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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Handflügler; Handfriede; Handgeld; Handgelöbnis; Handgemenge; Handgranaten; Handhafte That; Handicap

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Handflügler - Handicap.

Handflügler (Chiroptera, Flatterer; hierzu Tafel "Handflügler"), Ordnung der Säugetiere, charakterisiert durch den Besitz einer Flughaut, wie sie in ähnlicher Weise nur noch bei wenigen andern Säugetieren (dem Pelzflatterer, Flugbeutler und Flattereichhorn) vorkommt. Oberarm und Finger (mit Ausnahme des Daumens) sind außerordentlich verlängert und von der Flughaut umgeben. Letztere zieht sich an den Seiten des Körpers bis zum Fuß herab und hüllt das ganze Bein nebst dem Schwanz ein; nur der Fuß sowie an der Hand der Daumen sind von ihr ausgeschlossen. Die Krallen an den Zehen und am Daumen dienen den Tieren zu dem meist unbehilflichen Kriechen auf dem Erdboden. Der Flug ist rasch, jedoch gewöhnlich kurz und von dem der Vögel natürlich sehr verschieden. Der Körper ist im allgemeinen gedrungen, der Hals kurz, der Kopf mehr oder minder gestreckt, mit weitem Rachen, kräftigem, vollständigem Gebiß und bisweilen mit eigentümlichen Hautwucherungen an Nase und Ohren. Mit Ausnahme der Flughaut und des Gesichts ist der Körper dicht behaart. Das Knochengerüst ist leicht gebaut; am Brustkorb erinnern mehrfache Eigentümlichkeiten an den Bau der Vögel. Das Gehirn ist ohne Windungen. Die Augen bleiben wenig entwickelt, während Geruch, Gehör und Gefühl, entsprechend der nächtlichen Lebensweise, von großer Feinheit sind. Besonders empfindlich ist die Flughaut. Die beiden Zitzen befinden sich an der Brust. Die meisten H. leben von Insekten, einige außereuropäische greifen auch Vögel und Säugetiere an und saugen deren Blut; andre nähren sich von Früchten. Die H. der gemäßigten Klimate halten einen regelmäßigen Winterschlaf, wobei die Temperatur ihres Bluts langsam sinkt. Im Herbst findet wenigstens bei den einheimischen Arten die Begattung statt; der eingedrungene Same bleibt im Weibchen bis zum Frühjahr lebendig und befruchtet dann erst das Ei, welches den Winter hindurch im Eierstock gereift ist. Die H. finden sich am zahlreichsten in wärmern Klimaten; in der kalten Zone fehlen sie ganz. Bemerkenswert ist, daß H. auf ozeanischen Inseln vorkommen, wo keine andern Säugetiere heimisch sind. Man kennt etwa 400 Arten und bringt diese in eine große Anzahl Gattungen, jedoch ist die Aufstellung der letztern sowie ihre Vereinigung zu Familien hier schwieriger als bei den andern Ordnungen der Säugetiere. Wir unterscheiden: 1) Fruchtfresser (Frugivora). Zu diesen gehört nur eine Familie, die der Flederhunde (Pteropidae), Bewohner der tropischen Gegenden der Alten Welt und Australiens, ziemlich große Tiere mit hundeartigem Kopf, kleinen Ohren und kurzem Schwanz. Hierher gehört unter andern Pteropus (Flederhund, s. d.). 2) Insektenfresser (Insectivora) oder Fledermäuse; zerfallen in mehrere Familien, die hauptsächlich nach dem Fehlen oder Vorhandensein und nach der Form der häutigen Anhängsel an Nase und Ohren gebildet werden. S. Fledermäuse. - Fossile H. finden sich schon im Eocän von Europa und Nordamerika vor, weichen jedoch von den lebenden nur wenig ab.

Handfriede, ein früher übliches Friedensversprechen, durch welches jemand vor handgemeinen feindseligen Anfällen sichergestellt wurde.

Handgeld, s. Angeld und Werbung.

Handgelöbnis, feierliches Versprechen, welches durch Handschlag an die Person, der man es leistet, bekräftigt wird. Das außergerichtliche, einer Privatperson gegebene H. hat rechtlich keine andre Wirkung als jede andre Versicherung. Das gerichtliche H. (Versicherung an Eides Statt) hat die Bedeutung eines förmlichen Eides. Die gegenwärtige deutsche Prozeßgesetzgebung kennt das H. auch in Rechtsstreitigkeiten über minder wichtige Gegenstände nicht mehr, während es in verschiedenen Schweizer Prozeßgesetzen vorkommt. Bei Verpflichtungen genügt zuweilen ein H. statt eines förmlichen Eides. So werden z. B. bei der Reichstagswahl Protokollführer und Beisitzer von dem Wahlvorsteher mittels Handschlags an Eides Statt verpflichtet.

Handgemenge, der Kampf Mann gegen Mann mit der blanken Waffe, war früher stets die letzte, den Kampf entscheidende Kampfhandlung, welche aber bei der neuzeitlichen Entwickelung des Feuergefechts mehr und mehr zurückgetreten ist, so daß das H. im frühern Sinn nur selten noch vorkommt. Kommt es jetzt, z. B. bei der Erstürmung eines Gehöfts, zum H., so war der Kampf durch die Feuerwirkung bereits vorher entschieden. Das H. beschränkt sich jetzt hauptsächlich auf den Kampf von Reiterei gegen Reiterei.

Handgranaten, s. Granaten und Grenadiere.

Handhafte That, s. v. w. frische That, auf welcher einer ertappt wird; vgl. Femgerichte, S. 126.

Handicap (engl., spr. händikäp), ein Wettrennen (s. d.), an dem Pferde jedes Alters und jeder Fähigkeit teilnehmen, bei welchem aber den schwächern durch geringere Belastung ihrer Reiter ein Mittel zum Ausgleich mit den stärkern gewährt wird, so daß der Triumph eines H. darin besteht, wenn es als "dead heat" oder totes Rennen endet, d. h. wenn alle Pferde gleichzeitig das Ziel erreichen. Die Verteilung des Gewichts (H.-Weight oder Treffgewicht), bei welcher natürlich der Zufall eine große Rolle spielt, geschieht durch den Handicapper, einen aus dem Kreis des Rennkomitees gewählten Richter, welcher die Pferde nach ihren bisherigen Leistungen oder mutmaßlichen Kräften abschätzt. Die Handicaps sind deshalb sehr in Aufnahme gekommen, weil sie auch der geringern Klasse von Pferden eine Gewinnchance eröffnen, und weil dadurch die Zahl der Konkurrenten möglichst erhöht, die Wettfelder also möglichst groß werden; sie haben indessen den Nachteil, daß sie leicht zu betrügerischen Manipulationen verwendet werden können. Man läßt nämlich absichtlich Pferde in einem oder dem andern Rennen nicht gewinnen, um für ein bestimmtes H. Gewicht los zu werden und ersteres dann sicher mit langen Wetten nach Haus zu tragen. Die Bezeichnung H., d. h. hand i' the cap ("Hand in die Mütze"), rührt von der noch jetzt in Irland üblichen Gewohnheit her, bei lustigen Gelagen sich zum Austausch verschiedener den Anwesenden gehöriger Gegenstände herauszufordern. A. wünscht z. B. B.s Pferd zu haben und bietet seine Uhr dafür an. B. geht auf den Tausch ein, und ein Dritter, C., wird zum Handicapper gewählt, damit er "den Ausspruch thue", d. h. die Summe bestimme, welche der Besitzer des an Wert geringern Gegenstandes noch zugeben soll, um den wertvollern zu erhalten. Alle drei legen einen gewissen Einsatz nieder, ehe der Handicapper seinen Ausspruch thut, und hierauf stecken die beiden, welche tauschen wollen, eine Hand in die Mütze, den Hut oder die Tasche. Nun fängt der Handicapper an, die Vorzüge der Uhr und die des Pferdes humoristisch hervorzuheben, nennt dann eine Summe in möglichst verschiedenen Geldsorten, die er rasch hintereinander herzählt, welche der Besitzer der Uhr dieser beifügen soll, um B.s Pferd zu bekommen, und schließt mit den Worten: "Draw Gentlemen!" Beide müssen sogleich ihre Hände herausziehen und öffnen. Haben sie Geld darin, so sind sie mit dem Ausspruch ein-^[folgende Seite]