, bei Feststellung der Bedeutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen zu berücksichtigen sind. In diesem Sinn bedeutet H. s. v. w. Verkehrssitte. Vgl. Art. 279 des Handelsgesetzbuchs. Zur Erläuterung dienen die Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts in Band III, 1; IV, 353; VI, 368; VIII, 254; IX, 23; X, 306 u. a. Vgl. Usance.

Handelsbücher, Handlungsbücher, die von Kaufleuten nach den Regeln der Buchhaltung und den Vorschriften des Gesetzes geführten Bücher. Vgl. Buchhaltung.

Handelsbündnisse, s. Handelsverträge.

Händel-Schütz, s. Hendel-Schütz.

Handelsdeputation, s. Handelskammern.

Handelsdisponent, der bevollmächtigte Vertreter eines Handlungshauses (s. Disponent).

Handelseffekten (börsenmaßige Effekten), solche Effekten, welche regelmäßige Gegenstände des Börsenverkehrs bilden.

Handelsfächer, s. v. w. Handelswissenschaften (s. d.).

Handelsfaktor, s. Faktor.

Handelsfirma, s. Firma.

Handelsflotte, s. Marine.

Handelsfrau (Kauffrau), eine Frauensperson, welche gewerbsmäßig Handelsgeschäfte treibt. Eine verheiratete Frau bedarf hierzu der Einwilligung des Ehemanns, welche als erteilt angesehen wird, wenn die Ehefrau mit Wissen und ohne Einspruch des Mannes Handelsgeschäfte betreibt. Die H. hat im Handelsbetrieb alle Rechte und Pflichten eines Kaufmanns (s. d.); sie bedarf zum Abschluß der einzelnen Handelsgeschäfte nicht der jeweiligen Zustimmung des Ehemanns, kann sich in Ansehung dieser Geschäfte nicht auf die weiblichen Rechtswohlthaten berufen und kann, gleichviel ob sie verheiratet oder unverheiratet ist, selbständig vor Gericht auftreten. Für Handelsschulden haftet sie mit ihrem ganzen Vermögen, ohne Rücksicht auf die Verwaltungs- und Nießbrauchsrechte des Mannes; ja, es haftet sogar, wenn allgemeine eheliche Gütergemeinschaft besteht, das gesamte gemeinschaftliche Vermögen dafür. Vom Börsenbesuch sind die Handelsfrauen jedoch regelmäßig ausgeschlossen, so z. B. nach dem Statut der Berliner Kaufmannschaft vom 26. Febr. 1870. Vgl. Deutsches Handelsgesetzbuch, Art. 6-9.

Handelsfreiheit, s. Freihandel.

Handelsgarten, der Garten des Handelsgärtners welcher je nach den Kulturen, die darin betrieben werden sollen, sehr verschiedene Einrichtung besitzt. Nur in kleinern Städten findet man heutzutage noch Handelsgärtner, welche Gemüse, auch wohl Obst und namentlich Zierpflanzen aller Art kultivieren. Meist hat eine Spezialisierung stattgefunden; die Krauterei, d. h. die Kultur von Gemüse, Suppenkräutern etc., ist selten noch mit der Anzucht von Zierpflanzen verbunden, und auch diese ist in sehr viele Zweige gespalten. Gehölze werden in Baumschulen kultiviert, die Zwiebelkultur bildet in der Regel einen besondern Geschäftszweig, und außerdem pflegen Palmen, Gummibäume und andre Blattpflanzen, Kakteen, Azalien und Rhododendren, Kamelien, Cyklamen, Farne, Rosen, Georginen und die verschiedenen Marktpflanzen in Spezialkulturen herangezogen zu werden. Je nach dieser Spezialisierung enthält der H. vorzugsweise Warm- oder Kalthäuser, Mistbeetkasten oder Freilandbeete; viele Handelsgärtner widmen sich aber auch mit Vorliebe der Treiberei von Veilchen, Maiblumen, Zwiebelgewächsen, Blütensträuchern, die wieder besondere Einrichtungen nötig machen.

Handelsgärtner, Gärtner, der mit Pflanzen und Sämereien aller Art Handel treibt oder auch Handelspflanzen (s. d.) anzieht und verkauft.

Handelsgebrauch, s. v. w. Handelsbrauch (s. d.).

Handelsgeld, s. Handelsmünzen.

Handelsgeographie ist die Beschreibung der Erde als Schauplatz der Warenerzeugung und des Warenumsatzes; sie beansprucht daher einen sehr bedeutenden Teil des der Erdkunde zugewiesenen Gebiets, denn indem sie sich mit den natürlichen Bedingungen der Produktion beschäftigt, hat sie die Lage und Konfiguration der Erdteile und Länder, ihre Bodenerhebung und Bodenbeschaffenheit, ihre Oro- und Hydrographie, ihr pflanzliches und tierisches Leben, also sämtliche von der Natur ihnen verliehene Eigenschaften ebenso in Betracht zu ziehen wie die Menschen, welche in den verschiedenen Teilen der Erdoberfläche wohnen, die sozialen und politischen Verhältnisse, welche bei ihnen herrschen, die Entwickelung ihrer Industrie und ihres Handels, nebst allen den zahlreichen Faktoren, durch welche dieselben gestützt und gefördert werden. Bei der Warenerzeugung behandelt sie die Urproduktion wie die gewerbliche Thätigkeit der einzelnen Völker, bei dem Warenumsatz sämtliche Einrichtungen, durch welche derselbe vermittelt wird, also sowohl den Karawanen- und Eisenbahnverkehr des festen Landes als die Schiffahrt der Flüsse und Meere, das Post- und Telegraphenwesen sowohl als die herrschenden Zoll- und Bankverhältnisse. Sie hat es daher besonders mit der die einzelnen Länder und Waren betreffenden Statistik zu thun, sie befaßt sich auch insofern mit der Geschichte, als dieselbe die kulturelle, industrielle und kommerzielle Entwickelung der Staaten und Völker behandelt, und zwar ist es die Aufgabe der H., alle vorhandenen Faktoren in ihrem kausalen Verhältnis zu einander darzustellen und, indem sie so das wirtschaftliche Leben der Völker vergleichend schildert, den praktischen Bedürfnissen der Industrie und des Handels des eignen Landes dadurch zu dienen, daß sie demselben die verschie-^[folgende Seite]